# taz.de -- Efta-Abkommen mit Nicht-EU-Ländern: Im Zeichen des Rauchs | |
> Während der Regenwald brennt, schließen Norwegen, Island, Liechtenstein | |
> und die Schweiz ein Abkommen mit den Mercosur-Staaten ab. | |
Bild: War doch kein Grund zur Zurückhaltung: brennende Bäume im Amazonas | |
STOCKHOLM/BERLIN taz | Brasiliens Präsident [1][Jair Bolsonaro] kam ins | |
Schwärmen: „Ein weiterer großer Erfolg unserer Diplomatie“, twitterte er. | |
Nach einem entsprechenden Abkommen mit der EU habe sein Land zusammen mit | |
den anderen Mercosur-Staaten nun auch ein Freihandelsabkommen mit den | |
Efta-Staaten Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz geschlossen. | |
Brasilien bildet mit Argentinien, Paraguay und Uruguay seit 1991 den | |
gemeinsamen Markt Mercosur. Ende Juni hatten sich die EU-Kommission und die | |
Mercosur-VertreterInnen nach langjährigen Verhandlungen auf einen Vertrag | |
geeinigt. Damit soll die größte Freihandelszone der Welt entstehen, in dem | |
780 Millionen Verbraucher leben. Für europäische Staaten, vor allem für | |
Deutschland, sind die südamerikanischen Länder als Absatzmarkt interessant, | |
in erster Linie für Autos und Maschinen. | |
Für die Mercosur-Mitglieder ist Europa als Abnehmer für Rindfleisch und | |
andere landwirtschaftliche Produkte attraktiv. Brasilien ist der größte | |
Importeur landwirtschaftlicher Produkte in die EU. Im Jahr 2018 lieferten | |
brasilianische Unternehmen Agrarwaren im Wert von 14,5 Milliarden Euro nach | |
Europa, darunter Soja und Rindfleisch. Für deren Produktion wird immer | |
wieder Regenwald gerodet. | |
Ausgerechnet zeitgleich mit der umfassenden internationalen Kritik an | |
Bolsonaros Amazonas-Politik und den verheerenden Waldbränden hat sich | |
[2][die Europäische Freihandelsassoziation Efta diesem Abkommen | |
angeschlossen]. Die Nachricht erschien vielen Medien im Efta-Land Norwegen | |
so fragwürdig, dass sie sie zunächst nur unter Vorbehalt weitergaben. | |
Bestätigt habe das weder Oslo noch eine Regierung der anderen | |
Efta-Mitglieder, meldete die norwegische Fernseh-Tagesschau am | |
Freitagabend. | |
## Auf einer Linie mit der EU | |
Ja, das Abkommen sei tatsächlich am Freitag unterzeichnet worden, | |
bestätigte einen Tag später Norwegens Wirtschaftsminister Torbjørn Røe | |
Isaksen. Öffentlich gemacht wurden bisher allerdings nur Teile des Pakts. | |
Laut Isaksen entspricht es im Wesentlichen dem Freihandelsabkommen zwischen | |
der EU und den Mercosur-Staaten. „Wir sind damit jetzt mit der EU auf einer | |
Linie.“ Mit dem Pakt sollen Zölle und andere Handelshemmnisse weitgehend | |
wegfallen. Der nächste Schritt werde die Ratifizierung im norwegischen | |
Storting (Parlament) und den Abgeordnetenhäusern der anderen Efta-Staaten | |
sein. | |
Dort müsse das Abkommen gestoppt werden, forderte Audun Lysbakken, | |
Vorsitzender der oppositionellen „Sozialistischen Volkspartei“. Es sei ein | |
„Skandal“, ein „solches Abkommen zu unterschreiben, während große Teile… | |
Amazonas-Regenwalds brennen“. Das Verhalten der norwegischen Regierung und | |
der anderen Efta-Staaten sei unverantwortlich. | |
„Wer zum jetzigen Zeitpunkt ein Abkommen mit Brasilien schließt, kippt | |
Benzin in die Feuer im Amazonas“, kritisierte auch Arild Hermstad, Sprecher | |
der norwegischen Grünen. „Was wir jetzt tun müssen, ist, den Handel mit | |
Brasilien so schnell wie möglich deutlich zu reduzieren, anstatt ihn zu | |
