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# taz.de -- Demonstration in der Landeshauptstadt: Dresden ist #unteilbar
> Etwa 40.000 Menschen demonstrieren am Samstag in Dresden. Bei bestem
> Spätsommerwetter lief der Zug friedlich durch die Landeshauptstadt.
Bild: 40.000 Menschen bei #Unteilbar in Dresden demonstrierten am Samstag fried…
Dresden/Berlin taz | 40.000 Menschen kamen am Samstag zur
[1][#unteilbar-Demonstration in Dresden]. Vor den Landtagswahlen in
Sachsen, Brandenburg und Thüringen hat ein breites zivilgesellschaftliches
Bündnis zum Protest gegen rechtspopulistische Politik aufgerufen.
Die Organisator*innen waren überbewältigt. Die Zahl der Teilnehmenden
übertraf ihre Erwartungen – angemeldet hatten die Veranstalter*innen 25.000
Menschen. „Wir lassen nicht zu, dass Sozialstaat, Flucht und Migration
gegeneinander ausgespielt werden“, fassten die Veranstalter die Botschaft
der Demonstration zusammen, die ein „unmissverständliches Zeichen für
Solidarität statt Ausgrenzung gesetzt“ habe.
## Mehr als 35.000 Demonstrierende laut Veranstalter
Die Demonstration war um 14 Uhr auf dem Altmarkt gestartet. Als anderthalb
Stunden später die Spitze des Zugs die Cockerwiese erreichte, hatten sich
die hinteren Reihen gerade erst in Bewegung gesetzt.
Zu den Teilnehmenden gehört auch Burghard Wrase, der seit 40 Jahren in
Dresden wirkt. Seine Begleitung und er sind auf die Demonstration
aufmerksam geworden, weil sie im Gottesdienst ihrer evangelischen
Kirchengemeinde angekündigt wurde. „Wir haben ja 1989 alles mitgemacht und
wir finden, es ist an der Zeit, sich zu erinnern, worum es dabei eigentlich
wirklich ging“, sagt Wrase. Um Freiheit sei es gegangen, um Reisefreiheit,
aber auch Versammlungs- und Meinungsfreiheit.
„Die AfD ist ganz sicher keine Partei, die für die Verwirklichung von
Freiheiten steht“, sagt Wrase. Wie er es empfindet, dass sich in diesem
Wahlkampfsommer ausgerechnet die AfD mit ihrem Versprechen einer „Wende
2.0“ als Vollenderin der Revolution von 1989 inszeniert? „,Verarsche 2.0'
nenne ich das immer“, sagt Wrase, „und zwar nicht nur, weil die ja auch
noch alle aus dem Westen kommen.“
Die 13-jährige Zainab Ghiasi trägt zusammen mit ihrem kleinen Bruder ein
selbstgemaltes Schild: „Nein zu Rassismus, Nein zu Duldung, Nein zu Hass,
Ja zu Freiheit“ steht darauf. Sie ist mit ihrer Familie aus Bautzen
angereist, wo sie wohnen, seit sie vor vier Jahren aus Afghanistan nach
Deutschland kamen. Für Ghiasi, die später Medizin studieren und Ärztin
werden will, ist es die erste Demo in Deutschland.
„Ich finde es mega cool, dass hier Flüchtlinge und Deutsche zusammen
demonstrieren“, sagt sie, außerdem seien viel mehr Menschen da, als sie
erwartet habe. In Bautzen gefalle es ihr soweit ganz gut, „das mit dem
Rassismus ist besser geworden als vor drei oder vier Jahren“, sagt sie.
Allerdings müsse sie sich auch jetzt noch oft „dumme Sprüche“ anhören, w…
auch ein Grund sei, warum sie heute hier protestieren wollte.
