| # taz.de -- Neuer Tarantino-Film „Once Upon a Time“: Mit Sharon Tate im Kino | |
| > Ein Abgesang auf die goldene Zeit des Hollywood-Western: Quentin | |
| > Tarantinos Film ist immer dann am besten, wenn er sich nicht um die | |
| > Handlung schert. | |
| Bild: Beinahe Buddys: Leonardo DiCaprio und Brad Pitt | |
| Februar 1969: Rick Dalton steckt genauso in der Krise wie das klassische | |
| Hollywood. Sein Stunt-Double Cliff Booth fährt ihn zu seinen Terminen, weil | |
| Dalton nach Trunkenheit am Steuer seinen Führerschein los ist. Die | |
| Angebote, die er kriegt, sind Bösewichte in B-Filmen und Pilotfolgen für | |
| TV-Serien. Die einzige Karriereoption wäre, nach Rom zu gehen, Italowestern | |
| zu drehen, wie das gerade alle machen. Aber wer will schon nach Rom? | |
| Nach zwei Annäherungen an den Western mit „Django Unchained“ und „The | |
| Hateful Eight“ legt Quentin Tarantino nun einen autorenfilmerischen | |
| Abgesang auf die goldene Zeit des Hollywood-Western vor. In „Once Upon a | |
| Time … in Hollywood“ sind die Western nur noch ein Schatten ihrer selbst, | |
| die Kulissenstädte wurden von Hippies übernommen und als abgehalfterter | |
| Westernbösewicht muss man sich halt umorientieren. | |
| Rick Dalton und Cliff Booth sind lange nicht recht greifbar als Figuren, | |
| sondern fungieren eher als Vermittler. Mit den beiden nimmt Tarantino den | |
| Zuschauer mit auf eine Reise in die Filmgeschichte. Während Dalton | |
| (Leonardo DiCaprio) als Figur die Welt auf den Sets sichtbar werden lässt, | |
| folgen wir Cliff Booth (Brad Pitt) in die unglamourösen Teile Hollywoods: | |
| Das prosaische Rumgelunger der Stuntmen auf dem Set, die Wartungsarbeiten, | |
| die Booth an Rick Daltons Haus vornimmt, während dieser dreht. | |
| „Once Upon a Time“ ist eine autorenfilmerische Austattungsorgie, dem Film | |
| gingen penible Recherchen voraus, die Tarantino in jedem Interview zu dem | |
| Film seither fein säuberlich in Anekdoten verpackt hat, jedes Filmposter | |
| sitzt, jede Referenz zieht zehn weitere nach sich. Tarantino ist erkennbar | |
| begeistert von der Whisky-und-Zigarren-Welt jener Jahre, zelebriert die | |
| Rituale der Filmvorführung – vom Einlegen der Filmkopie, dem Anlaufen des | |
| Projektors bis zu den Rauchschwaden im Kino oder den Riesenleinwänden der | |
| Autokinos jener Jahre. | |
| Hintergrund des Films: Sharon Tates tragische Geschichte | |
| Vor allem in der ersten Hälfte des Films droht das die ohnehin spärliche | |
| Handlung zu erdrücken. So etwa, als der Film Rick Daltons Nachbarn Roman | |
| Polanski und Sharon Tate auf eine Party in der Playboy Mansion folgt, die | |
| Gäste einzeln mit Namenseinblendungen identifiziert werden und man sich | |
| endgültig in einem überkandidelten Reenactment wähnt. Doch damit führt | |
| Tarantino die tragische Geschichte Sharon Tates und ihrer Ermordung durch | |
| die Manson-Family als Hintergrundgeschichte ein, aus der die Handlung des | |
| Films ihre Spannung bezieht. | |
| Dennoch: „Once Upon a Time …“ funktioniert immer dann am besten, wenn sich | |
| der Film selbst nicht um seine Handlung schert. Auf einem Fernsehset trifft | |
| Rick Dalton auf eine Kinderdarstellerin. Eigentlich war er nur auf der | |
| Suche nach einem Ort, um unbeobachtet seinen Flachmann leeren zu können, | |
| aber dann finden sich die beiden auf der Veranda vor einem Kulissenhaus | |
| wieder und das altkluge Kind nimmt sich Daltons mangelnden Ehrgeiz als | |
| Schauspieler zur Brust. | |
| In einer anderen Szene bummelt Sharon Tate durch die Stadt und findet sich | |
| mit einem Mal vor einem Kino wieder, in dem „Das Rollkommando“ mit ihr | |
| selbst als Darstellerin läuft. Im Kinosaal ist Tate nervös, sich selbst auf | |
| der Leinwand zu sehen mit den Reaktionen der Zuschauer, doch mit jedem | |
| Lacher, den sie erntet, entspannt sie sich zunehmend. | |
| Schleppende Buddy-Szenen zwischen Pitt und DiCaprio | |
| Auch DiCaprio und Pitt guckt man immer gern dabei zu, wie sie möglichst | |
| wenig von der Handlung tangiert werden. Leonardo DiCaprio ist als Rick | |
| Dalton gut, aber Brad Pitt in der Hauptnebenrolle als Cliff Booth ist | |
| überragend. Die schönste Szene mit Brad Pitt ist, als er mit einer Reihe | |
| von Stuntbewegungen auf das Dach von Rick Daltons Haus hüpft, sich das | |
| T-Shirt auszieht, aus einem Werkzeuggurt an der Hüfte erst mal eine Packung | |
| Zigaretten hervorzieht – und dann passiert erst mal gar nichts. Zu den | |
| Mysterien des Films gehört, dass Tarantino sich nicht recht für die | |
| Beziehung der beiden Protagonisten interessiert. Ihre Buddy-Szenen | |
| schleppen sich immer etwas dahin und sind auch ziemlich rar. | |
| Tarantino setzt „Once Upon a Time …“ passgenau zwischen die Stühle: Gera… | |
| in der ersten Hälfte wirkt der Film wie die Pflichtaufgabe eines | |
| Cinephilie-Strebers, bevor sich Tarantino später im Film freispielt zum | |
| Level Autorenfilm. Dass die Hommage an die goldene Zeit des Western | |
| ausgerechnet Elemente des New Hollywod in sich trägt, die den Bruch mit dem | |
| „alten“ Hollywood markierte, ist eine schöne Idee Tarantinos, zumal die | |
| Opulenz der Ausstattung gleichzeitig an die sterilen Mammutfilme erinnert, | |
| mit denen Hollywood zunächst der Krise begegnen wollte. | |
| Ob die raren Momente der Freiheit den Bombast aufwiegen, mag man als | |
| Zuschauer selbst entscheiden. Im Superheldeneinheitsbrei der aktuellen | |
| Produktionslandschaft wirkt „Once Upon a Time … in Hollywood“ gerade in | |
| seiner Unausgewogenheit befreiend. | |
| 13 Aug 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Fabian Tietke | |
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