# taz.de -- Abschiebungen in den USA: „Macht die Türen nicht auf“ | |
> Der US-Präsident will am Sonntag Papierlose in einer großangelegten | |
> Aktion abschieben. Tausende gingen dagegen in US-Städten auf die Straße. | |
Bild: Die Abschiebepolizei soll in mehreren Städten Razzien durchführen (Arch… | |
New York taz | MenschenrechtsaktivistInnen und AnwältInnen raten | |
papierlosen Immigranten auf Spanisch und Englisch: „Macht nicht auf, wenn | |
ICE klopft“. Für Sonntag hat US-Präsident Donald Trump den Beginn von | |
mehrtägigen Razzien angedroht. Dabei soll seine Abschiebepolizei ICE in | |
zehn Städten Papierlose verhaften und in Lager bringen, um sie anschließend | |
abzuschieben. Trump hat 2.000 Menschen im Visier: Einige haben bereits eine | |
Abschiebeanordnung erhalten, es werden aber auch diejenigen von ICE | |
mitgenommen, die keine vorherige Ankündigung erhalten haben. Bei | |
landesweiten Demonstrationen haben am Freitagabend tausende Menschen | |
angekündigt, dass sie versuchen werden, die Abschiebungen zu verhindern. | |
„Let my People stay“, singen DemonstrantInnen auf dem Foley Square am | |
Freitagabend in New York. Sie haben Gebete einer Priesterin, einem Rabbiner | |
und einer muslimischen Religiösen, sowie Reden von ImmigrantInnen, | |
AnwältInnen und mehreren Kongressabgeordneten gehört. Kurz vor Einbruch der | |
Dunkelheit schwören die DemonstrantInnen mit erhobenen Händen, dass sie | |
ihre papierlosen NachbarInnen verteidigen und dafür kämpfen werden, dass | |
ihr Land weiterhin Einwanderer aufnimmt. Sie halten Kerzen in den | |
Nachthimmel. | |
Der Platz, auf dem sie stehen, liegt zwischen zwei Machtzentren, die am | |
Sonntag gegeneinander arbeiten werden. Auf der Südseite befindet sich das | |
New Yorker Rathaus, das die Razzien ablehnt und das eine Hotline für | |
betroffene EinwandererInnen eingerichtet hat. Auf der Westseite ist der | |
örtliche Sitz der Bundesbehörden, in dem auch Büros und Haftzellen der | |
Abschiebepolizei ICE untergebracht sind. Als der Gesang „Let my People | |
stay“ endet, fordert eine Rednerin die Menge auf, sich vom Rathaus | |
abzuwenden und auf das andere Hochhaus zu schauen. „Schweigt“, sagt sie zu | |
der Menge. Einen Moment später: „Schreit!“. Tausende brüllen gegen das | |
Hochhaus an. Allmählich verwandelt sich ihre Wut in Worte und politische | |
Slogans. „Schließt die Lager“, ruft die Menge. Und: „Löst ICE auf!“ | |
Trump hat auch diese neue Krise in der Einwanderungspolitik eigenmächtig | |
und absichtsvoll geschaffen. Schon im Juni kündigte er einen Termin für die | |
Massenabschiebungen an. Weniger als einen Tag bevor ICE zur Tat schreiten | |
sollte, [1][sagte er die Aktion wieder ab] und verschob sie ohne Datum. Mit | |
dieser Drohung verfolgte er mehrere Ziele gleichzeitig: Zum einen wollte er | |
EinwandererInnen verunsichern und abschrecken. Zugleich wollte er seiner | |
Basis, eineinhalb Jahre vor den nächsten Wahlen, das Gefühl geben, dass er | |
knallhart gegen „Illegale“ durchgreift. | |
Seither geht unter den geschätzt elf Millionen Papierlosen noch größere | |
Angst um als zuvor. Weil die meisten von ihnen in den USA geborene Kinder | |
haben, die Staatsangehörige sind, und weil viele mit PartnerInnen zusammen | |
leben, die legal in den USA sind und bleiben werden, führen die Razzien | |
zwangsläufig zur Zerstörung von Familien. Falls die Umsetzung von Trumps | |
Androhung dieses Mal zustande kommt, werden ab Sonntag erneut tausende | |
Kinder von Eltern getrennt werden. Es werden zusätzlich zahlreiche Familien | |
mittellos zurückbleiben, weil sie ihre HauptverdienerInnen verlieren. | |
„Wir werden gejagt, wie Tiere“, sagt eine Einwandererin aus New York, deren | |
Mann im vergangenen Sommer von ICE abgeholt worden ist. Sie ist mit drei | |
Kindern ans Mikrofon gekommen. Von dort aus fordert sie auf Spanisch den | |
US-Kongress auf, die Finanzierung von ICE zu stoppen. „Kein öffentliches | |
Geld für Hass“, sagt sie. Ihre Tochter übersetzt die Rede ins Englische. | |
Dann lässt das Mädchen die Menge gemeinsam mit ihr rufen: „Ich bin ein | |
Mensch! Ich verdiene Gleichheit! Hier und jetzt!“ | |
## Örtliche Behörden verweigern ICE die Unterstützung | |
Die meisten Großstädte, in denen Trump Razzien angedroht hat, haben | |
BürgermeisterInnen aus der Demokratischen Partei an der Spitze, die ihre | |
Städte zu „Zufluchtsorten“ erklärt haben. Das bedeutet, dass Menschen dort | |
nicht wegen mangelnder Aufenthaltspapiere von der örtlichen Polizei | |
verfolgt werden und dass die örtlichen Behörden ICE die Unterstützung für | |
Razzien verweigern. Am Sonntag werden ICE-Einheiten in New York, aber auch | |
in Denver, San Francisco, Los Angeles und anderswo wie Besatzungsmächte | |
auftreten und Menschen verhaften, während die örtlichen Polizeibehörden | |
untätig bleiben. | |
Die Erfahrung zeigt, dass ICE bei Razzien oft nicht einmal rechtsgültige | |
richterlich unterschriebene Haftbefehle mitbringt. Daher kommt der Rat an | |
Betroffene, sich die angeblichen Haftbefehle von ICE unter der | |
verschlossenen Türe zuschieben lassen, sie mit dem Handy zu fotografieren | |
und an AnwältInnen zu schicken, um Rat zu holen. | |
„Dies sind sehr gefährliche Zeiten“, sagt eine Rednerin auf dem Foley | |
Square ins Mikrofon, „wir sind schon durch Zweieinviertel Jahre Elend | |
gegangen und Trump will uns alle nach Rasse, nach Geschlecht und nach | |
Religion spalten“. Dann ruft der Aktivist Ravi Ragbir von der „New | |
Sanctuary Coalition“, der vor wenigen Monaten noch selbst deportiert werden | |
sollte, den Menschen zu: „Wir müssen aus unserer Komfortzone herausgehen. | |
Und dort, wo wir leben, sichere Zufluchtsorte schaffen“. | |
Ein kleines Flugblatt macht die Runde. „Ein Kumpel sein“, steht in der | |
Überschrift. Darunter wird US-amerikanischen NachbarInnen und | |
UnterstützerInnen in wenigen Worten erklärt, was sie im Notfall tun können: | |
„Filmt! Macht den Mund auf. Verlangt einen richterlich unterzeichneten | |
Haftbefehl. Tretet vor, ohne Schaden anzurichen. Und fordert andere Bürger | |
auf, es Euch gleichzutun“. | |
13 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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