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# taz.de -- Aktivist über Regionalwahlen in Russland: „Die Macht ist zu bür…
> Michail Amosow tritt bei der Wahl in St. Petersburg an. Der Vertreter des
> demokratischen Lagers setzt dabei auf die gebildeten Schichten.
Bild: „Macht für das Volk!“ Protestaktion am 5. September in St. Petersburg
Am Sonntag wird in St. Petersburg, wie in gut zwei Dutzend anderen
russischen Städten und Regionen, gewählt. Sechs Stimmen hat jeder Wähler in
der „nördlichen Hauptstadt“: eine Stimme für die Wahl zum Gouverneur und
fünf weitere Stimmen für den Bezirksrat. Lediglich drei Politiker
kandidieren für das Amt des Gouverneurs: Michail Amosow von der Plattform
der Bürger, Alexander Beglow von der Putin-Partei Einiges Russland und
Nadeschda Tichonowa von Gerechtes Russland. Grund der geringen Bewerberzahl
ist der „kommunale Filter“, der eine Kandidatur nur Politikern erlaubt, die
zehn Prozent der Unterschriften der lokalen Stadt- und Bezirksräte
erhalten. Da in diesen aber Einiges Russland mit 90 Prozent vertreten ist,
wurde kein erklärter Gegner von Einiges Russland von der Wahlbehörde zur
Wahl zugelassen. Bis zum 30. August waren es noch vier Kandidaten. Doch der
Kommunist Wladimir Bortko hatte seine Kandidatur im letzten Augenblick
zurückgezogen. Er wolle bei diesem Spiel nicht mitmachen, sagte er zu
Begründung.
taz: Herr Amosow, was beunruhigt die Menschen?
Michail Amosow: Ich mache zwei Mal im Monat Sprechstunde. Am meisten Klagen
höre ich über fehlende Kindergartenplätze. 300.000 Kinder im
Kindergartenalter leben in der Stadt. 37.000 Plätze fehlen. Kürzlich wurde
wieder wurde ein Kindergarten geschlossen. Er war dem Institut
angeschlossen. Er hat sich nicht rentiert. Und die Stadt wollte ihn nicht
subventionieren. Ich will das ändern. Ich will, dass der Staat für jedes
Kind jährlich 2.200 Euro zur Verfügung stellt. Das würde die Kindergärten
motivieren, mehr Kinder aufzunehmen.
Worin unterscheiden Sie sich von Alexander Beglow, dem Kandidaten von
Einiges Russland?
Die Macht ist zu bürokratisch. Wir müssen sie demokratisieren. Dem
Gouverneur unterstehen die Verwaltungen der städtischen Rayons. Die sollten
nicht ernannt, sondern gewählt werden. Die gewählten Volksvertreter in den
Rayons sollten ein Mitspracherecht bei der Städteplanung erhalten. So eine
Struktur würde Konflikte um Parkanlagen, die zugebaut werden sollen,
demokratisieren. Es gibt eine Rechnungsprüfungskommission. Die wird von
einem Mitglied von Einiges Russland geleitet. Diese Kammer muss eine Person
der Opposition anführen. Einiges Russland kann sich doch nicht selbst
kontrollieren. Und ich bin für eine Erweiterung der Vollmachten der
Bezirksräte und mehr Transparenz.
Was heißt „mehr Transparenz“?
Derzeit wird an dem Straßenbau-Großprojekt „westlicher Schnelldiameter“
gearbeitet. Die Kostenbelaufen sich auf 2,2 Milliarden Euro. Abgesehen
davon, dass ich mir eine zehnfach preisgünstigere Version wünsche,
kritisiere ich auch die fehlende Transparenz. So gibt es Verträge mit
privaten Investoren, die geheim sind. Das finde ich nicht gut.
Sie sich haben immer wieder in Umweltschutzfragen zu Wort gemeldet.
Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs ist sehr wichtig. Moskau gibt
sieben Prozent seines Haushaltes für den Ausbau der U-Bahn aus, St.
Petersburg nur 2,5 Prozent. Das ist zu wenig. Wiir müssen nach dem Vorbild
von Deutschland und Finnland verstärkt auf Mülltrennung setzen.
Müllverbrennungsanlagen sollen nur nach einem Referendum gebaut werden
dürfen.
Welche Bedeutung haben die Wahlen zu den Bezirksräten?
Das letzte Mal gab es bei diesen Wahlen viele Fälschungen. Einiges Russland
hat 90 Prozent erhalten, obwohl deren Unterstützung bei unter 50 Prozent
liegt.
Wie stehen Sie zum kommunalen Filter?
Ich finde diesen Filter ungerecht. Und ich habe diese Kritik auch mehrfach
öffentlich geäußert. Alle sind wir gegen diesen Filter, mit Ausnahme von
Einiges Russland. Und auch Präsident Putin will die Beibehaltung des
Filters.
Auf welche Wählerschichten setzen Sie?
Vor allem auf die gebildeten Schichten der Bevölkerung, auf Menschen, die
im universitären Bereich arbeiten, auf Lehrer und Geschäftsleute.
7 Sep 2019
## AUTOREN
Bernhard Clasen
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Russland
St. Petersburg
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