# taz.de -- US-Demokraten im Vorwahlkampf: Ungewöhnlich sozial engagiert | |
> Auf einmal streiten sich Demokraten darüber, wer am weitesten links ist. | |
> Sanders und Warren sind in Form, Biden scheint ausgedient zu haben. | |
Bild: Viele erwarteten einen Zusammenstoß – stattdessen spielten Sanders und… | |
NEW YORK taz | „Feuert Pantaleo“, hallt es durch den Saal, als am | |
Mittwochabend die vom Fernsehsender CNN ausgestrahlte Debatte der | |
Demokratischen PräsidentschaftskandidatInnen in Detroit eröffnet. Die | |
Zwischenrufe sind eine Aufforderung an den New Yorker Bürgermeister und | |
nebenbei Präsidentschaftskandidaten Bill de Blasio, der sich schwer damit | |
tut, den Polizisten Pantaleo zu entlassen, [1][in dessen Würgegriff vor | |
fünf Jahren der Zigarettenverkäufer Eric Garner starb]. Später weisen | |
andere ZwischenruferInnen auf die Praxis von Abschiebungen hin: „Stoppt die | |
Deportationen“, verlangen sie. Unterdessen hauen die DemokratInnen auf der | |
Bühne sich gegenseitig ihre Vergangenheit um die Ohren. | |
Es ist die zweite Runde im [2][Vorwahlkampf der Demokraten], der weiterhin | |
ein Gedrängel von mehr als 20 KandidatInnen ist. Themen und Ton sind für | |
US-amerikanische Verhältnisse ungewöhnlich sozial engagiert. Nicht nur von | |
Seiten der ZwischenruferInnen. Der „demokratische Sozialist“ Bernie | |
Sanders, der 2016 noch allein gegen die Milliardäre und gegen die Wall | |
Street wetterte, hat jede Menge NachahmerInnen gefunden. Dieses Mal | |
wetteifern sämtliche 20 demokratischen KandidatInnen darum, so weit links | |
wie möglich zu sein. Doch nur zwei haben umfassende Programme vorgelegt: | |
Sanders und Elizabeth Warren. | |
Der Senator aus Vermont und die Senatorin aus Massachusetts arbeiten in | |
Washington seit Jahren erfolgreich zusammen. Aber nun konkurrieren sie | |
gegeneinander um die Nominierung. In den Umfragen sind sie gleichstark | |
positioniert – direkt hinter Joe Biden, dem Vize-Präsidenten von Barack | |
Obama. Die Umfragen bescheinigen allen dreien, dass sie eine Wahl gegen | |
Donald Trump gewinnen könnten. Doch während [3][Warrens Popularität steigt] | |
und die von Sanders stagniert, schrumpft die von Biden seit seinem lust- | |
und ideenlosen ersten Debattenauftritt. | |
Am Dienstag bringt der Zufall des Losentscheids der Demokratischen Partei | |
Sanders und Warren gemeinsam auf die Bühne in Detroit. Viele haben einen | |
Zusammenstoß erwartet. Stattdessen spielen sich Sanders und Warren die | |
Bälle zu. Begründen die Notwendigkeit einer staatlichen Krankenversicherung | |
für alle, der Abschaffung von Studiengebühren und der Streichung von | |
privaten Universitätsschulden. Und sie schaffen es, respektvoll miteinander | |
umzugehen. | |
Die beiden sind die Stars des Abends. Alle anderen arbeiten sich an ihnen | |
ab. Nennen ihre Vorschläge „unrealistisch“ und warnen vor zu weitgehenden | |
Schritten. „Ich bin es leid, Demokraten zu hören, die Angst vor großen | |
Ideen haben“, entgegnet Sanders seinen demokratischen KonkurrentInnen. | |
Warren witzelt: „Ich verstehe nicht, warum jemand die Mühe eines | |
Präsidentschaftswahlkampfes auf sich nimmt, wenn er nur sagen will, was | |
Demokraten nicht tun können“. Ihr Bonmot ist ein Höhepunkt des Abends. | |
## Profilierung durch Kritik an Joe Biden | |
24 Stunden danach, als die zweite Runde der 20 KandidatInnen in Detroit | |
antritt, duellieren sich Joe Biden und Senatorin Kamala Harris auf der | |
Bühne. Sie waren bereits im Juni aneinander geraten. Damals führte die | |
Senatorin ihren Konkurrenten Biden als einen vor, der bei der Abschaffung | |
der Schulsegregation gebremst hat. Biden reagierte langsam und ohne | |
Überzeugung. Dieses Mal begrüßt der 77-Jährige die Konkurrentin Harris mit | |
den Worten „Go easy on me, kid“. | |
Dieses Mal schafft es keiner der beiden, sich in der Debatte zu | |
profilieren. Stattdessen hauen sie sich gegenseitig ihre politische | |
Vergangenheit um die Ohren, ohne je neue Ideen in die Debatte zu werfen. | |
Stattdessen können sich die kleineren KandidatInnen ihnen gegenüber | |
profilieren. | |
Der Texaner Julian Castro, ehemaliger Wohnungsbauminister unter Barack | |
Obama, erneuert seinen Vorschlag, die Grenzüberquerungen ohne Dokumente zu | |
entkriminalisieren, um Familientrennungen, wie Trump sie praktiziert, in | |
Zukunft unmöglich zu machen. „Im Gegensatz zu Dir habe ich aus der | |
Vergangenheit gelernt“, sagt er zu Biden. Der ehemalige Bürgermeister von | |
Newark und Senator Cory Booker konfrontiert Biden mit einem anderen Kapitel | |
seiner Vergangenheit: der Strafjustizreform aus den 90er Jahren, die | |
zahlreiche Leute wegen teilweise gewaltsamer Drogendelikten auf Jahre ins | |
Gefängnis gebracht hat. | |
Dann fährt die 38-jährige Abgeordnete Tulsi Gabbard aus Hawaii scharfe | |
Kritik an Harris' als Staatsanwältin und Justizministerin in Kalifornien | |
auf. „Sie hat über 1.500 Leute wegen Marihuana-Verstößen hinter Gitter | |
gebracht“, sagt Gabbard, „und sie hat entlastendes Material über einen Mann | |
zurückgehalten, der im Todestrakt saß.“ | |
## Letzte Chance | |
Nach den TV-Debatten in Detroit machen die demokratischen KandidatInnen in | |
den nächsten Wochen Sommerpause und Wahlkampf an der Basis. Der | |
Demokratische Vorwahlkampf wird letztlich erst mit dem | |
Nominierungsparteitag im nächsten Sommer zu Ende gehen. Aber nach dieser | |
Woche wird sich das KandidatInnenfeld lichten. Für mehrere kleine | |
KandidatInnen war Detroit die letzte Gelegenheit, sich zu beweisen. | |
Diejenigen, die das nicht geschafft haben, werden nun ihre GeldgeberInnen | |
verlieren. | |
Auch das Schicksal von Biden ist offen. Noch ist er der Hoffnungsträger des | |
Demokratischen Parteipparates, der ihn für den besten Kandidaten hält, um | |
WählerInnen aus der politischen Mitte zu gewinnen. Doch je häufiger Biden | |
die [4][Antworten auf Kritik] an seiner politischen Vergangenheit schuldig | |
bleibt, desto unsicherer wird seine Zukunft. | |
1 Aug 2019 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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