# taz.de -- Kritik an Netflix-Show „Queer Eye“: Not your inspiration, oder? | |
> Die Show wird zu Recht gerühmt für den wertschätzenden Umgang mit den | |
> Kandidat*innen. Nach der Folge mit einem Querschnittsgelähmten gab es | |
> Kritik. | |
Bild: Die „Fab Five“ machen mehr als nur äußere Makeover | |
[1][Die Netflix-Reality Show „Queer Eye“] verleiht in jeder Folge einer | |
Person ein Makeover – anders als in vielen anderen Shows gibt es hier aber | |
weder Geringschätzung noch Verächtlichmachung. Stattdessen sind die „Fab | |
Five“, die fünf queeren und schwulen Berater*innen, zugewandt, respektvoll | |
und häufig bereit, Storys aus ihrem eigenen Leben über Depression oder | |
Diskriminierung zu teilen. | |
Die Kandidat*innen bekommen nicht nur ein äußeres Makeover, vielmehr werden | |
auch schwierige Lebensbedingungen thematisiert und Freund*innen, Familie | |
und die Community in den Veränderungsprozess mit einbezogen. Diese | |
wertschätzende Hilfe und die gemeinsamen Bemühungen, zum eigenen „besseren | |
Selbst“ zu werden, ist oft zu Tränen rührend. | |
Um so bedauerlicher, dass das Einbeziehen der Community und ihrer Debatten | |
ausgerechnet in der zweiten Folge der gerade gestarteten vierten Staffel | |
nicht wirklich gelingt. Protagonist ist der 30-jährige querschnittsgelähmte | |
schwarze Wesley Hamilton, der eine Dealer-Karriere hinter sich hat und mit | |
24 Jahren mehrfach angeschossen wurde. Aus Bettlägerigkeit, Übergewicht und | |
Depression hat er sich selbst mit Sport und Ernährungsumstellung befreit | |
und die NGO „Disabled but not really“ gegründet. | |
Die Show wurde von Behindertenaktivist*innen auf Twitter heftig diskutiert | |
und kritisiert. Einer der Hauptkritikpunkte war die unterschiedliche | |
Behandlung der Behinderung im Verhältnis zu anderen Identitäten wie | |
Blackness oder Queerness. Vielleicht haben sich die Fab Five mit der Wahl | |
ihres ersten Protagonisten mit Behinderung übernommen, bei dem als | |
schwarzen alleinerziehenden Vater, ehemaligen Kriminellen, Überlebenden | |
einer Schießerei und daraus resultierender Behinderung viele Identitäten | |
und Zuschreibungen zusammenkommen und interagieren. Jedenfalls haben sie es | |
versäumt, wichtigen Konzepten der Disability Community Raum zu geben. | |
## „Inspirationspornografie“ | |
Die 2014 verstorbene australische Journalistin Stella Young hat die | |
Abwertung behinderter Menschen, die darin liegt, sie als Inspiration | |
wahrzunehmen, in einem TEDxTalk problematisiert: Behinderte Menschen würden | |
als Leute mit einem sehr schlimmen Schicksal wahrgenommen, dessen tägliche | |
Bewältigung mit einer positiven Einstellung eine Inspiration für die | |
„normalen“, nichtbeeinträchtigten Leute sei. [2][Diese Rolle nannte sie | |
„Inspirationspornografie“]. | |
Solche Kritik am alltäglichen Ableismus wird geradezu konterkariert von | |
Hamiltons offensichtlichem Bestreben, eben gerade eine Inspiration zu sein | |
für die schwarzen Jungs, die nichts mit ihrem Leben anzufangen wissen, und | |
für die Menschen mit Beeinträchtigungen, die Einschränkungen des Körpers | |
durch eine Einstellungsänderung zu überwinden. | |
Die Vision seiner NGO ist nichts Geringeres, als die globale Community der | |
Menschen mit Beeinträchtigung durch Fitness und Ernährung zu inspirieren | |
und zu empowern. Dass dies ihm und anderen gutgetan hat, ist nicht das | |
Problem, schwierig ist allerdings die erste Selbstrepräsentation eines | |
schwarzen Rollstuhlnutzers in dieser Show, die Vorurteile über Behinderung | |
verstärkt, statt sie anzugreifen. | |
30 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Kirsten Achtelik | |
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