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# taz.de -- Berlin #besetzen: Ansage mit Datum
> Es ist eine neue Protestform gegen den Wohnungsnotstand in der
> Hauptstadt: Das Bündnis #besetzen ruft am 28. September zu
> Hausbesetzungen auf.
Bild: Hausbesetzen in Berlin: Offensiver denn je
Statt konspirativ zu planen, still vorzubereiten und dann überraschend zu
besetzen, kündigen die Berliner Aktivisten von #besetzen sogar den Tag an,
an dem sie besetzen wollen. Sind die jetzt komplett bescheuert?
Das haben manche vielleicht im ersten Moment gedacht, als die Aktivisten am
Mittwoch den 28. September als nächsten Tag der Hausbesetzung bekannt
gaben. Schließlich gibt es gute Gründe dafür, bei Besetzungen, so gut es
geht, im Verborgenen zu agieren.
Auf diesen ersten Gedanken könnte dann aber jener folgen: Die Ansage mit
Datum ist eine strategische Entscheidung, die durchaus den sich
zuspitzenden Zuständen auf dem Berliner Mietmarkt und der damit
zusammenhängenden Stimmung in der Stadt entspricht.
Denn während sich die Landespolitik etwas schwerfällig und mit viel Zeit
aufbäumt, verbreitet sich unter der Bevölkerung eine zunehmend
systemkritische Interpretation des Mietenwahnsinns. Mit der Popularisierung
der radikalen Kritik nimmt auch die Bereitschaft ab, bestimmte Zustände –
etwa spekulativen Leerstand – weiter zu dulden. Die Aktivisten von
#besetzen können diesen Stimmungswandel als Chance verstehen.
Als das Bündnis im vergangenen Mai begann, Häuser zu besetzen, und dann den
„Herbst der Besetzungen“ proklamierte, war das auch eine Reaktion auf die
Stimmung in der Stadt. Zwar wurde stets geräumt. Die Aktionsform Besetzung
ist aber als Mittel des Widerstands gegen die vorherrschende Marktlogik
wieder im Gespräch – statt nur Teil einer nostalgischen Erzählung der
Berliner Stadtgeschichte, zu der sie bis dahin geworden war. Die
Besetzungen haben sozusagen genau zum richtigen Zeitpunkt den Diskurs, die
Köpfe besetzt. Ein Beispiel einer genau zum richtigen Zeitpunkt erfolgten
diskursiven Intervention – auch dank Kampagnen wie Deutsche Wohnen & Co.
enteignen. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass in Berlin einmal
ernsthaft über Vergesellschaftungen diskutiert werden würde?
Aber die Verteidiger des ganz offensichtlich dysfunktionalen und unsozialen
Verteilungsmechanismus von Wohnraum versuchen sich zu wehren – laut
#besetzen laufen derzeit 130 Strafverfahren gegen Aktivisten. Wie lange
aber werden Politik und Behörden angesichts des beschriebenen
Stimmungswandels Besetzern mit Repression begegnen können, bis sie selbst
Legitimität in der Bevölkerung verlieren? Und ganz praktisch gefragt: Was
macht die Polizei, wenn Ende September nicht mehr nur der Kreis der
#besetzen-Aktivisten Häuser besetzt, sondern viele andere Berlinerinnen und
Berliner mitmachen? Einfach draufhauen? Das wäre dann tatsächlich ganz
schön bescheuert.
17 Aug 2019
## AUTOREN
Volkan Ağar
## TAGS
Mieten
Leerstand
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Hausbesetzung
Hausbesetzung
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Wohnungsnot
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