| # taz.de -- Bio-Winzer aus Dresden: Erst Ingenieur, jetzt Kellermeister | |
| > Klaus Zimmerling baut in Dresden Bio-Riesling an. Ein Wagnis. Die Wende | |
| > kam ihm dabei zugute. Nun hilft der Klimawandel. | |
| Bild: Klaus Zimmerling im Weinberg | |
| Dresden taz | Wenn Klaus Zimmerling Feierabend macht und auf seiner | |
| Terrasse am selbst gekelterten Riesling nippt, blickt er auf Felder und | |
| sanfte Hügel, hinter ihm schmiegen sich Weinstöcke an den Hang. Es ist kein | |
| Wunder, dass man Dresden auch Elbflorenz nennt, hier sieht es wirklich ein | |
| bisschen aus wie in der Toskana. Doch das hier ist immer noch Sachsen und | |
| die Hügel sind immer noch das Erzgebirge, eine der kältesten Regionen | |
| Deutschlands. | |
| Ausgerechnet hier, in einem der nördlichsten und kleinsten Weinanbaugebiete | |
| Deutschlands, gelegen innerhalb des Dresdner Stadtgebiets, gelingt es | |
| Zimmerling, hochwertigen Bio-Riesling zu erzeugen. 4,5 Hektar Rebfläche | |
| bewirtschaftet der größte Winzer der Lage „Pillnitzer Königlichen | |
| Weinberg“. In seiner Straußwirtschaft tränke im Sommer auch die sächsische | |
| Politprominenz gerne mal ein Glas, erzählt er, Thomas de Maizière, | |
| Stanislaw Tillich (beide CDU) und der [1][SPD-Landtagswahl-Spitzenkandidat | |
| Martin Dulig] waren schon da. | |
| Sechs verschiedene Rieslingsorten baut Zimmerling an, sie machen rund 40 | |
| Prozent seiner Trauben aus – weit mehr als der sächsische Durchschnitt von | |
| 14 Prozent. Die Rebstöcke bezieht Zimmerling aus der Pfalz, sie gedeihen | |
| prächtig auf dem verwitterten Granit des Weinbergs Rysselkuppe. Mit drei | |
| Angestellten produziert und vertreibt er rund 15.000 Liter Wein pro Jahr. | |
| 1.500 davon als „Riesling Großes Gewächs“ – die höchste | |
| Klassifikationsstufe des Verbandes Deutscher Prädikatsweingüter – mit | |
| Preisen bis zu 50 Euro. | |
| Geboren wurde Zimmerling 1959 in Leipzig. Er wuchs in der Nähe von Berlin | |
| auf, in Dresden studierte er Maschinenbau und arbeitete dort anschließend | |
| fünf Jahre lang als Ingenieur. In die Weinberge um Radebeul hat er sich auf | |
| den Zugfahrten nach Dresden verliebt: „Ich habe mich extra immer ans | |
| Fenster gesetzt, um sie zu sehen.“ Für andere sei Wein vor allem nützlich | |
| gewesen. „In der Tauschwirtschaft der DDR konnte man mit eine Flasche Wein | |
| oft mehr erreichen als mit Geld.“ | |
| Den Mauerfall hat Zimmerling in Österreich im Fernsehen verfolgt. Dort, in | |
| der Wachau, sammelte er als Praktikant ein Jahr lang Erfahrungen im | |
| Bioweinbau. Als er Anfang der 1990er nach Dresden zurückging, nutzte er | |
| sein Wissen für den Eigenbedarf. Mehr als ein Hobby war es nicht. Trotzdem | |
| wurde er 1992 bei einer Skatrunde als professioneller Winzer vorgestellt – | |
| und hatte Glück, denn mit am Tisch saß ein Mitarbeiter der Gärtnerischen | |
| Produktionsgenossenschaft (GPG) – und die wollte ihren Weinberg verkaufen. | |
| Wer den Zuschlag bekommen würde, war lange unklar, und so fing Zimmerling | |
| einfach mal an, die ersten Reben auf dem Weinberg zu beschneiden. | |
| Schließlich durfte er das Gut pachten und 1995 dann kaufen. | |
| ## Bukett wie warmer Apfelstrudel | |
| Heute spaziert Klaus Zimmerling in braunen Ledersandalen zwischen den | |
| Reihen seiner Weinstöcke entlang, zupft hier und da ein vertrocknetes Blatt | |
| von den Reben, sein Leinenhemd flattert um seinen Bauch. Er deutet auf | |
| einen knorrigen Baum: „Pfirsich. Zu DDR-Zeiten wuchsen hier je zur Hälfte | |
| Pfirsichbäume und Wein“, erzählt Zimmerling, und dass damals „eher mäßi… | |
| Wein mit hohen Erträgen wie Müller-Thurgau“ hergestellt wurde. Die | |
