# taz.de -- Ulle Schauws über die neue 219a-Liste: „Listen können kein Ersa… | |
> Die Bundesärztekammer führt eine Liste, mit der Frauen leichter | |
> Abtreibungsärzt*innen finden sollen. Grünen-Politikerin Schauws sieht | |
> Schwachstellen. | |
Bild: Seit Monaten kämpfen Aktivist*innen und Ärzt*innen gegen Paragraf 219a | |
taz: Frau Schauws, am vergangenen Montag hat die Bundesärztekammer eine | |
Liste mit [1][Ärzt*innen, die Abtreibungen vornehmen, veröffentlicht]. Sie | |
haben diese als unzureichend kritisiert. Nun haben auch das | |
Gesundheitsministerium und der SPD-Politiker Karl Lauterbach gesagt, es | |
müsse nachgebessert werden. Auch das haben Sie kritisiert. Warum? | |
Ulle Schauws: Es waren die SPD und die Union, die dieses Gesetz und damit | |
die Grundlage für die Listen produziert haben. Sie haben sich unendlich | |
verrenkt, um den [2][Paragrafen 219a] aufrecht zu erhalten und so | |
sicherzustellen, dass Frauen die Informationen, die sie brauchen, nicht | |
direkt auf den Webseiten von Ärztinnen und Ärzten finden. Jetzt mach die | |
Bundesärztekammer genau das, was der Gesetzgeber ihr aufgetragen hat – und | |
das Gesundheitsministerium und die SPD kritisieren das Ergebnis. Das kann | |
nicht wahr sein. | |
Auf den Listen stehen Kontaktdaten von Ärzt*innen, die in der Praxis | |
gesprochenen Sprachen und die Angabe, ob medikamentöse oder operative | |
Abbrüche angeboten werden. Lauterbach fordert nun vom Gesundheitsminister, | |
sicherzustellen, dass es für Betroffene „deutlich mehr Information gibt“. | |
Das ist doch gut, oder? | |
Natürlich wäre das gut. Im Gesetz, dass die SPD mit der Union gemacht hat, | |
sind aber eben nur die Einrichtungen und die Methoden erwähnt. Da ist | |
nirgends die Rede davon, dass etwa auch mit angegeben werden soll, bis zu | |
welcher Woche Abbrüche gemacht werden. Die Verfasser des Gesetzes | |
kritisieren hier die Erfüllungsgehilfen für das, was sie selbst kreiert | |
haben. | |
Sie sagen also: Dass das mit den Listen nichts wird, war abzusehen? | |
Auf jeden Fall. Was wir brauchen, ist eine Sicherstellung der | |
Versorgungslage. Eine ungewollt Schwangere muss herausfinden, an wen sie | |
sich wenden kann, wenn sie sich für eine Abtreibung entscheidet. Auf dieser | |
Liste zu stehen, ist aber freiwillig. Das ist ja auch richtig. Damit sind | |
es aber auch die Ärztinnen und Ärzte, die letztlich wieder unter Druck | |
geraten. | |
Warum? | |
Weil die Verantwortung jetzt auf sie abgewälzt wird und sie ein Problem | |
haben, egal wie sie sich entscheiden. Wenn sie nicht auf die Liste gehen, | |
heißt es: Dann dürft ihr euch aber auch nicht beschweren, dass es keine | |
Informationen gibt. Und wenn sie auf die Liste gehen, laufen sie Gefahr, in | |
den Fokus von Abtreibungsgegnern zu geraten. Sie sind ja dann auch für | |
diese Leute viel leichter zu finden. Die Ärztinnen und Ärzte stehen mit dem | |
Rücken zur Wand. | |
Aber da gibt es doch einen Widerspruch, oder? Informationen sollen für | |
Frauen leicht zu finden sein, für Abtreibungsgegner aber nicht. Wie soll | |
das gehen? | |
Ich bin gar nicht grundsätzlich gegen Listen. In der aktuellen Situation | |
muss man aber auch verstehen, wenn eine Ärztin nicht auf dieser Liste | |
stehen will. Es ist in der Debatte über den Paragrafen 219a für Ärztinnen | |
und Ärzte nicht leichter geworden, sich öffentlich dazu zu bekennen, dass | |
sie Schwangerschaftsabbrüche machen. Das hat auch mit dem Duktus zu tun, | |
den die CDU ganz stark gemacht hat und den wir auch in den | |
Gerichtsverhandlungen sehen: Immer wieder wurden sie diskreditiert, wurde | |
ihnen unterstellt, dass sie aus kommerziellen Gründen handeln. Dabei | |
erfüllen sie einen gesetzlichen Auftrag. | |
Und was wäre eine gute Lösung? | |
Meiner Meinung nach führt nichts an einer Abschaffung des Paragrafen 219a | |
vorbei. Ärztinnen und Ärzte müssen auf ihren eigenen Webseiten | |
vollumfänglich sagen dürfen, was sie machen und wie. | |
Aber auch da wird es doch die geben, die das nicht wollen, oder? | |
Stimmt. Da kann man nichts machen, man kann ja niemanden zwingen. Aber es | |
würden sich mehr trauen, laut und deutlich zu sagen: „Ich mache | |
Schwangerschaftsabbrüche“, wenn nicht das Damoklesschwert des Strafrechts | |
über ihnen hängen würde. Nur das wäre echte Rechtssicherheit. Listen zu | |
haben ist nicht verkehrt, und in Städten wie Berlin und Hamburg | |
funktioniert das ja gut. Es kann aber kein Ersatz sein für die dezentrale | |
Information. Nur ein Zusatzangebot. | |
2 Aug 2019 | |
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## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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