| # taz.de -- Aufstieg der Luxusmarke Bulgari: Ein glänzendes Geschäft | |
| > Krieg, Hippies, Tourismus: Eine Ausstellung zeigt, wie sich auch | |
| > kulturelle Phänomene in der Ästhetik des italienischen Nobellabels | |
| > niederschlagen. | |
| Bild: Einflüsse des Pop integriert: Schauspielerin Sophia Loren mit Bulgari-Ha… | |
| BERLIN taz | Selbst jetzt, während der 76. Mostra del cinema in Venedig, wo | |
| der vereinte Glamour der internationalen Filmprominenz für sämtliche | |
| Lifestyle-Magazine ein gefundenes Fressen ist: Schmuck ist kein Thema. Bei | |
| den [1][großen Fotostrecken mit den Celebrities] fällt auf, dass sie zwar | |
| gerne extravaganten, kostbaren Ohrschmuck tragen – doch das war es dann | |
| auch. Ob Catherine Deneuve oder Juliette Binoche: ihr Dekolleté zeigt | |
| nichts als bloße Haut. | |
| So halten es auch die bekannten Models. Nur Lady Kitty Spencer, Nichte der | |
| verstorbenen Prinzessin Diana, trägt ganz traditionell ein Collier. Wenn es | |
| um die Ausstattung geht, die dem eigenen Auftritt den entscheidenden | |
| individuellen Dreh gibt, arbeiten Fashionistas mit den Angeboten der Mode. | |
| Leute wie Lady Spencer dagegen, die sich vor allem als Mitglied der | |
| Gesellschaft verstehen, greifen zu Gold und Juwelen. | |
| Status, den im Bereich von Aufmachung und Garderobe lange Zeit eben Schmuck | |
| signalisierte, wird heute durch die It-Bag repräsentiert. Sie ist der | |
| Giacometti der Accessoires und wie er Ausdruck von Komplexitätsreduktion. | |
| So wie die lang gezogenen Figuren des Schweizer Bildhauers jederzeit aber | |
| auch von jedem leicht als Giacomettis – also große, weil extrem teure Kunst | |
| – zu identifizieren sind und ihre Besitzer als tendenziell superreich, so | |
| weiß jede Karrierefrau und jeder Leser von Gala und Bunte oder Bild der | |
| Frau um die neueste Tasche, die man haben muss, und ihre Trägerin | |
| einzuordnen. | |
| Sein Gegenüber in dieser Hinsicht bestimmen kann aber ein großer Teil der | |
| Gesellschaft auch anhand von dessen Tätowierungen. Auffällig parallel zum | |
| Siegeszug der It-Bag eroberte die körperschmückende Ästhetik des Tattoo, | |
| bislang ein Phänomen der Subkultur, erfolgreich den Mainstream. Ließe sich | |
| argumentieren, die Tätowierung sei das bessere Statusobjekt, weil zugleich | |
| ja Statussubjet? Fällt im Tattoo doch Haben und Sein so direkt zusammen wie | |
| sonst nur in den kostbaren Preziosen von Fürsten und Milliardären. | |
| ## Für was aber steht Schmuck? | |
| Diese Frage stellt sich implizit auch eine Ausstellung in Rom, im Palazzo | |
| Venezia und dem Castel Sant’Angelo. Ihr Titel „Bulgari. The Story. The | |
| Dream“ verspricht zunächst zu erzählen, wie der kleine Familienbetrieb des | |
| griechischen Migranten und Silberschmieds Sotirios Voulgaris (1857–1932) | |
| zum Synonym von Made in Italy und zur globalen Luxusmarke wurde. | |
| Dabei interessiert sich die Ausstellung für die Schmuckstücke und Juwelen | |
| aber ganz entschieden unter dem Gesichtspunkt, wie sich gesellschaftliche | |
| und politische Phänomene in der Entwicklung des Unternehmens und der | |
| spezifischen Bulgari-Ästhetik niederschlagen. Themen sind der Tourismus in | |
| Italien, der gesellschaftliche Wandel hinsichtlich der vermögenden Kunden, | |
| der Zweite Weltkrieg, die Unabhängigkeit Indiens und schließlich die | |
| Ankunft Hollywoods in Rom und die selbstständige Frau. | |
| Zunächst ist die vom Museumsverbund Polo Museale del Lazio in | |
| Zusammenarbeit mit Bulgari konzipierte Ausstellung eine ungeheuer mondäne | |
| und glamouröse Veranstaltung. Geradezu unwahrscheinlich glänzen die | |
| Broschen, Ringe, Halsketten und der Ohrschmuck in den Glasvitrinen, die in | |
| Schwarz ausgekleidete Räume gestellt sind. Dass die Diamanten zu zittern | |
| und daher noch mehr zu funkeln beginnen, wenn man versehentlich etwas zu | |
| hart auftritt und die Erschütterung zum Schmuck durchdringt, ist übrigens | |
| gewollt; so zittern und funkeln sie auch an der Trägerin, dank einer | |
| konstruktiven Erfindung Bulgaris. | |
| Ausgewählte Roben von Cecilia Matteucci Lavarini, einer bedeutenden | |
| Sammlerin von Haute-Couture-Kleidern, umgeben die Vitrinen und helfen sich | |
| vorzustellen, was vestimentär dazu gehört, solchen Schmuck zu tragen. Was | |
