| # taz.de -- Gesetz für Kinderschutz im Auto: Viel Rauch im Raum | |
| > Das Rauchen im Auto soll künftig verboten sein – wenn Kinder oder | |
| > Schwangere an Bord sind. Wäre es da nicht besser, gleich das Auto zu | |
| > verbieten? | |
| Bild: Im Auto rauchen ist erlaubt – noch | |
| Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm folgt der Eintrag „Verbot“ auf d… | |
| für „Verböserung“. Diese ist eindeutig beschrieben („was böse macht“… | |
| jenes klar gefasst als „ein befehl, durch den etwas untersagt wird“. Als | |
| Adjektiv „verboten“ klingt es dann aber schon viel netter: „einem durch | |
| boten mittheilung machen“ – und in diesem Spannungsfeld bewegt sich die | |
| Sache mit dem Verbieten bis heute. | |
| Der demokratische Mensch reagiert unleidlich, wenn ihm die „weltliche | |
| Obrigkeit“ (Grimm) etwas verbietet – denn letztlich ist er die ja | |
| [1][selber] –, kann aber durch das allgemeine Laissez-faire der liberalen | |
| Gesellschaft auch leicht in eine totalitäre Verböserung geraten, in welcher | |
| er seinem Nachbarn untersagen möchte, was ihn selbst stört, schädigt oder | |
| lediglich in seinem moralischen Empfinden verletzt. | |
| Aktuell geht es um eine Gesetzesinitiative, die mehrere Bundesländer am | |
| Freitag in den Bundesrat einbringen wollen. Wenn Schwangere und Kinder im | |
| Auto sitzen, sollen künftig der Konsum traditioneller Rauchwaren tabu sein, | |
| von Verdampfern liest man (noch) nichts. Schwangere, die selbst rauchen, | |
| können im Rahmen der grundgesetzlich garantierten allgemeinen | |
| Handlungsfreiheit nicht daran gehindert werden, teilt das niedersächsische | |
| Gesundheitsministerium auf Anfrage mit – und das ist ja erstmal beruhigend. | |
| ## Auf der richtigen Spur | |
| Der gesellschaftlich interessantere Einwand kommt denn auch vom ADAC. Der | |
| verweist darauf, dass das Auto ein nichtöffentlicher Raum sei, in dem die | |
| Insassen selbstverantwortlich handeln sollten. Dabei verstünde es sich von | |
| selbst, dass man nicht rauche, wenn Kinder im Auto seien. | |
| Anzumerken wäre hier, dass zuletzt ein Porsche Macan im Berliner Stadtteil | |
| Mitte gezeigt hat, welch zerstörerische Kraft die Überschneidung von | |
| vermeintlich nichtöffentlichem und öffentlichem Raum entfalten kann: Vier | |
| Menschen kamen ums Leben, weil der Fahrer die Kontrolle über sein SUV | |
| [2][verlor]. Die [3][Porschewerbung] für den Macan lautet übrigens immer | |
| noch: „Wir haben bewiesen, dass wir uns nichts diktieren lassen“ – eine so | |
| klare wie geschmacklose Abgrenzung gegen jede Verbotskultur. | |
| Wo also beginnt, wo endet er, der nichtöffentliche Raum? Hat das Auto | |
| überhaupt noch irgendeinen Nutzen oder besser: Nichtschaden vorzuweisen als | |
| den des reinen Gefühls der Unantastbarkeit seines Nutzers? | |
| Und müssen wir insofern nicht, vom ADAC hier dankenswerterweise auf die | |
| richtige Spur gebracht, das Auto einen nichtsozialen Raum nennen, einen | |
| Wutraum, in dem und mit dem der Einzelne genau die Regeln, die | |
| selbstverständlich sein sollten, tagtäglich außer Kraft setzt: nicht | |
| lärmen, nicht vergiften, nicht die eigene Stärke gegen Schwächere | |
| ausnutzen, nicht im grotesken Übermaß das allgemeine Straßenland für sich | |
| beanspruchen – und nicht zuletzt: nicht töten? | |
| ## Im Wutraum verschanzt | |
| Anfang 2019 kamen in der Bundesrepublik auf 1.000 Einwohner 567 Pkws – ein | |
| historischer Höchststand, [4][meldete] am Dienstag Spiegel Online. Man wird | |
| diese Zahlen so interpretieren müssen, als dass es eben die wohl | |
| vielfältigste und öffentlichen Nahverkehr im Höchstmaß zur Verfügung | |
| stellende Gesellschaft in der deutschen Geschichte ist, auf die der | |
| Autofahrer reaktionär und soziopathisch reagiert, indem er sich aus ihr | |
| herauszieht und in seinem Vernichtungsraum verschanzt. | |
| Dass das nicht so bleiben kann, ist klar; und zwar nicht nur, weil unser | |
| aller Lebensgrundlagen durch das gegen die Wand gefahrene Projekt Auto auf | |
| dem Spiel stehen; sondern auch in dem Sinn, dass man sich wirklich und | |
| ehrlich um die Autofahrer kümmern, sie als Bedürftige, als Schutz, | |
| Abenteuer, Selbstverwirklichung Suchende ernst nehmen muss – also letztlich | |
| als Kranke oder jedenfalls schwer Gekränkte. | |
| Man kann also, sollte es tatsächlich zur gewünschten Verschärfung des | |
| Nichtraucherschutzes im Privatauto kommen, mit einiger Spannung den | |
| gerichtlichen Auseinandersetzungen entgegensehen, die sich daraus ergeben | |
| werden. Wäre ich regelmäßiger Autofahrer und Raucher – was als Kombination | |
| übrigens wunderbar-romantische Erinnerungen hervorruft –, ich würde sagen: | |
| Wenn ihr das Autofahren erlaubt oder jedenfalls das Transportieren von | |
| Kindern im asozialen Raum Auto – dann könnt ihr das Rauchen dort als sehr | |
| viel kleineres Übel nicht verbieten. | |
| Als Gesellschaft müssen wir – und das gilt für alle Verbotsdebatten einen | |
| Weg finden, die ursprüngliche Bedeutung des Verbotenen lebendig zu machen: | |
| Wir müssen Boten werden, die Nachrichten überbringen und die gehört werden, | |
| die überzeugen. Dafür braucht es Zuwendung, Wissen, Selbstbewussten, | |
| Einfühlungsvermögen – eben das, was der ADAC vielleicht zu optimistisch für | |
| „selbstverständlich“ erachtet. | |
| 18 Sep 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Artikel_20_des_Grundgesetzes_f%C3%BCr_die_Bun… | |
| [2] /SUV-Unfall-in-Berlin-Mitte/!5620953 | |
| [3] https://www.porsche.com/germany/models/macan/macan-models/macan/ | |
| [4] https://www.spiegel.de/auto/aktuell/verkehr-das-eigene-auto-ist-in-deutschl… | |
| ## AUTOREN | |
| Ambros Waibel | |
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