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# taz.de -- Nachruf auf Robert Mugabe: Freiheitskämpfer und Diktator
> Simbabwes Ex-Präsident Mugabe ist im Alter von 95 Jahren in der Nacht zum
> Freitag gestorben. Er galt als einer der umstrittensten Staatschefs
> Afrikas.
Bild: Robert Mugabe im Jahr 2017
Kampala taz | Simbabwes ehemaliger Präsident Robert Mugabe ist in der Nacht
zu Freitag im Alter von 95 Jahren in Singapur im Krankenhaus gestorben.
Sein Tod wurde von dessen Nachfolger und derzeitigem Präsidenten Simbabwes,
Emmerson Mnangagwa, am Freitagmorgen über Twitter bekannt gegeben.
„Mit großer Traurigkeit verkünde ich die Nachricht vom Ableben von
Simbabwes Gründervater“, so Mnangagwa in seinem ersten Tweet. Er sei eine
„Ikone der Befreiung“ gewesen, sowie ein „Pan-Afrikanist, der sein Leben
der Emanzipation und der Ermächtigung seines Volkes“ gewidmet habe. „Sein
Beitrag zur Geschichte unsere Nation und des Kontinents wird niemals
vergessen werden. Seine Seele soll in ewigem Frieden ruhen.“
Die Schlagzeilen vom Tod eines von Afrikas meist umstrittenen Präsidenten
machte am Freitag nicht nur in Afrika, sondern weltweit die Runde. Sofort
ging die Debatte über Mugabes Vermächtnis los.
Im Westen ist der einstige Präsident, der das Land 37 Jahre lang regierte,
als Diktator verschrien, der den einstigen Brotkorb Afrikas mit eiserner
Faust zugrunde gerichtet hat. In Afrika wird in den sozialen Medien seiner
Rolle als Freiheitskämpfer gegen die Kolonialherren gedacht sowie bei der
Vereinigung des Kontinents unter der pan-afrikanischen Bewegung.
## Aus dem Amt geputscht
Mugabe war 2017 von seinem Nachfolger Mnangagwa mit Hilfe des Militärs aus
seinem Amt geputscht worden. Damals war er bereits 93 Jahre, der weltweit
älteste amtierende Staatschef, und gesundheitlich schwer angeschlagen. Aus
seinem Zustand wurde noch zu seinen Amtszeiten ein Geheimnis gemacht. Auch
nach seinem Tod schweigen Offizielle in Simbabwe über den Grund seines
Ablebens. Bereits seit April befand er sich in Singapur im Krankenhaus.
Mugabe war 1980 als Führer einer Guerilla-Bewegung an die Macht gelangt.
Der einstige Lehrer war 1924 als Sohn eines Tischlers zur Welt gekommen und
in einem kleinen, religiös geprägten, Bauerndorf unter dem Apartheid-Regime
groß geworden.
1958 reiste er für zwei Jahre nach Ghana, um politische Erfahrungen zu
sammeln und dort zu unterrichten. Ghana war eines der ersten afrikanischen
Länder, das 1957 von der britischen Kolonialherrschaft unabhängig geworden
war. Diese Erfahrungen haben den späteren Befreiungskämpfer nachhaltig
geprägt.
Während seines Auslandsaufenthaltes formierten sich in dessen Heimat,
damals noch Südrhodesien genannt, die ersten Unabhängigkeitsbewegungen. Es
kam zu Protesten gegen die weißen Kolonialherren. Mugabe reiste 1960 nach
Hause, schloss sich den Demonstranten an und hielt die ersten Reden.
## Ermutigung für Protestler
Seine Anekdoten und Berichte aus Ghana ermutigten die Protestler, gegen die
das Kolonialregime gewaltsam vorging. Noch im selben Jahr kündigte er
seinen Job in Ghana, wurde Sekretär der neuen Nationalen Demokratischen
Partei (NDP) und fungierte als Vorsitzender des ersten NDP-Kongresses –
sozusagen die Geburtsstunde des simbabwischen Unabhängigkeitskampfes.
Das Apartheitsregime verbot 1961 die NDP. Daraufhin reiste Mugabe nach
Tansania und traf den dortigen Präsident Julius Nyerere, Urvater des
bewaffneten Befreiungskampfes in Afrika. Bei seiner Rückkehr wurde Mugabe
1963 festgenommen und verbrachte elf Jahre im Gefängnis.
