# taz.de -- Grüne Vorschläge zur Verkehrspolitik: Paywall für TouristInnen | |
> Die City soll Nullemissionszone werden, hat die grüne Fraktion | |
> beschlossen. Besonders umstritten: eine Touristen-Abgabe für Bus und | |
> Bahn. | |
Bild: Wer hier logiert, dem tun fünf Euro am Tag definitiv nicht weh | |
TouristInnen sollen pro Nacht und Nase einen Pflichtbetrag für die | |
Mobilität entrichten – und erhalten im Gegenzug ein ÖPNV-Ticket für | |
dieselbe Anzahl an Tagen. So lautet einer der verkehrspolitischen | |
[1][Vorstöße, die auf der Klausur der Grünenfraktion in Prag am Wochenende | |
auf den Tisch kamen]. Außerdem im Angebot: eine City-Maut und ein | |
Einfahrverbot für Kfz mit Verbrennungsmotoren in die Umweltzone, also in | |
die Innenstadt innerhalb des S-Bahn-Rings. Denn bis 2030, so der grüne | |
Wunschtraum, soll die City eine Nullemissionszone für CO2 sein. Beim | |
Koalitionspartner SPD ist man allerdings gar nicht glücklich über die | |
Vorstöße, und auch die Linke reagiert verhalten. | |
Es war Daniel Wesener, der parlamentarische Geschäftsführer der | |
Grünen-Fraktion, der mit dem Vorschlag eines Pflichttickets nach vorne ging | |
– auch, wenn er selbst es lieber „Gästeticket“ nennen würde. Ein bissch… | |
verwundert über den medialen Wellenschlag gibt sich Wesener am Montag | |
gegenüber der taz: „Die Debatte ist eigentlich gar nicht neu, und wir | |
reklamieren auch gar nicht die Erfinderinnenschaft.“ Auch andere – wie die | |
Linken und die Piratenfraktion in der vergangenen Legislaturperiode – | |
hätten solche Umlageverfahren bereits entworfen und zum Teil auch | |
durchrechnen lassen. | |
Der Vorteil sei, so Wesener, dass es bereits die rechtlichen und | |
organisatorischen Grundlagen gebe, um von BesucherInnen solche Einnahmen zu | |
erheben – über die längst bestehende Citytax hinaus. Die habe auch gezeigt, | |
dass den TouristInnen eine moderate Abgabe eben „nicht so wahnsinnig weh“ | |
tue, zumal die mit einem echten Mehrwert, nämlich dem Ticket, verknüpft | |
wäre. | |
„Berlin ist eine A-Destination, ich würde stark bezweifeln, dass jemand | |
wegen eines solchen Modells nicht mehr nach Berlin fährt.“ Dass die BVG die | |
Sorge vor Mindereinnahmen geäußert hat, kann Wesener nicht verstehen: „Das | |
Gesamtaufkommen erhöht sich ja.“ Erste Rechnungen hätten bei einer Abgabe | |
in Höhe von 5 Euro ein Plus von rund 100 Millionen Euro ergeben. Geld, das | |
die BVG allein durch ihren jüngsten Tarifabschluss dringend benötige. | |
Rückendeckung erhalten die Grünen durch Mobilitätsforscher Andreas Knie vom | |
Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). Es sei längst klar geworden, dass der | |
Berliner ÖPNV in den vergangenen Jahrzehnten kaputtgespart worden sei und | |
massive Investitionen benötige. Da seien Modelle wie die TouristInnenabgabe | |
eine willkommene Finanzierungsmöglichkeit, nicht aber das vom Regierenden | |
Bürgermeister Michael Müller (SPD) zuletzt favorisierte „365-Euro-Ticket“. | |
## „Hohe Performanz“ benötigt | |
„Das bringt wenig, weil die, die den ÖPNV schätzen und nutzen, ihn nicht | |
wegen des Preises kritisieren, sondern weil er nicht die erwartete Qualität | |
bietet“, so Knie. In Wien sei der öffentliche Nahverkehr nicht wegen des | |