erleichtern.“ Ebenso wie andere Kritiker der Regenwaldpolitik des | |
Klimaskeptikers Bolsonaro fordern die Grünen vor allem, den Soja-Import aus | |
Brasilien einzuschränken oder ganz zu stoppen. | |
Die Verhandlungen mit den Mercosur-Staaten hätten zumindest auf Eis gelegt | |
werden müssen, sagt auch Øyvind Eggen, der Generalsekretär des | |
„Regenwaldfonds“. Die jetzige Unterschrift unter dem Handelsabkommen könne | |
international kaum anders als inkonsequent verstanden werden. Erst | |
vorletzte Woche hatte die Regierung in Oslo unter Hinweis auf die | |
Verletzung des Regenwaldabkommens durch Brasilien ähnlich wie zuvor schon | |
die Bundesrepublik fällige Zahlungen für diesen Fonds eingefroren. | |
## Pochen aufs Nachhaltigkeitskapitel | |
Massive Kritik kommt auch aus der Schweiz. Die Online-Petition „Kein | |
Schweizer Freihandelsabkommen mit Amazonas-Zerstörer Bolsonaro“ sammelte | |
binnen zwei Tagen über 30.000 Unterschriften. Mit der Regierung des | |
„rechtsextremen Regenwaldzerstörers Bolsonaro“ dürfe es kein | |
Freihandelsabkommen geben, twitterte das sozialdemokratische | |
Nationalratsmitglied Cédric Wermuth. | |
Wegen der Brandkatastrophe im Amazonas könnte das Freihandelsabkommen | |
zwischen EU und dem Mercosur durchaus noch platzen. Dem Abkommen müssen | |
alle 28 EU-Mitglieder zustimmen. Frankreich und Irland haben sich gegen die | |
Unterzeichnung des Abkommens ausgesprochen. Andererseits sind etwa Spanien | |
und Deutschland dafür, an dem Abkommen festzuhalten. | |
Ein Nicht-Abschluss sei nicht die richtige Antwort auf die derzeitigen | |
Brände, sagte ein Sprecher der Bundesregierung. Der Pakt habe „ein | |
ambitioniertes Nachhaltigkeitskapitel mit verbindlichen Regelungen zum | |
Klimaschutz“. Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ist gegen | |
einen Ausstieg. Sie poche aber darauf, dass das Nachhaltigkeitskapitel des | |
Vertrags eingehalten wird, sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums. | |
Was genau in diesem Kapitel steht, wollte er nicht sagen. Die Verhandlungen | |
über den Wirtschaftspakt seien abgeschlossen, aber der finale Vertragstext | |
noch nicht abgestimmt. Der letzte Entwurf des Nachhaltigkeitskapitels sei | |
„stark“. | |
Die Grünen fordern von Bundeskanzlerin Merkel, das Mercosur-Abkommen zu | |
stoppen. „Die Bundeskanzlerin hat zwar immer wieder beteuert, dass ihr der | |
Klimaschutz wichtig sei, hat dann aber trotzdem die absolut eindeutigen | |
Warnungen Hunderter Wissenschaftler und Aktivisten in den Wind geschlagen | |
und sich dafür eingesetzt, dass das Mercosur-Freihandelsabkommen mit | |
Brasilien schnell kommen soll“, sagte der Fraktionsvorsitzende der | |
Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, der taz. Immer, wenn es konkret | |
werde, hätten kurzfristige wirtschaftliche Interessen oberste Priorität, | |
kritisierte er. Die Bundesregierung müsse sich in der EU für einen | |
Importstopp für Produkte, die den Regenwald zerstören, einsetzen, meinte | |
Hofreiter. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Klimaschutz, Natur und | |
Menschenrechte für den Profit einiger weniger Agrokonzerne geopfert | |
werden.“ | |
25 Aug 2019 | |
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## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
Reinhard Wolff | |
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