Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Die dicken Eier des Adlers
> Vergesst Veganer! Das allerneueste Ding an der Ernährungsfront: Zurück
> zur Natur und hin zum Horst wollen die Fopas.
Bild: Vorsicht beim Nestmundraub: Geh keinem Adler auf die Eier!
Wind schneidet durch sein Gesicht. Dicke Regentropfen lassen die Kleidung
auf dem Körper kleben. Doch Frederik Köster lässt sich nicht beirren. Nur
noch zwei Meter. Dann ein großer Schatten. Der Adler greift im Sturzflug
an. Köster und der Raubvogel in einem wilden Hand-und-Klauengemenge. Köster
rutscht ab, fängt sich, verpasst dem Adler eine satte Backpfeife und greift
ins Nest. Triumphierend reckt er seinen blutigen Arm in die Höhe. In der
Hand das Ei des Adlers.
Zurück in Hamburg sitzt Frederik Köster mit bandagiertem Kopf und
verbundenen Armen an seinem Schreibtisch. Auf seiner linken Wange prangt
eine frisch genähte Wunde – fünfzehn Zentimeter lang. Aber der athletische
Mittdreißiger ist bester Laune. Die „Ernte“, wie er es nennt, sei sehr gut
gelaufen.
Hinter ihm hängt ein Poster an der Wand. Eine Fotomontage von Köster auf
einem Berggipfel. Über ihm ein überlebensgroßer Adler mit ausgestreckten
Krallen. Köster holt mit muskelbepacktem Bizeps zum Schwinger aus.
Übertitelt ist die Szene in blutroten Buchstaben mit „Ernährung ist
Schmerz“. Es ist das Motto seiner frisch gegründeten Organisation Fopa
(Food for Pain and Agony).
Mit Fopa will Köster seine „weltweit innovative Ernährungsweise“
bekanntmachen. Köster redet sich in Rage: „Vegan, Low Carb, Clean Eating:
Spinnereien verwöhnter Westeuropäer! Aber schön plastikverpackt und
hygienisch im Supermarkt um die Ecke kaufen! Und zu Hause mit dem
900-Euro-Smartphone den ekelhaften Fraß auf Instagram posten! Lutscher!“
## Nahrung durch Muskelkraft
Köster vertritt die These, der Mensch müsse sich seine Nahrung wieder durch
eigene Muskelkraft verdienen. „Die Ernährung ist umso hochwertiger, je
höher die persönlichen Kosten sind!“, ist Köster überzeugt. Dass die
Fopa-Anhänger sich regelmäßig in Lebensgefahr begeben, sei Teil des
Prinzips. „Wenn Ihr Körper das Stresshormon Cortisol ausschüttet, dann
sorgt das für eine extrem effiziente Verwertung der aufgenommenen Nahrung.“
Das stärke Physis und Psyche. Auch Übergewicht erledige sich nahezu von
allein.
„Das Ei vom Steinadler beispielsweise deckt den Tagesbedarf an Vitaminen,
Proteinen und Mineralien! Die Mistviecher sind nur etwas eigen, was ihre
Brutpflege angeht. Aber wenn Sie dann das rohe Ei im Angesicht des
geschlagenen Adlers schlürfen, dann wissen Sie, was Leben ist!“, lacht
Köster und kratzt sich unter seiner Kopfbandage. Sein Blick wird
durchdringend. „Haben Sie schon mal mit einem echten Eisbären gerungen?“
Es klopft an der Tür und Jasmin Rosenhoff kommt mühsam auf Krücken ins
Zimmer gehumpelt. „Jasmin ist noch nicht lange dabei, aber Feuer und
Flamme! Unsere beste Frau in der Organisation. Kickboxerin!“ Rosenhoff
lächelt gequält. Das Gesicht der Sportstudentin zieren mehrere Hämatome.
