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# taz.de -- Biden nominiert Kamala Harris: Moderater Durchbruch
> Senatorin Harris schreibt als erste Schwarze Vizekandidatin
> US-Geschichte. Für Trump ist sie „linksradikal“ – die US-Linke sieht d…
> aber anders.
Bild: Da konkurrierten sie noch: Kamala Harris und Joe Biden kurz vor einer TV-…
New York taz | Als der designierte demokratische
US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden am Dienstagnachmittag seine
Entscheidung bekannt gibt, Kamala Harris zur Kandidatin für die
Vizepräsidentschaft zu machen, schafft er es erstmals nach Monaten wieder
in die Schlagzeilen. Aus sämtlichen Lagern seiner Partei und von Gruppen
quer durch das Land – darunter Feministinnen, BürgerrechtlerInnen und
ImmigrantInnen – kommen überschwängliche Glückwünsche. Ex-Präsident Bara…
Obama twittert, als wäre das nur noch eine Kleinigkeit: „Und jetzt lasst
uns diese Wahlen gewinnen.“
Das Weiße Haus reagiert mit persönlichen Beleidigungen. Donald Trump redet
von dem „langsamen Joe“ und der „falschen Kamala“. Sie nennt er zusätz…
„fies“ – ein Adjektiv, das er für starke Frauen reserviert. Inhaltliche
Kritik kommt bloß von radikalen Linken. „Der Autor des Strafgesetzes von
1994 und eine Cop“, witzelt der New Yorker Autor Doug Henwood bitter, „das
ist das perfekte Ticket für diesen Black-Lives-Matter-Moment“. Zahlreiche
Bernie Sanders-Fans veröffentlichen ähnliche Gedanken in den sozialen
Medien. Sie hatten bis zum Schluss gehofft, dass Biden eine Linke an seine
Seite holen würde.
Kamala Harris ist zugleich eine historische Neuerung und eine Garantin für
die Kontinuität an der Spitze. Die vor 55 Jahren in Kalifornien geborene
Demokratin ist die Tochter einer indischen Mutter und eines Vaters aus
Jamaika. Das macht sie zu der ersten Frau aus einer Minderheit, die
Aussicht auf den zweithöchsten Posten im Land hat.
Zugleich stammt sie aus demselben moderaten Flügel der Demokratischen
Partei wie Biden, die Clintons und Obama. Bevor sie US-Senatorin wurde, war
sie Justizministerin in Kalifornien und Staatsanwältin in San Francisco.
Aus ihrer Zeit als Staatsanwältin eilt ihr der Ruf einer Hardlinerin
voraus. Einer, die kleine Vergehen hart verfolgt hat und die die Polizei
nicht für Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen hat.
## Biden und Harris – Beziehung mit ups and downs
Biden und Harris kennen sich schon lange. Als Justizministerin von
Kalifornien stand sie in Kontakt mit seinem 2015 verstorbenen Sohn Beau,
der in dem kleinen Bundesstaat Delaware als Justizminister diente. Als sie
in den Senat einzog, war Biden Vizepräsident und nahm ihr den Eid ab.
Im Vorwahlkampf stießen die beiden öffentlich in einer bitteren
Auseinandersetzung zusammen. Bei einer [1][Debatte] beschrieb sie den
Kontrast zwischen seiner Sympathie für alte weiße Segregationisten im
US-Kongress und ihrer eigenen Erfahrung als kleines schwarzes Mädchen in
Kalifornien, das dank der Desegregation im Schulbus in eine „integrierte
Schule“ fahren konnte.
Bevor Biden sie auswählte, hat er sich wochenlang Zeit gelassen und
Dutzende von [2][hochqualifizierten Frauen] für den Posten sondiert.
Darunter waren auch mehrere andere ehemalige Mitbewerberinnen um die
Präsidentschaftskandidatur, die Linke [3][Elizabeth Warren] und die
Zentristin Amy Klobuchar.
Biden hatte schon in der Endphase des Vorwahlkampfes, als nur noch er und
Bernie Sanders im Rennen waren, versprochen, dass er eine Frau nehmen
würde. Als im März nach mehreren Niederlagen Bidens Siegessträhne bei den
Vorwahlen begann, wurde gleichzeitig klar, dass eine afroamerikanische
Vizepräsidentin politisch opportun sein könnte.
Denn es war Jim Clyburn, einflussreicher schwarzer Kongressabgeordneter aus
South Carolina, der Biden zu den Stimmen der afroamerikanischen WählerInnen
verhalf. Der brutale Tod von George Floyd unter dem Knie eines Polizisten
in Minneapolis am 25. Mai lieferte ein weiteres Argument.
Als anschließend [4][Black-Lives-Matter-DemonstrantInnen] an Hunderten von
Orten quer durch die USA ein Ende von Rassismus und Gewalt verlangten, ließ
Bidens Kampagne durchblicken, dass er über eine Frau aus den Minderheiten
nachdenke.
