| # taz.de -- Robert Mugabes schweres Erbe: Niemandes Idol | |
| > Der verstorbene Diktator aus Simbabwe war kein plumper Gewaltherrscher – | |
| > das mindert aber nicht die Schattenseiten seiner Präsidenschaft. | |
| Bild: Sie erweisen ihm die letzte Ehre: Unterstüter halten bei einer Trauerzer… | |
| Nein, [1][Robert Mugabe] war nicht der Letzte seiner Generation. Kenneth | |
| Kaunda, erster Präsident des Nachbarlandes Sambia, ist noch am Leben und | |
| kam sogar am Samstag nach Harare zum Staatsakt für den langjährigen | |
| Ex-Präsidenten von Simbabwe. | |
| Mugabe und Kaunda wurden beide im Jahr 1924 geboren. Mugabe ist jetzt | |
| [2][mit 95 Jahren gestorben], genau wie Nelson Mandela vor knapp sechs | |
| Jahren. In Sambia prophezeien manche dem 95-jährigen Kaunda jetzt ebenfalls | |
| den Tod. | |
| Egal wie lange er noch lebt: Der Sambier geht in die Geschichte ein als der | |
| einzige Präsident in Afrika, der erst sein Land in die Unabhängigkeit | |
| führte und sich später freiwillig abwählen ließ und die Macht friedlich | |
| abgab – in [3][Eritrea] und [4][Südsudan] steht die Probe aufs Exempel noch | |
| aus, aber Optimismus wäre unangebracht. Alle anderen wurden weggeputscht, | |
| ermordet, starben im Amt oder übergaben es an einen Mitstreiter. | |
| Das allein zeigt, wie lange es dauert, bis Afrika insgesamt endgültig aus | |
| dem Schatten der kolonialen Herrschaft hervortritt, für Afrikaner ein | |
| permanenter Ausnahmezustand, der kein normales und friedliches Leben | |
| zuließ. Noch immer haben die meisten Länder nicht zu einer Normalität | |
| gefunden, in der politische Macht nicht mehr automatisch gleichbedeutend | |
| wäre mit der Macht über Leben und Tod. | |
| ## Korrupte Geisel einer raffgierigen Entourage | |
| Nelson Mandela stand für ein solches menschliches Politikverständnis. Er | |
| betrieb aus der Haft heraus die Versöhnung mit seinen Verfolgern, er | |
| verpflichtete Südafrikas verbotene Befreiungsorganisation ANC zu | |
| Gewaltfreiheit und Machtteilung, er verzichtete freiwillig nach fünf Jahren | |
| auf das Amt des Präsidenten. Mandela ist zum [5][Idol für ganze | |
| Generationen afrikanischer Aktivisten] auf der Suche nach einer besseren | |
| Politik geworden. | |
| Robert Mugabe wird niemandes Idol werden. Seine Tragik besteht darin, dass | |
| sein wechselhaftes Leben synonym mit der wechselhaften Geschichte des | |
| afrikanischen Emanzipationsgedankens in den letzten hundert Jahren geworden | |
| ist. Er wuchs auf in einer Ära, als Schwarze als minderwertig galten und | |
| tagtäglich mitansahen, wie Weiße die schönen Dinge des Lebens | |
| ausschließlich für sich beanspruchten. | |
| Eine strenge jesuitische Erziehung stählte ihn für harte Haftbedingungen, | |
| die ihn reifen ließen. Als Führer eines militärischen Befreiungskampfes war | |
| er nicht nur zielstrebig, sondern er trieb die weiße Minderheitsherrschaft | |
| so weit in die Defensive, dass der alten Kolonialmacht Großbritannien gar | |
| keine andere Wahl blieb, als ihn als strahlenden Führer einer freien Nation | |
| zu akzeptieren. | |
| Als Premierminister und dann als Präsident aber erwies er sich als unfähig, | |
| das Wohl des Landes vom Wohl der eigenen Person zu trennen. Während | |
| Simbabwe in der Krise versank, wurde Mugabe zur korrupten Geisel einer | |
| raffgierigen Entourage. Krank und verbittert ist er im Exil gestorben; und | |
