# taz.de -- Mugabe, Befreiungskrieger und Despot: Ein Land in Trauer entzweit | |
> „Er hat so viele Opfer gebracht“, lobt die Rentnerin. „Für mich ist er | |
> kein Held“, schimpft der Bauer. Niemanden in Simbabwe lässt Mugabes Tod | |
> unberührt. | |
Bild: Von vielen wird Robert Mugabe noch verehrt | |
Gesänge steigen aus einem Meer weißgekleideter Menschen auf. Choräle und | |
Gebete schallen in den Himmel über der apostolischen Gemeinde der | |
Johane-Masowe-Kirche in Kutama. Die Männer und Frauen des Ortes, in dem | |
Robert Mugabe vor 95 Jahren geboren wurde, wünschen dem verstorbenen | |
Ex-Präsidenten von Simbabwe vielstimmig ewige Ruhe und rufen Gott auf, ihn | |
willkommen zu heißen. | |
Bis kurz vor seinem Tod vergangene Woche ist Mugabe hier noch zum | |
katholischen Gottesdienst gegangen. Nach seinem Tod zelebrieren die | |
Katholiken des Dorfes eine außerordentliche Trauermesse. Josephine Jaricha, | |
die 72-jährige Kusine des Toten, lobt ihn überschwänglich: „Er hat sein | |
Leben lang für dieses Land gekämpft. Er hat immer gekämpft, egal wie stark | |
die Weißen versuchten, ihn zum Schweigen zu bringen. Ich dachte nie, dass | |
er je das Gefängnis verlassen würde. Aber er kam frei und er tat so viel | |
für so viele Menschen.“ | |
Erinnerungen an längst vergangene Zeiten bewegen Simbabwes alte Generation, | |
wenn sie um ihren toten Befreiungshelden trauert. Für die Alten auf dem | |
Land ist Robert Mugabe ein wahrhafter Panafrikanist, der sein Leben dem | |
Interesse unterdrückter schwarzer Menschen in seinem Land und in Afrika | |
gewidmet hat. Fragt man diese Alten, die sich noch an die Zeit der weißen | |
Minderheitsherrschaft vor der Unabhängigkeit 1980 erinnern, sind sie | |
einmütig in ihrem Lob für den Nationalisten und Befreiungskrieger Mugabe, | |
egal in welchen Umständen sie heute leben. | |
„Er hat einen so großen Beitrag geleistet und so viele Opfer für den Kampf | |
des Landes gebracht“, sagt die Rentnerin Tsanangurayi Murazhizha in | |
Highfield, einem Vorort der Hauptstadt Harare. „Mugabe hat außerdem für | |
Simbabwer das beste Bildungswesen in Afrika aufgebaut, und Gesundheit und | |
Sicherheit gebracht. Was mir aber Kummer bereitet, ist, dass Mugabe und | |
seine Familie immer außerhalb von Simbabwe medizinisch versorgt wurden, | |
besonders in Singapur, Malaysia und in Südafrika, während die Mehrheit der | |
Armen bei uns in lokalen Krankenhäusern stirbt, ohne Medikamente.“ | |
Mugabe starb in einem Krankenhaus in Singapur. Das Gesundheitswesen in | |
Simbabwe ist zusammengebrochen – Folge der Wirtschaftskrise des Landes, die | |
nun schon zwei Jahrzehnte andauert. Für Murazhizha ist die Krise aber eine | |
Folge „illegaler“ Sanktionen des Westens, nachdem Mugabe 70 Prozent des | |
fruchtbaren Lands beschlagnahmte und den 4.000 Weißen entzog, die das | |
ertragreichste Agrarland Simbabwes besaßen. | |
## Schwarze an die Macht | |
Murazhizhas Bilanz: Mugabes Leben war zu 90 Prozent gut. Und seine | |
wichtigste Hinterlassenschaft ist die Machtübertragung an entrechtete | |
Schwarze, was ihm den verbreiteten Hass des weißen Westens eingebracht | |
habe. | |
Das ist eine weitverbreitete Sichtweise in Simbabwe. In Chikombedzi, 600 | |
Kilometer südöstlich der Hauptstadt, zieht Hasani Chauke vom Leder: | |
„Abgesehen davon, dass er mit eiserner Faust regierte, bleibt Mugabe ein | |
wahrer Held für Simbabwe und für ganz Afrika. Während andere schwarze | |
Führer in Afrika Angst davor hatten, Ungerechtigkeiten und Brutalitäten | |
westlicher Mächte entgegenzutreten, erhob Mugabe ohne Furcht seine Stimme. | |
Ich liebte ihn für seinen Mut. Mugabe entlarvte die verlogene Doppelmoral | |
der USA und Großbritanniens, als sie Irak bombardierten und Saddam Hussein | |
töteten unter dem Vorwand, Bagdad habe Massenvernichtungswaffen besessen. | |
Später kam heraus, dass Irak nicht einmal Schrotgewehre zum Vogelschießen | |
herstellen konnte, aber eine Million Menschen waren schon von raffgierigen | |
westlichen Ländern ermordet worden. Unser Gründerpräsident Robert Mugabe | |
deckte das bei der UN-Generalversammlung auf und das machte ihn zum Feind | |
des Westens.“ | |
Mugabe hat allerdings auch eigene Leichen im Keller. Wenige Jahre nachdem | |
Simbabwe 1980 unabhängig wurde, lancierte er eine Militäropertion gegen die | |
innere Opposition: die mit seiner Partei Zanu (Zimbabwe African National | |
