Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- MDR-Doku zu Chemnitz vorgestellt: Zwischen Dialog und Spaltung
> Der Streit blieb aus: Bei der Vorpremiere der MDR-Doku „Chemnitz – Ein
> Jahr danach“ deutete sich vielmehr eine zarte Chance auf Verständigung
> an.
Bild: Ganz schöne Schieflage beim MDR: Hoffentlich rutscht da niemand ab
Chemnitz epd | Am Ende waren doch fast alle gekommen: Margarete Rödel von
der Grünen Jugend, Professorin Olfa Kanoun von der TU Chemnitz, und auch
AfD-Mitglied und „Pro Chemnitz“-Ordner Arthur Österle. Sie alle saßen bei
der Vorpremiere der MDR-Dokumentation [1][„Chemnitz – Ein Jahr danach“] am
Donnerstagabend im Saal eines Chemnitzer Kinos und debattierten im
Anschluss miteinander.
Auf dem Podium aber saßen sie, anders als ursprünglich geplant, nicht.
Dessen Zusammensetzung – [2][auch die Chemnitzer Oberbürgermeisterin
Barbara Ludwig (SPD) war geladen] – war nach der ersten Ankündigung des MDR
[3][vor allem wegen AfD-Mann Österle auf derart harsche Kritik gestoßen],
dass nach Rödel auch Ludwig ihre Teilnahme abgesagt hatte – woraufhin der
MDR die Debatte abblies. Stattdessen stellten sich nun drei Verantwortliche
des MDR den Fragen des Publikums. Und als erster meldet sich: Österle.
Der wettert aber nicht etwa über einseitige Berichterstattung oder
„Lügenpresse“. Österle sagt, er wolle dem Team des MDR seinen Respekt
entgegenbringen für den Film. Der sei seit Jahren der erste Versuch, einen
Dialog zwischen verschiedenen Gruppen anzustoßen. „Mit dem Ergebnis bin ich
sehr zufrieden“, sagt Österle: „Wir sind auf einem guten Weg.“
Das kommt nicht gut an. Der erste Gegenredner kritisiert, er finde es nicht
richtig, „solchen Leuten so viel Spielraum in den Medien zu geben“: Kurze
Unruhe im Saal, doch die MDR-Verantwortlichen auf dem Podium wehren sich.
Der Film sei nun mal ein Spiegel der Realität, sagt Redakteurin Anja
Riediger: „Wir finden, man muss es einfach zeigen.“
## Was fehlt
MDR-Programmdirektor Wolf-Dieter Jacobi ergänzt, es sei wichtig, die
Lebenswirklichkeit abzubilden. Im Übrigen sei die Frage, ob denn nun mit
Rechten zu reden sei oder nicht, noch nicht ausdiskutiert und so leicht
auch nicht zu beantworten. Dies führe zu Problemen und Konflikten, „und
denen müssen wir uns auch stellen“.
Der Zündstoff ist damit erst mal dahin. Es folgen Redner, die den Film
nicht rundum loben, sondern nüchtern-sachlich kritisieren. Manchen kam der
Auslöser der Ausschreitungen vor einem Jahr, [4][der gewaltsame Tod des
Chemnitzers Daniel H. am 26. August 2018], zu kurz. Andere kritisieren das
Fehlen von Positionen der „bürgerlichen Mitte“ oder von Hintergründen zu
rechtsextremen Strukturen in der Region und der rasanten Mobilisierung der
Szene in den Tagen nach der Tat.
Andere halten dem Film zugute, ein Schritt hin zu mehr Dialog in der Stadt
zu sein, der verschiedene Stimmen und Sichtweisen wiedergebe, bedanken sich
für die differenzierte Darstellung. Einer sagt, die Stadt sei im Wandel
begriffen, und zwar zum Positiven. So dass MDR-Redakteur Jörg Wildermuth
schon zur Halbzeit resümiert, ihm gefalle die Bereitschaft zum Dialog, die
aus den Beiträgen hervorgehe: „Das Aufeinanderzugehen finde ich aus diesem
Abend eine gute Erkenntnis.“
Doch immer wieder gibt es auch Redner, die auf die festgefahrene Lage in
der Stadt hinweisen, auf die Spaltung, die die gewaltsamen Ausschreitungen
vor einem Jahr ausgelöst haben. Gegen Ende fasst sich Professorin Kanoun
ein Herz.
Die gebürtige Tunesierin lebt seit mehr als zehn Jahren in Chemnitz. Sie
habe festgestellt, sagt Kanoun, „dass wir immer noch über dasselbe reden
und vergessen, was Chemnitz ist“. Es gebe so viele wunderbare und offene
Menschen in der Stadt. Doch zum Diskutieren gehöre auch, „die andere
Perspektive aufzunehmen und nicht abzulehnen“. Und mit Blick auf
Zugewanderte betont die Professorin: „Wir müssen die Leute integrieren und
nicht sagen, die müssen sich integrieren.“ Dafür erntet sie Applaus.
Am Ende ist es noch einmal Österle, der sich meldet. Dem Stadtrat Lars
Faßmann (Vosi/Piraten) bietet er an, sich zusammenzusetzen,
Missverständnisse aufzuarbeiten. Doch Faßmann übergeht anscheinend das
Angebot der rechten Umarmung, antwortet stattdessen, er wolle eine Frage in
den Raum stellen – und die lässt Zweifel aufkommen, wie viel Dialog wohl
möglich ist und ob ein Film daran etwas ändern kann. Faßmann fragt: „Wem
nützt die Spaltung?“.
23 Aug 2019
## LINKS
[1] https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/c…
[2] /MDR-Diskussion-mit-Neonazi/!5618464
[3] /MDR-Diskussion-in-Chemnitz/!5615524
[4] /Nach-dem-Totschlag-Urteil/!5617643
## TAGS
MDR
Chemnitz
Sachsen
Rechtsextremismus
Chemnitz
Schwerpunkt Landtagswahlen
Pro Chemnitz
Chemnitz
Chemnitz
Rechtsextremismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Rückzug von Chemnitzer Bürgermeisterin: Am Ende ein Schatten
Seit 13 Jahren regiert Barbara Ludwig in Chemnitz. Die rechten Unruhen
wurden ihre größte Herausforderung. Nun zieht sie sich zurück.
„Pro Chemnitz“ und Gegendemos: Außen ruhig, innen weiter gärend
Chemnitz setzt zum Jahrestag der Messerattacke zwar ein Zeichen positiven
Bürgerengagements. Frieden hat die Stadt hat aber noch nicht gefunden.
Ein Jahr nach den Ausschreitungen: Chemnitz kommt nicht zur Ruhe
Im August 2018 wurde in Chemnitz ein Mann erstochen, Rechte zogen
wochenlang durch die Stadt. Wie ist die Stimmung dort heute? Vier
Protokolle.
Urteil im Chemnitz-Prozess: Kein Mittel gegen den rechten Mob
Ein Urteil soll Klarheit bringen – im Chemnitz-Prozess gelingt das nicht.
Es steht der Verdacht einer politisch motivierten Entscheidung im Raum.
Nach dem Totschlag-Urteil: Keine Ruhe für Chemnitz
Trotz dünner Beweislage wird der Angeklagte zu neuneinhalb Jahren Haft
verurteilt. Die Verteidiger kritisieren die sächsische Justiz scharf.
MDR-Diskussion mit Neonazi: Bürgermeisterin sagt ab
Nach Kritik an der Teilnahme eines Rechtsextremen an einer
MDR-Podiumsdiskussion haben zwei eingeladene Gäste ihre Zusage
zurückgezogen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.