| in seiner Heimat geht es heute vielen Menschen schlechter als vor der | |
| Unabhängigkeit. | |
| ## Kein plumper Gewaltherrscher | |
| Mugabe war kein plumper Gewaltherrscher, sondern klug und gewieft. Die | |
| Briten wussten das. 1965 hatten die weißen Siedler im damaligen „Rhodesien“ | |
| ihre Herrschaft dadurch zu verewigen versucht, dass sie einseitig die | |
| Unabhängigkeit ausriefen und einen rassistischen Terrorstaat errichteten, | |
| von Apartheid-Südafrika am Leben gehalten. Das Land versank in Gewalt, in | |
| London wuchs ein Konsens, diesen unhaltbaren Zustand zu beenden. 1979, | |
| unter der konservativen Premierministerin Margaret Thatcher, übernahm | |
| Großbritannien wieder die Macht, um freie Wahlen und dann die | |
| Machtübertragung an den Wahlsieger Mugabe zu organisieren. | |
| „Marxist Rule In Rhodesia“, schlagzeilte das konservative Hausblatt Daily | |
| Telegraph entsetzt, aber die Analyse in London war viel gelassener. | |
| Marxismus spielte keine Rolle, schrieb in seinem letzten Bericht nach | |
| London der britische Wahlleiter Sir John Boynton und beschrieb die drei | |
| Stärken Mugabes, die ihm den Sieg brachten: Er stand für das Ende des | |
| Krieges in einem Land, das sich nach Frieden sehnte, für die Rückkehr der | |
| jungen schwarzen Rebellen in ihre Familien und für das Ende der | |
| europäischen Herrschaft. | |
| Frieden und Normalität – das wünschen sich die Menschen nicht nur in | |
| Simbabwe. Überall, wo in afrikanischen Krisenstaaten die Menschen die | |
| Gelegenheit bekommen, ihre politischen Präferenzen zu äußern, geben sie | |
| jenen den Vorzug, die glaubhaft für weniger Gewalt stehen. Das mindert | |
| nicht die Schattenseiten von Mugabes Erbe heute – es macht eher klarer, | |
| worin genau sein Scheitern liegt. Er stand am Ende für das Verhindern eines | |
| normalen Lebens. Er zwang sein Land in den permanenten Ausnahmezustand, | |
| weil er nichts anderes kannte oder akzeptierte. | |
| ## Mugabes Erbe | |
| Ein simbabwischer Kollege schreibt, Mugabe habe auch Bleibendes geschaffen: | |
| ein für Afrika außergewöhnlich hohes Bildungsniveau in der Bevölkerung; die | |
| Grundlagen eines allgemeinen Gesundheitswesens; eine dauerhafte Versöhnung | |
| zwischen Schwarz und Weiß; und Impulse für das südliche Afrika, nicht | |
| nachzulassen im Streben nach Geschlossenheit nach außen. | |
| Diesen Teil seines Erbes darf man tatsächlich nicht vergessen, aber er | |
| steht jetzt nicht im Vordergrund. Das zeigt, wie schwer es ist, knapp | |
| sechzig Jahre seit dem Ende der allgemeinen europäischen Terrorherrschaft | |
| in Afrika Bilanz zu ziehen. | |
| Sollte nach Mandela und Mugabe nun auch Kaunda das Zeitliche segnen, wird | |
| das vielleicht einfacher. Über 55 Jahre ist es jetzt her, dass in Sambia | |
| die ersten allgemeinen Wahlen Kaundas Partei den Sieg und Sambia die | |
| Unabhängigkeit brachten. In einer Wahlkampfrede sagte Kaunda damals Anfang | |
| 1964: „Wir haben hier in Afrika zu viele Propheten und zu wenige Pioniere. | |
| Wir haben zu viele Berater und zu wenige Arbeiter. Wir verlassen uns zu | |
| sehr auf Parolen und zu wenig auf praktische Problemlösungen.“ Zu solchen | |
| Worten oder gar entsprechenden Taten hat sich Mugabe zeitlebens nie | |
| durchringen können. | |
| 16 Sep 2019 | |
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