| sonst noch dazu gehört, erschließt „Bulgari. The Story. The Dream“ als | |
| kunst- und kulturwissenschaftliches Forschungsprojekt, verantwortet | |
| aufseiten des Museums von Chiara Ottaviano und aufseiten Bulgaris von Lucia | |
| Boscaini, Kuratorin der Abteilung Brand and Heritage. | |
| Sie entstand Mitte der 1990er Jahre. Erst da bildete sich bei Bulgari | |
| allmählich das Bewusstsein der eigenen Bedeutung als international | |
| wertgeschätzter Marke heraus und damit der Wunsch, die eigene Geschichte | |
| und das eigene Archiv aufzuarbeiten. Welche der Entwürfe von rund 6.000 | |
| Skizzen wurden überhaupt realisiert? Wo befinden sich besondere | |
| Schmuckstücke heute? Könnten sie eventuell für die Sammlung zurück gekauft | |
| werden?, das sind die Fragen, die sich Boscaini und ihrem siebenköpfiges | |
| Team stellen. | |
| ## Die Heritage Collection | |
| Diese Stücke der Heritage Collection, ergänzt durch internationale | |
| Leihgaben, dokumentieren den Generationenwechsel in der Familie und die – | |
| durch den Materialengpass im Zweiten Weltkrieg mitbedingte – Emanzipation | |
| von der französischen Schule der Juwelierskunst. | |
| Statt auf deren imposante florale Entwürfe mit in Platin gefassten | |
| Diamanten, setzten Costantino (1889–1973) und Giorgio (1890–1966) Bulgari | |
| auf sonniges Gelbgold und bunte Steine, darunter gerne auch weniger | |
| wertvoll Halbedelsteine im Cabochon-Schliff, der Markenzeichen der Firma | |
| werden sollte. | |
| Das geschah, als die Cabochons in der Nachkriegszeit richtig groß wurden, | |
| weil der Markt mit wertvollen Steinen von den durch Indiens Unabhängigkeit | |
| schwer getroffenen Maharadschas und Nabobs geradezu überschwemmt wurde. | |
| Damals kam auch Hollywood an den Tiber und Bulgari wurde vor allem Dank | |
| Elizabeth Taylor und Richard Burton richtig berühmt. Allerdings war das | |
| Mann-schenkt-der-damit-als-begehrenswert-erklärten-Frau-Juwelen-Szenario | |
| schon ein Auslaufmodell. | |
| Es kamen die Hippies und der Summer of Love, das heißt wunderschöne lange | |
| Ketten mit Anhängern für die langen Kleider, und danach waren die Frauen so | |
| frei, sich ihren Schmuck selbst zu kaufen. In der Zeit als Paolo und Nicola | |
| Bulgari die Geschäfte übernahmen, stand plötzlich Andy Warhol vor der Tür | |
| und erklärte, 1980er Jahre, das sei Bulgari. | |
| Neben der handwerklichen Qualität des Schmucks faszinierte ihn, wie | |
| zeitgenössische Ideen und Einflüsse, etwa des Pop, im Schmuck Ausdruck | |
| fanden, sei es durch ungewöhnliche Materialien wie Seidenschnüre, antike | |
| Münzen oder weniger edle Steine wie der Türkis, sei es durch die | |
| ungewöhnliche Verarbeitung, etwa mit Emaille. | |
| ## … and America likes me | |
| Tatsächlich verliebte sich Amerika nach den 1960er Jahren, als Elisabeth | |
| Taylor, Ingrid Bergman oder Audrey Hepburn Stammkundinnen in der Via | |
| Condotti 10 waren, Ende der 1970er Jahre ein weiteres, entscheidendes Mal | |
| in Bulgari. Die modular gearbeiteten Armbänder und Ketten mit der bunten | |
| Farbigkeit ihrer Steine strahlten eine Frische und Lebendigkeit aus, die | |
| große Zustimmung fand. | |
| Die Stücke waren kostbar und wussten ihren Wert über ihre Erscheinung | |
| hinaus durchaus mitzuteilen, gleichzeitig geschah das so unprätentiös, dass | |
| sie stets tragbar waren. Wie sagte meine Freundin Gea, die selbst ein Paar | |
| davon besaß? „Bei Bvulgari findest du Ohrringe, die du selbst beim Putzen | |
| deiner Wohnung tragen kannst.“ | |
| Ja, hier braucht es die richtigen Stücke. Schmuck steigert die persönliche | |
| Ausstrahlung, und dass so ein glanzvolles Geschöpf dann seinen Teppich | |
| saugt, ist schwer vorstellbar. Die metaphysischen Lasten von Schmuck, der | |
| die Menschheit von Anbeginn begleitete, besonders aber von – mit Heiligkeit | |
| und Transzendenz assoziiertem – Gold und Juwelen, hat auch die | |
| kapitalistische Marktgesellschaft nicht restlos suspendiert. | |
| Dass Bulgari sie in den ästhetischen und konstruktiven Mitteln jener | |
| Moderne aufhebt, die wir gerade im Bauhausjahr feiern, im Modul, im Raster | |
| und im Materialmix, machte das Unternehmen groß. | |
| 3 Sep 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Brigitte Werneburg | |
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