Am 3. November will das Tandem Biden/Harris versuchen, die Ära Trump zu
beenden. Schon die Optik könnte kaum unterschiedlicher sein. So wie es
bislang aussieht, wird Trump erneut mit Mike Pence ins Rennen ziehen. Neben
den beiden alten weißen Männern wirken Biden und Harris wie eine
Repräsentation des realen Landes.
Dafür sorgen nicht nur ihre Alters-, Geschlechts- und
Hautfarbenunterschiede, sondern auch ihre Herkünfte und Lebensläufe. Biden
kommt aus einer katholischen Familie von der Ostküste. Harris ist zwischen
vielen verschiedenen Einwandererkulturen an der Westküste aufgewachsen.
Ihre Eltern haben sich an der Universität Berkeley kennengelernt, wo ihre
Mutter Medizin und ihr Vater Wirtschaftswissenschaften studierte.
## Vize des womöglich ältesten Präsidenten aller Zeiten
Nach der Trennung der Eltern zog Harris mit ihrer Schwester und ihrer
Mutter für mehrere Jahre nach Kanada. Wenn sie prägende Ereignisse ihrer
Kindheit und Jugend beschreibt, gehören dazu Bürgerrechtsdemonstrationen in
Kalifornien, bei denen ihre Eltern sie im Kinderwagen schoben, das
Selbstbewusstsein ihrer Mutter und ihre Beobachtungen in der Familienküche.
Als zusätzliche kulturelle Erfahrung bringt sie das Leben mit einem weißen,
jüdischen Ehemann mit.
Bei seinem Amtsantritt wird Biden, falls seine Landsleute ihn im November
wählen, 78 sein. Das würde ihn zum ältesten Mann machen, der zum ersten Mal
das Amt antritt. Da im Falle des Ausfalls des Präsidenten automatisch die
(oder der) Vize nachrückt, war eines der Auswahlkriterien für die
Vizepräsidentin, dass sie vom ersten Amtstag an in der Lage sein muss, die
Geschäfte zu führen. Für Harris, darin sind sich die DemokratInnen einig,
trifft das zu. Auch der demokratische Sozialist Bernie Sanders traut ihr
das zu.
Der Parteitag der DemokratInnen, der in der nächsten Woche wegen der
Pandemie nur mit einer Schrumpfbesetzung in Milwaukee stattfindet, soll die
Einheit aller Parteiflügel demonstrieren. Unter anderem werden dabei auch
die New Yorker Linke Alexandria Ocasio-Cortez und Sanders sprechen.
Sie wollen versuchen, das moderate Tandem Biden/Harris dazu zu bringen,
ihre zentralen Forderungen ins Programm aufzunehmen. Von der staatlichen
Krankenversicherung für alle, über die Streichung von Studienschulden und
Universitätsgebühren bis hin zu einer Strafrechtsreform.
## Für Trump ist Harris linksradikal und „fies“
In den Vorwahlen hat Harris nirgends überzeugend abgeschnitten. Als im März
in ihrem Heimatstaat Kalifornien die Vorwahlen stattfanden, war sie längst
ausgeschieden. Sanders war dort mit 36 Prozent der stärkste Kandidat,
abgeschlagen folgte ihm Biden mit 28 Prozent.
Die demokratischen ParteistrategInnen hoffen darauf, dass Harris sowohl
WählerInnen in der Mitte als auch bei moderaten RepublikanerInnen gewinnen
kann. Und dass es ihr gelingen könnte, auch weiße Mittelschichtfrauen aus
den Vorstädten anzusprechen, von denen 2016 noch viele für Trump gestimmt
haben.
Bei linken WählerInnen war Harris im Vorwahlkampf als
Hardliner-Staatsanwältin unbeliebt. Seither haben Sanders' und Bidens Teams
gemeinsam an dem Programm gearbeitet und sich angenähert. Sanders
versichert, Biden werde der „fortschrittlichste Präsident seit dem New
Deal“ werden. Doch unter seinen AnhängerInnen sind weiterhin viele, die
sich nicht vorstellen können, für Biden zu stimmen.
Trump, der sich jetzt auf den Endspurt im Wahlkampf einschießt, versucht
dabei, Biden und Harris unwählbar für RepublikanerInnen zu machen, indem er
sie als „Sozialisten“ und „Radikale“ disqualifiziert. Damit tut er ihnen
bei linken WählerInnen zugleich einen Gefallen. Trump ist es – stärker als
Biden –, der daran erinnert, dass Harris die Familienplanungsorganistion
„Planned Parenthood“ unterstützt, gegen Fracking ist und eine
Einwanderungsreform befürwortet.
Er wirft ihr auch vor, dass sie bei den Anhörungen seines obersten Richters
Brett Kavanaugh besonders harte Fragen genutzt hat. In Trumps Sprache war
das „fies“.
12 Aug 2020
## LINKS
[1] /Vorwahlkampf-der-US-Demokraten/!5608219&
[2] /Kommentar-Neue-Heldinnen-in-den-USA/!5603808
[3] /Demokratin-Elizabeth-Warren-und-Trump/!5607740
[4] /Proteste-gegen-Rassismus-in-den-USA/!5686160
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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