| Kleinwinzer der Rysselkuppe kaufte er nach und nach auf und ersetzte die | |
| Rebstöcke durch Riesling und andere Sorten. | |
| Zimmerling ist einer von nur zwei hauptberuflichen Ökowinzern in Sachsen. | |
| Anstelle von Herbiziden und synthetischen Pestiziden setzt er gegen | |
| Schädlinge Schwefel ein, außerdem Backpulver und Kupfer. Das Schwermetall | |
| ist höchst umstritten, denn hohe Kupferkonzentrationen in der Erde können | |
| Bodenorganismen schädigen. Und weil Kupfer nicht abgebaut werden kann, | |
| akkumuliert es sich im Weinberg – eines der Hauptargumente der | |
| konventionellen Landwirte gegen den Biolandbau. Verzichten können Biowinzer | |
| darauf vorerst nicht. Das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen geht | |
| davon aus, dass ein Verzicht auf Kupfer im ökologischen Weinbau zu Ertrags- | |
| und Qualitätseinbußen von 50 bis 100 Prozent führen würde. Er benutze aber | |
| viel weniger Kupfer, als für Biowinzer zugelassen sei, sagt Zimmerling. | |
| Den Traubenmost reift er in Stahltanks statt in Holzfässern, damit der Wein | |
| den unverfälschten Geschmack der Traube habe. Zimmerling schwefelt seinen | |
| Wein, das schützt vor Oxidation und macht ihn so haltbarer. „Seit der | |
| Kennzeichnungspflicht haben die Konsumenten offenbar ein Problem mit | |
| Schwefel“, sagt Zimmerling, „obwohl es auf den Geschmack keine Auswirkung | |
| hat.“ Das Bukett seiner Riesling-Auslese von 2017 beschreibt er so: „Ich | |
| denke an eine Aprikosentarte oder an warmen Apfelstrudel. Natürlich | |
| komplett mit Eis und Sahne.“ | |
| ## Trauben reifen zu schnell | |
| Zimmerlings Riesling wurde mehrere Jahre im Kopenhagener | |
| Zwei-Sterne-Restaurant Noma ausgeschenkt. Das erzählt er ganz nebenbei, | |
| seinen Stolz merkt man ihm trotzdem an. „Den Dänen ist es egal, ob der Wein | |
| aus dem Westen oder dem Osten kommt“, sagt Zimmerling. Innerhalb | |
| Deutschlands aber sei das bis heute ein Problem, das merke er auf | |
| nationalen Weinmessen immer wieder: „Uns traut man nichts zu, selbst | |
| dreißig Jahre nach dem Mauerfall.“ | |
| „Nach der Wende haben wir hier bei null angefangen“, sagt er. „Aber nach | |
| und nach interessierten sich viele der Menschen, die die DDR verlassen | |
| hatten, für den Wein von hier.“ Durch den Verlust der DDR sei ein neues | |
| Regionalbewusstsein entstanden. So konnte Zimmerling eine Nische besetzen, | |
| trotz der Konkurrenz aus dem Westen. | |
| Neben dem politischen System hat sich in den vergangenen 30 Jahren auch das | |
| Klima geändert. Zimmerlings Wein tut der Anstieg der | |
| Durchschnittstemperatur gut. In diesem nördlichen Gebiet sei es früher oft | |
| schwierig gewesen, die Trauben überhaupt zur vollen Reife zu bekommen. | |
| Extreme Wetterphänomene wie die zuletzt so heißen und trockenen Sommer | |
| seien allerdings zu viel des Guten. Sie ließen die Trauben viel zu schnell | |
| reifen, sagt Zimmerling, das sei eher etwas für Rotwein. Ein Riesling | |
| hingegen braucht Zeit und muss möglichst spät geerntet werden. | |
| Klaus Zimmerling steht auf seinem Weinberg und schaut den Hang hinunter. | |
| Dresden und all das Negative, das vor der Landtagswahl am 1. September über | |
| Sachsen zu hören und zu lesen ist, fühlen sich hier oben sehr weit weg an. | |
| Wie er sein Bundesland vor der Wahl wahrnimmt? „Die Menschen hier sind | |
| unzufrieden“, sagt er. Warum, wisse er nicht. „Ich gehöre jedenfalls nicht | |
| zu den Unzufriedenen.“ | |
| 1 Sep 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Patrick Loewenstein | |
| Jana Lapper | |
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