365-Euro-Tickets so erfolgreich, sondern weil das Angebot „hoch performant“ | |
sei und gleichzeitig das Autofahren durch Parkraumbewirtschaftung immer | |
teurer werde. | |
Der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Tino Schopf, schlägt | |
dagegen in Bezug auf die Pflichtabgabe harsche Töne an: „Mit uns ist das in | |
keinster Weise zu machen“, so Schopf. „Wir wollen nicht die Touristen durch | |
eine Abgabe melken, die jetzt noch obendraufgepackt wird.“ Es bringe | |
nichts, immer wieder eine neue Sau durchs Dorf zu treiben, vielmehr müsse | |
die Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) „ihre Hausaufgaben machen“. | |
Die ebenfalls geforderte City-Maut sei im Übrigen unsozial – weil dann | |
Menschen, die vor dem Gentrifizierungsdruck an den Stadtrand gewandert | |
seien, erneut bestraft würden. | |
Es sei zwar nicht falsch, über eine dritte Säule der ÖPNV-Finanzierung – | |
neben Tarifeinnahmen und Haushaltsmitteln – nachzudenken, so Schopf, „aber | |
bitte schön zusammen.“ Allerdings hatte er zusammen mit seinen | |
Fraktionskollegen erst in der vergangenen Wochen einen Vorstoß gemacht, der | |
im Koalitionsvertrag so auch nicht vorgesehen ist: Sie forderten | |
Lückenschlüsse auf drei U-Bahn-Linien. | |
## „Aktuelle Themen vorantreiben“ | |
Harald Wolf, sein Kollege von der Linksfraktion, ließ gegenüber der taz | |
Enttäuschung anklingen: „Ich hätte eigentlich weniger Vorschläge für 2030 | |
erwartet, als dass sich die Grünen mit der ungenügenden Umsetzung der | |
Koalitionsvereinbarung im Bereich Klima- und Verkehrspolitik befassen.“ Der | |
Tram-Ausbau hinke hinterher, die Beschleunigung des ÖPNV finde nicht statt, | |
der Ausbau der Radinfrastruktur laufe schleppend. All das seien Themen, | |
sagt Wolf, die vorangetrieben werden müssten – und unmittelbar erhebliche | |
Effekte hätten. | |
Die „AG Tarife“ der Koalition mache sich im Übrigen schon länger Gedanken | |
über das Thema Finanzierung, so Wolf – und die Umlage auf TouristInnen sei | |
da nur ein Vorschlag von vielen, den man prüfen lasse. Die Linke habe | |
beispielsweise die Idee eingebracht, eine Nahverkehrsabgabe von | |
Gewerbebetrieben oder Hotels zu erheben, die von einer verbesserten | |
Erschließung durch den ÖPNV profitieren. | |
Aus der grün geführten Senatsverkehrsverwaltung hieß es am Montag, eine | |
künftige Finanzierung des ÖPNV über Landesmittel hinaus müsse „intensiv | |
diskutiert werden“. Wichtig wäre, so Sprecher Jan Thomsen, dass mit dem | |
jeweiligen Modell „eine Lenkungswirkung zum Umstieg vom Auto auf den ÖPNV | |
einhergeht“. Das Pflicht-ÖPNV-Ticket für TouristInnen sei dabei ebenso | |
denkbar wir die City-Maut oder eine Nahverkehrsabgabe. Auch Thomsen verwies | |
auf die Arbeit der „AG Tarife“. | |
„Der Verbrennungsmotor hat, insbesondere in hoch belasteten Innenstädten, | |
nur eine begrenzte und kurze Zukunft. Wir wollen diese Antriebsform aus der | |
Innenstadt schnellstmöglich aussortieren“, so der Sprecher von Regine | |
Günther. „Das Jahr 2030 ist dafür ein mögliches Datum.“ | |
5 Aug 2019 | |
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[1] https://gruene-fraktion.berlin/beschluesse/ | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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