| # taz.de -- Rechte Gewalt in Deutschland: Neonazis auf dem Radar | |
| > Mit einem Analysetool will das BKA künftig die Gefahr von Rechtsextremen | |
| > messen. Es gibt aber Zweifel am konkreten Nutzen des Instruments. | |
| Bild: Rund 1200 Menschen demonstrieren nach dem Tod des Kasseler Regierungsprä… | |
| Berlin taz | Es soll ein Paradigmenwechsel werden. Mit neuer Härte wollen | |
| das Bundeskriminalamt und der Verfassungsschutz gegen Rechtsextreme | |
| vorgehen. Ein Analyseinstrument soll dabei helfen: Radar-ite. Mit dem | |
| System sollen Gewaltbereite in der Szene auf ihr Terrorpotential | |
| durchleuchtet werden. Aber nun gibt es Kritik. | |
| Das Vorhaben ist eine Reaktion auf den rechtsextremen [1][Mord am Kasseler | |
| Regierungspräsidenten Walter Lübcke]. Bundesinnenminister Horst Seehofer | |
| hatte schon nach der Tat [2][ein verschärftes Vorgehen gegen Rechtsextreme | |
| angekündigt]. Dieser Tage nun legten BKA und Verfassungsschutz dem CSU-Mann | |
| ein ganzes Maßnahmenpaket vor. | |
| Über die Inhalte schweigt Seehofer noch. Aber einige Vorschläge sind schon | |
| bekannt: ein Zuwachs von 440 Stellen in der Rechtsextremismus-Abteilung des | |
| BKA, mehr Analysten beim Verfassungsschutz, eine neue „Zentralstelle“ zur | |
| Bekämpfung von Hasspostings im Internet. Und, wie das Innenministerium nun | |
| erstmals bestätigt: der Einsatz von „Radar-ite“. | |
| Das Instrument wird bei islamistischen Gefährdern bereits seit zwei Jahren | |
| angewandt – als Reaktion auf das Behördenversagen im Fall Anis Amri. | |
| Mittels eines Fragebogen soll deren Anschlagsrisiko eingeschätzt werden. | |
| Abgefragt wird etwa das Gewaltverhalten der Islamisten, ihre | |
| Waffenaffinität, das Auftreten gegenüber Behörden, ihre soziale Situation | |
| oder psychische Auffälligkeiten. 497 Islamisten wurden seit Juli 2017 so | |
| überprüft, fast alle Gefährder. 186 davon wurde ein „hohes Risiko“ | |
| attestiert, den 311 anderen ein „moderates“ | |
| ## Lob und Kritik | |
| Derart systematisch wurde in der rechtsextremen Szene bisher nicht | |
| hingeschaut. Aktuell zählt das BKA dort denn auch nur 39 Gefährder – bei | |
| 705 auf islamistischer Seite. Nun soll der Blick geschärft werden. „Die | |
| Bundesregierung prüft ein Projekt zur Adaption des Instruments Radar-ite | |
| für das Personenpotenzial Politisch motivierte Kriminalität-rechts“, heißt | |
| es in einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Linken-Anfrage, | |
| die der taz vorliegt. Geprüft würden „wissenschaftliche Grundlagen, | |
| praktische Umsetzbarkeit sowie zur Verfügung stehende Haushaltsmittel“. | |
| Der Schritt erntet indes nicht nur Lob. So nennt es die | |
| Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke zwar „überfällig, dass die militante | |
| Naziszene endlich mehr in den polizeilichen Fokus gerät“. Aber: „Ob das | |
| Radar-Instrument hierfür taugt, ist leider zweifelhaft.“ Bis heute bleibe | |
| das BKA den „Nachweis eines konkreten polizeilichen Nutzens“ durch | |
| Radar-ite schuldig, so Jelpke. Auch seien die Kriterien „nach wie vor | |
| extrem vage“, mit denen jemand zur „Hochrisikoperson“ werde. „Aus | |
| grundrechtlicher Sicht ist das ein Problem, das man ernst nehmen muss.“ | |
| Das Innenministerium indes weist die Kritik zurück: Für die Analyse würden | |
| nur „rechtmäßig verwertbare Informationen“ eingesetzt. Die Ergebnisse sei… | |
| „nachvollziehbar und transparent“. Den Ermittlern würde so eine | |
| „einheitliche Einschätzung“ erlaubt und eine „Priorisierung polizeilicher | |
| Maßnahmen“. | |
| Und die Gedanken gehen schon weiter: Konsequenterweise bräuchte es auch | |
| eine Anwendung von Radar-ite für linksextreme Gefährder, heißt es in | |
| Sicherheitskreisen. Das Innenministerium sagt dazu nur, dies sei „aktuell | |
| nicht vorgesehen“. Aber auch in der SPD hieß es schon, alle Gefährder | |
| müssten gleich behandelt werden, „egal aus welchem Bereich sie kommen“. | |
| Viel Arbeit hätten die BKA-Beamten auf linker Seite indes bisher nicht: Die | |
| Zahl der dortigen Gefährder liegt aktuell bei sechs. | |
| 4 Sep 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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