Noch in Haft wurde er zum Vorsitzenden Zimbabwe Afrikanischen
National-Union (ZANU) gewählt. Ähnlich wie Nelson Mandela im benachbarten
Südafrika wurde der Freiheitskämpfer im Gefängnis berühmt für seine
Selbstdisziplin und Beharrlichkeit.
Als die Kolonialregierung in Rhodesien sich Ende der 1970er Jahre bemühte,
den Krieg zu beenden, führte Mugabe die afrikanische Delegation bei den
Waffenstillstandsverhandlungen in London an. Er erreichte, dass die Briten
das Land, das bereits 1965 einseitig seine Unabhängigkeit deklariert hatte,
nun auch offiziell aus ihrem Herrschaftsbereich entließen.
## Wahl zum Premierminister
Bei den ersten unabhängigen Wahlen 1980 wurde Mugabe Premierminister. Neben
dem damals noch inhaftierten Mandela in Südafrika wurde er damit zu einer
der zentralen Hoffnungsfiguren für die Versöhnung von Weißen und Schwarzen
im südlichen Afrika. Dafür erhielt er zahlreiche internationale
Auszeichnungen – auch aus Deutschland.
Doch wie in vielen Ländern Afrikas währte das Gefühl der Freiheit auch im
jungen Simbabwe nicht lang. Nach anfänglichen wirtschaftlichen Erfolgen
griff Mugabes Regierung bereits gegen Ende der 1980er Jahre zu autoritären
Mitteln. Es kam zu Machtkämpfen und Spaltungen in der Regierungskoalition.
Mugabes aufstrebender Sicherheitsapparat begann, Oppositionelle zu
verfolgen, zu verhaften oder systematisch zu ermorden.
Gleichzeitig propagierte Mugabe, nunmehr als Präsident, die radikale
Nationalisierung der Farmen, die bislang von Weißen unterhalten wurden.
Doch anstatt das konfiszierte Ackerland den armen Kleinbauern zuzuteilen,
rissen die ZANU-Politiker es mit korrupten Deals an sich.
1997 beendete die neu gewählte britische Regierung unter Premierminister
Tony Blair ihre Finanzhilfe. Gleichzeitig verausgabte sich das Militär
Simbabwes im zweiten Kongo-Krieg von 1998 bis 2003 auf Seiten der
kongolesischen Regierung, in dem Mugabe sein Land als starke Militärmacht
auf dem Kontinent präsentierten wollte.
## Dramatische Folgen
Doch die Intervention ließ die Staatsausgaben ins Unermessliche ansteigen.
Die Folgen waren dramatisch: Der simbabwische Dollar stürzte ab, die
Inflation erreichte 2001 einen dreistelligen Wert. Ab 2008 herrschte sogar
Hyperinflation, bis die Währung letztlich aufgegeben werden musste.
Als Mugabe 2012 die noch verbliebenen weißen Farmer aus dem Land warf,
erzürnte dies abermals den Westen, vor allem Europa. Die bis dahin noch
verbliebenen Beziehungen und die Entwicklungshilfe wurden eingestellt. Von
da an befand sich die Wirtschaft im freien Fall. Aufkommende Proteste
wurden rigoros niedergeschlagen und Wahlen gefälscht. Sicherheitsorgane
gingen brutal gegen Oppositionelle vor. Schließlich verhängte die EU ein
Einreiseverbot gegen den Diktator.
Doch es waren kein internationaler Druck und keine demokratische Revolte
junger Reformer, die Mugabe zu Fall brachten, sondern eine parteiinterne
Erhebung – ausgelöst durch einen Machtkampf um die Nachfolge des
altersschwachen Herrschers. Als Mugabe Anfang November überraschend seinen
mächtigen Vize Mnangagwa unter anderem wegen „Illoyalität“ feuerte, schlug
sich das Militär auf die Seite des Geschassten und stellte den Präsidenten
kurzerhand unter Hausarrest.
In der Nacht zum 15. November besetzten Soldaten das Regierungsgebäude und
das Staatsfernsehen in Harare. Zeitgleich erklärte die ZANU, es handele
sich nicht um einen Putsch, sondern um einen „unblutigen Übergang, bei dem
korrupte und verbrecherische Personen verhaftet wurden und ein alter Mann,
der von seiner Frau übervorteilt worden war, festgesetzt wurde.“ Seitdem
war es ruhig geworden um Mugabe – bis Freitag morgen.
6 Sep 2019
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
Simbabwe
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