## Auftaktkundgebung und Anfang der Demo
Am Mittag stehen Tausende vor der Bühne, die das #unteilbar-Bündnis auf dem
Dresdner Altmarkt zur Auftaktkundgebung aufgebaut hat. Polizei ist kaum zu
sehen, die Sonne scheint, aus allen Richtungen kommen neue Menschen hinzu,
viele Busse stehen noch auf dem Weg hierher im Stau. Ein knappes Dutzend
RednerInnen läuten den Protesttag ein. Eine von ihnen ist Hannah Eberle von
der Interventionistischen Linken, „Veränderungen gehen von sozialen
Bewegungen aus“, sagt sie. „Wir sind Teil jener, die sich täglich den
Rechten in den Weg stellen und wir wollen heute daran erinnern, dass es
nicht die Leute in den Schlauchbooten sind, sondern die Menschen in den
Limousinen, die uns die Zukunft nehmen.“ Die CDU in Sachsen solle es „nicht
wagen, einen auf Kanzler Kurz zu machen und mit der AfD zu koalieren“, ruft
ein Redner.
„Läuft“, sagt Ario Mirzaie vom #unteilbar-Sprecherkreis der taz. Bislang
verlaufe der Tag nach Plan, eine Schätzung der Teilnehmerzahl will das
Bündnis gegen 16 Uhr bekannt geben.
Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) sagte, von dieser
Demonstration gehe „ein wichtiges Zeichen über die Grenzen von Sachsen
hinweg hinaus. Wir wollen zeigen, dass sich in Sachsen viele Menschen mit
denjenigen solidarisieren, die ihre Heimat aufgrund von Krieg und Terror
verlassen mussten.“ Sachsen sei nicht „ein brauner Fleck auf der
Deutschlandkarte“, so die Ministerin, die vor kurzem eine Morddrohung
erhalten hatte. Es gebe eine große Anzahl an Menschen, die sich für einen
bunten, weltoffenen und friedlichen Freistaat einsetzten. Die Teilnehmer
der Demonstration zeigten alle Gesicht und würden sich gegenseitig Kraft
und Mut geben, weiter „für die Werte einzustehen, die uns so wichtig sind“,
sagte Köpping.
Noch weit mehr Menschen als vor der Bühne stehen mittlerweile auf den
benachbarten Straßen. Insgesamt 36 LKWs haben sich in der letzten Stunde
entlang des Altmarkts in Position gebracht, geschmückt zu Motivwagen, wie
ein linker Karneval. „Rassismus macht krank“ heißt an dem Wagen einer
Gesundheitsinitiative, „Die Kunst bleibt frei“. Etwas mühevoll rangieren
die Fahrer der Trucks von Welcome United, dem DGB, dem Paritätischen
zwischen den Menschen umher, bis alle in der abgesprochenen Reihenfolge
stehen. Unter den Trucks ist auch jener der Dresdner Seenotrettungs-NGO
Mission Lifeline. Deren neues Schiff war mit den Kapitän Claus Peter Reisch
am Morgen zu einer neuen Mission im Mittelmeer aufgebrochen.
## #unteilbar-Sonderzug aus Berlin
Aus verschiedenen Städten waren Sonderbusse und -züge eingeplant, die
Demonstrant*innen aus ganz Deutschland nach Dresden bringen sollte. Zwei
Sonderzüge waren aus Berlin vorgesehen, doch einer davon ist ausgefallen.
Deshalb mussten sich alle Demonstrant*innen aus Berlin in den anderen
quetschen. Die Stimmung war trotzdem gut. In Wagen 5 gab es Kulturprogramm:
erst hat Bernadette La Hengst gesungen, dann hat Buchpreisträgerin Anke
Stelling gelesen. Dazwischen gab es Redebeiträge zur Lage in Brasilien und
zu Rechtsextremismus in Deutschland.
Ein paar Waggons weiter saß Horst-Peter Schlesinger, Restaurantfachmann aus
Berlin. Schlesinger fährt mit seiner Gewerkschaft zu #unteilbar, weil er
„Sozialdemokrat ohne Heimat“ ist.
Der Sonderzug aus Berlin ist um 11.27 Uhr in Dresden angekommen.