Union) zwar verbündete, aber auch mit ihr rivalisierende Befreiungsbewegung | |
Zapu (Zimbabwe African People’s Union), der er vorwarf, ihn stürzen zu | |
wollen. Die von Nordkoreanern ausgebildete 5. Brigade der neuen | |
simbabwischen Armee tötete schätzungsweise 20.000 Menschen in den Provinzen | |
Matabeleland und Midlands, zumeist Angehörige der Ndebele. | |
Erst 1987 mit der Verschmelzung beider Parteien zur bis heute regierenden | |
Zanu Patriotic Front (Zanu-PF) endete der Horror, der in Simbabwe bis heute | |
mit dem Wort „Gukurahundi“ (der frühe Regen, der die Spreu vom Weizen | |
trennt) umschrieben wird. | |
Vergessen ist das nicht, auch wenn jahrzehntelang darüber nicht gesprochen | |
werden durfte – erst seit Mugabes Sturz durch die eigene Armee im November | |
2017 wird diese düstere Ära wieder thematisiert – und es überschattet bei | |
den Opfern auch jetzt die Trauer. In Lupane in Matabeleland erinnert sich | |
Thulani Ncube: „Mehr als 20.000 Ndebele wurden von Mugabe bei Gukurahundi | |
ausgelöscht, also will ich diesen Namen nicht in meiner Nähe hören. Wer ihn | |
für einen Helden hält – das ist seine Sache, nicht meine. Für mich bleibt | |
Mugabe ein Despot und ein grausamer Führer.“ | |
In Matabelelands größter Stadt Bulawayo, der zweitgrößten Stadt des Landes, | |
äußert sich Kolani Hlatshwayo nuancierter. „Ich bin in dem Wissen | |
aufgewachsen, dass die Soldaten von Mugabes 5. Brigade meinen Onkel | |
umgebracht hatten. Ich hasste ihn dafür so sehr. Aber dann wurde ich | |
erwachsen und ich habe ihm vergeben, weil ich gesehen habe, dass er | |
panafrikanisch denkt.“ | |
Doch bei der jüngeren Generation, die nach 1980 geboren wurde, überwiegt | |
die negative Wahrnehmung Mugabes. „Für mich steht Mugabe für Scheitern, | |
Korruption, Vetternwirtschaft und Grausamkeit“, sagt Chemedzai Tarugarira, | |
ein landloser Bauer aus Nemamwa, 30 Kilometer südlich von Simbabwes | |
ältester Stadt Masvingo. „Die regierende Zanu-PF sagt, sie habe das Land | |
den Weißen weggenommen und den Schwarzen gegeben, aber nur die Elite in der | |
Regierungspartei und im Sicherheitsapparat hat davon profitiert. Wenn Sie | |
finden, dass ich lüge, wenn ich Mugabe als korrupt und grausam bezeichne, | |
hören Sie sich diese Tatsache an: Mugabe und seine Familie besaßen über 21 | |
Farmen, während die Mehrheit der Bevölkerung landlos ist. Mugabe besitzt | |
nicht nur zahlreiche Farmen auf Kosten der Nation, er hat auch Besitz im | |
Ausland im Wert von Milliarden Dollar.“ | |
Der junge Bauer fügt hinzu: „Das Problem mit afrikanischen Führern ist, | |
dass sie nicht an den nächsten Tag denken und auch nicht glauben, dass sie | |
sterben werden und alles zurücklassen. Wir müssen alle sterben. Also wozu | |
gierig sein und das Land ausplündern, als könne man alles in den Himmel | |
mitnehmen?“ | |
Ein anderer Gesprächspartner, Jemitias Shiri, stimmt ein: „Nur die | |
Sicherheitsleute und die Parteibonzen genießen die Früchte der Freiheit, | |
denn sie haben Land und andere Ressourcen, die Mugabe ihnen gegeben hat. | |
Diamanten im Wert von 15 Milliarden Dollar verschwanden, und Mugabe und | |
seine Freunde haben das unter sich aufgeteilt. Für mich ist er kein Held.“ | |
Seit dem Jahr 2000 musste sich Mugabe wachsender Opposition erwehren und | |
hielt sich mehrmals nur durch Gewalt gegen Kritiker und umstrittene Wahlen | |
an der Macht. Im Laufe der Jahre fanden immer mehr Simbabwer, dass der alte | |
Präsident zu lange am Amt klebte. Im November 2017 wurde er von Soldaten | |
gestürzt, die seinen Stellvertreter, Emmerson Mnangagwa, als Nachfolger | |
unterstützten. | |
Seit seinem Sturz ließ sich Mugabe nur selten in der Öfffentlichkeit | |
blicken. Er starb als verbitterter alter Mann, sagen ihm nahestehende | |
Kreise. Jealousy Mawarire, Sprecherin der neuen Patei NPF (National | |
Patrotic Front), die angeblich von Mugabes Witwe Grace Mugabe finanziert | |
wird, meint: „Was im November 2017 passierte, hat ihn traurig gemacht. Mit | |
seiner Gesundheit ging es rapide bergab, weil er unglücklich darüber war, | |
wie die Dinge verliefen. Darüber jetzt zu sprechen, wäre sehr schmerzlich. | |
Jetzt ist die Zeit für alle Simbabwer, zu trauern. Geben wir denen, die mit | |
ihm zu tun hatten, die Gelegenheit dazu.“ | |
11 Sep 2019 | |
## AUTOREN | |
Savious Kwinika | |
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