# taz.de -- Rechte versuchen Protest in Dresden: Wie ein Tag der offenen Moschee | |
> Die Rechten sind kurz vor der Landtagswahl in Sachsen hungrig nach | |
> Symbolen. Also wollen sie in Dresden gegen den Bau einer Moschee | |
> demonstrieren. | |
Bild: In Dresden steht schon ein Moschee-Gebäude: Die Fatih Camii Moschee | |
DRESDEN taz | Die Ankündigung war groß: Rund um die Uhr will die rechte | |
„Heidenauer Wellenlänge“ das Haus der muslimischen Marwa | |
El-Sherbinis-Gemeinde belagern. Denn hier soll inschallah ein neues | |
Gebetshaus entstehen. Zwar sind die Pläne für die Bebauung des ehemaligen | |
Drewag-Geländes noch nicht genehmigt, doch die Rechten sind kurz vor der | |
Landtagswahl hungrig nach Symbolen. So hatten sie dazu aufgerufen, das | |
Dhuhur-Gebet am Freitag Mittag mit Glockengeläut zu stören – was eine | |
Straftat ist. Doch eine Störung erwirkte die Gruppe nicht – sie sah nur | |
ziemlich albern aus. | |
Über Live-Videos auf Facebook und Youtube hatte die „Heidenauer | |
Wellenlänge“ ihre AnhängerInnen zu mobilisieren versucht. Stets im Zentrum: | |
Madeleine Feige. Die rechtsextreme Aktivistin ist als Schnittstelle | |
zwischen extremistischer Szene und Zivilgesellschaft in Sachsen bekannt. | |
Am Dienstag veröffentlichte der Verein Marwa El-Sherbini ein Statement, in | |
dem das Problem benannt wird: „Antimuslimischer Rassismus – eine sich | |
ausbreitende Krankheit in unserer Gesellschaft“. Diese Krankheit hat | |
Namensgeberin Marwa El-Sherbini vor zehn Jahren das Leben gekostet. Die | |
ägyptische Handballspielerin, Pharmazeutin und Muslima wurde 1. Juli 2009 | |
in einem Dresdner Gerichtssaal durch Messerstiche eines Rassisten getötet. | |
Der Mord und dessen Berichterstattung hatte Fragen über den fehlenden | |
Schutz vor antimuslimischem Rassismus aufgeworfen. | |
Nun also, zehn Jahre später, ist dieser Diskurs wieder aktuell. Freitag, 28 | |
Dhu'l Hijja 1440, 30. August 2019, auf dem Weg zum Haus des Marwa | |
El-Sherbini Vereins. Die nördliche Marschnerstraße liegt in stiller | |
Mittagshitze, keine Menschenseele ist zu sehen. Nur am Steuer eines | |
tiefergelegten, schwarzen VW Busses sitzt ein Mann, der eine verspiegelte | |
Sonnenbrille auf seinem Glatzkopf trägt. Von weitem deutet nichts auf eine | |
Moschee hin. Lediglich eine Deutschlandfahne ist zu sehen. Diese hängt an | |
einem Pavillon. | |
## Kein Protest im Bikini | |
Als die Polizei der Gruppe vorab untersagte, das Gebet mit Geräuschen zu | |
stören, verkündete Feige am Donnerstagabend ihren neuen Plan. Statt mit | |
Glocken sollten die AnhängerInnen in Bikini und Badehose erscheinen, um das | |
Gebet zu stören. „Stumm aber kreativ“, nannte sie ihre Idee zur | |
Provokation. Diese kam zwar bei der Facebook-Community gut an. Doch vor Ort | |
sind nur gut zwei Dutzend Menschen, Badekleidung trägt niemand, dafür | |
Blumenbluse und AfD-Shirt. Lediglich einige Liegestühle und Strohhüte | |
erinnern an den Strand. So oft die Rechten in Sachsen für bedrohliche | |
Szenen sorgen – hier wirken sie eher albern. | |
Pfarrer Tobias Funke von der Johanneskirchgemeinde ist froh, dass die Stadt | |
gegen das geplante Glockenspiel im Vorfeld untersagt hat. „Damit würde | |
christliche Symbolik instrumentalisiert“, erzählt er am Rande des | |
Geschehens. Das sei gerade deplatziert, weil die Gemeinden in diesem | |
Stadtteil zusammenstünden. Die muslimische, jüdische und christliche | |
Gemeinde hielten seit einem Jahr gemeinsame Treffen ab, reden über Gott und | |
die Welt – diskutierten wie zu reagieren sei, wenn das Kind plötzlich | |
Freund oder Freundin der anderen Religion hätte. | |
Der Christ ist ein Freund der musilimischen Gemeinde. Das zeigt sich, als | |
seine Stimme vor dem Gebet durch die Lautsprecher auf den Moscheevorplatz | |
hallt. Vor dem türkisfarbenen Flachbau sind grüne Teppiche ausgerollt. | |
Männer sitzen im Schatten der Baracke oder unter dem angebauten Holzdach | |
und lauschen. Funke stellt sich vor und positioniert sich für ein | |
friedliches Zusammenleben. Die Blicke der Männer draußen streifen ab und an | |
durch den Zaun zu den Menschen auf der anderen Seite der Kreuzung. | |
Ein friedliches Zusammenleben – dafür setzt sich auch der muslimische | |
Verein ein. Er trägt den Erhalt von Toleranz, Integration und Gemeinschaft | |
als Überschrift. Er bietet Deutsch- wie Arabischkurse, Scheidungs- wie | |
Heiratsgruppen – ist „sozialer Ruhe- und Ankerpunkt“, wie es in einem | |
Statement vom Dienstag geschrieben und am heutigen Tag gesagt wird. | |
## Wie ein Tag der offenen Moschee | |
Trotz der nun fünf Tage andauernden Bedrohung hatte man sich entschieden, | |
den Betrieb in ihrem Haus weiterlaufen zu lassen. Auf rassistische | |
Provokationen sollen seine Mitglieder „respektvoll und gelassen reagieren“, | |
heißt es. Einige Männer huschen von der Bahn in den Hof, peinlich berührt | |
lächeln sie wie Schuljungen, die zu spät zum Unterricht kommen. Eine | |
Anspannung ist fühlbar. | |
Als der Muezzin beginnt, herrscht Ruhe – Pegida und Polizei schauen gebannt | |
zu. Es wirkt fast wie ein Tag der offenen Moschee. Nur ein kleines Kind von | |
UnterstützerInnen quakt. Einige sind gekommen. Neben den hunderten Betenden | |
wirken sie wenig. Kurz darauf ist es schon vorbei, die Schuhe werden | |
angezogen für den Weg zurück zur Straßenbahn. | |
Ein junger Mann ist einer der ersten auf dem Gehweg. Er macht mit seinem | |
Smartphone ein Foto von den knapp 30 Rechten, dann dem gefüllten Vorplatz | |
der Gemeinde, dann ein Selfie von sich mit lachendem Gesicht und | |
Peace-Zeichen. Hinter sich: der braun-blaue Pavillon. | |
Personell zeigen sich an diesem Freitag erneut die Verschränkungen von | |
„Mitte Rechts“ und Rechtsextremismus. Es zeigt sich aber auch, dass sie | |
nicht immer viele sind, und auch nicht immer laut. Zeigt eine achtsame | |
Gemeinde und auch, dass die Polizei nicht immer auf der rechten Seite | |
steht. Dies sind wichtige Zeichen für Dresden und seine muslimische | |
Gemeinde. | |
30 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Pia Stendera | |
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