## Im Vorfeld vom #unteilbar-Samstag
Rund 300 Organisationen, etwa die Hälfte davon aus Sachsen, haben den
#unteilbar-Aufruf unterzeichnet. Unter ihnen sind Gewerkschaften und
Sozialverbände sowie antifaschistische Gruppen. Auch die beiden großen
Kirchen haben zur Teilnahme aufgerufen. „Die Gedanken der Nächstenliebe,
Solidarität, Gemeinschaft und Toleranz sind Kernbestand des christlichen
Glaubens“, erklärte Sachsens Oberlandeskirchenrat Burkart Pilz.
Angemeldet haben die Veranstalter für Samstag rund 25.000 TeilnehmerInnen.
Zur ersten [2][#unteilbar-Demonstration im Oktober 2018 in Berlin] waren
überraschend etwa 240.000 Menschen gekommen. „Für uns ist auch wichtig,
dass viele Menschen aus Sachsen dabei sind und mit denen, die aus dem Rest
des Landes anreisen, zusammenkommen“, sagte Mitorganisatorin Sophie Winter
der taz. „Außerdem wollen wir Räume besetzen, die sonst in der Stadt von
Rechten reklamiert werden. Wir wollen zeigen: Das ist unser Tag in der
Stadt, die Rechten haben da keinen Platz.“
Als RednerInnen sind am Samstag unter anderen die von Nazis bedrohte
Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız und Markus Beeko, der
Generalsekretär von Amnesty Deutschland, angekündigt. Aus 34 Städten fahren
Busse zu der Demo. Aus Berlin sind zwei Sonderzüge auf dem Weg nach
Dresden.
Einer aber kommt nicht: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer
(CDU). „Ich finde es gut und wichtig, dass es Menschen gibt, die die
Demokratie und den Rechtsstaat bei der ,unteilbar'-Demonstration
verteidigen möchten. Auch dass sie ein Zeichen gegen die AfD setzen wollen,
kann ich nachvollziehen. Dafür haben sie meinen Respekt“, sagte Kretschmer
vor einigen Tagen. „Aber ich kann als CDU-Vorsitzender und
Ministerpräsident nicht bei einer Veranstaltung dabei sein, bei der auch
Kräfte wie die Antifa mit von der Partie sind.“
Der Pressesprecher der sächsischen AfD, Andreas Harlaß, hatte in den
vergangenen Tagen behauptet, die Polizei rechne intern mit Ausschreitungen.
Die Polizei hatte gegenüber der „Tagesschau“ jedoch widersprochen und
gesagt, sie erwarte einen friedlichen Verlauf. Auch die Bild-Zeitung
schrieb am Freitag, die Polizei befürchte „Krawalle“ durch „500
gewaltbereite Autonome aus Hamburg und Berlin“.
Auch dem widersprach der Pressesprecher der Polizeidirektion Dresden, Marko
Laske. [3][Er sagte dem Bild-Blog], dass die Polizei von einem „friedlichen
Versammlungsgeschehen ausgeht“. Es gebe „keine Hinweise auf
Störungsaktionen“. Das habe er Bild auch so gesagt, so Laske laut
Bild-Blog. Die #unteilbar-OrganisatorInnen gehen gelassen mit solchen
Aussagen um. Man habe mit einer solchen Provokation der AfD gerechnet.
Die taz ist mit mehreren ReporterInnen vor Ort in Dresden und berichtet den
ganzen Tag auf taz.de, auf Twitter und Periscope über die Ereignisse.
Hintergründe lesen Sie auf unserem Schwerpunkt unter taz.de/tazost.
Dieser Text wurde zuletzt um 19.50 Uhr aktualisiert.
Reporter*innen: Christian Jakob, Kersten Augustin, Malene Gürgen
24 Aug 2019
## LINKS
[1] /Vor-der-Landtagswahl-in-Sachsen/!5606056
[2] /Unteilbar-Demo-in-Berlin/!5542757
[3] https://bildblog.de/113927/falscher-als-die-polizei-erlaubt/
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