„Wir mussten Jasmin leider mit einem Krankentransport aus Australien
zurückholen!“, erklärt Köster. „Kängurus schmecken zwar richtig gut, und
ihr Fleisch ist enorm eiweißreich. Aber die halten sich einfach nicht an
Kampfregeln.“ Eine spontane Ernährungsumstellung auf Krokodilfleisch habe
Rosenhoff dann fast das linke Bein gekostet. Waffengebrauch sei natürlich
strengstens untersagt, schiebt Köster nach.
## Totalausfälle bei Mitgliedern
Fopa hat zurzeit rund sechzig Mitglieder. Sie erproben weltweit die neue
Ernährungsweise. Die Mitgliederzahl schwanke stark, gibt Köster zu. Hin-
und wieder gebe es Totalausfälle. Gerade bei denjenigen, die sich auf
Raubtiere spezialisiert hätten. Aber jede junge Organisation müsse
Rückschläge hinnehmen. „Gestern ist Thorsten gefallen. Guter Mann.
Sporttaucher. Nur das mit den Haien und dem Erwürgen, das war einfach nicht
der optimale Ansatz.“
Doch nicht nur von den gejagten Tieren droht Widerstand. Tierschützer
kritisieren die Fopa-Anhänger und ihre Ernährungsweise scharf. Tiere mit
bloßen Händen auszubeuten und zu ermorden sei ethisch nicht vertretbar und
schlicht grausam. Darauf angesprochen fletscht Köster die Zähne. „Entweder
besiegst du die Natur, oder sie besiegt dich! Wir sind der
Selektionsdruck!“
Szenewechsel. Mitten in der Arktis. Frederik Köster steht in Polarkleidung
mit drei weiteren Fopa-Mitgliedern auf einer kleinen Anhöhe. „Heute erobern
wir die Spitze der Nahrungskette!“, beschwört er feierlich die Runde und
greift zu seinem Fernglas. Circa einhundert Meter entfernt steht ein
ausgewachsenes Eisbären-Männchen. Der Wind ist günstig. Das Tier kann ihn
nicht wittern.
„Von Vorteil ist: Der Eisbär kann nicht fliegen!“, stellt der Fopa-Gründer
fest, atmet tief durch und sprintet los. Mit hohem Tempo stürmt er auf den
überraschten Eisbären zu und rammt ihm die Schulter in die Seite. In einem
Knäuel kugeln Eisbär und Köster durch den Schnee. Genau auf einen Abgrund
zu. Köster brüllt noch: „Der hat keine Chance! Der kuckt schon ganz
ängstlich!“, und ist vermutlich für immer verschwunden.
27 Aug 2019
## AUTOREN
Nico Rau
## TAGS
Naturprodukte
Ernährung
Veganismus
Meer
Jagd
Büro
Videobeweis
Bart
Deutsche Bahn
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Glibberkörper in totaler Dunkelheit
Wirf einen Föhn ins Meer: Mit der Schwarmintelligenz des Internets zur
Elektrifizierung der weltweiten Ozeane. Ein fast schon philosophischer
Einwurf.
Die Wahrheit: Wenn der Bock zum Jäger wird
Jetzt schlagen die ewigen Opfer zurück. Die Tiere bewaffnen sich und
marodieren in den Wäldern und Städten.
Die Wahrheit: Das bürolose Büro
Wenn das Homeoffice in Seuchenzeiten wegen Überbelegung schließt, muss die
Büroarbeit eben draußen auf der Straße erledigt werden.
Die Wahrheit: Endlich Videobeweis für alle
Nachdem die Bildschirmüberprüfung im Fußball endlich für Klarheit gesorgt
hat, kommt jetzt der Einsatz von Fernsehbildern auch im Privatleben.
Die Wahrheit: Grippe mit Bart
Neue Studien enthüllen die wahren Gründe für virale Infekte:
gesichtsbehaarte Keimträger tragen die Schuld daran.
Die Wahrheit: Mit dem ICE in die Mongolei
Immer mehr Züge der Deutschen Bahn verschwinden neuerdings irgendwo im
Nirgendwo …
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.