# taz.de -- Seifenhersteller Lush als Arbeitgeber: In der Wanne heimlich weinen | |
> Lush ist einer der Marktführer für teure Kosmetik mit Feelgood-Faktor. | |
> Tiere sollen nicht leiden, Bauern nicht ausgebeutet werden. Und das | |
> Personal? | |
Bild: Die Firma Lush steht für Genuss und Müßiggang – das Personal kann da… | |
„Sei du selbst! Hauptsache, du hast eine schwarze Hose und ein schwarzes | |
oder weißes Oberteil an.“ | |
Sagt Ulrike, die Filialleiterin. | |
„Alles klar!“ | |
Sage ich, der Bewerber. | |
Wir sitzen in Ulrikes Büro hinter dem Verkaufsraum, es ist um die | |
anderthalb Quadratmeter groß. Nebenan, wenig größer, ein Lager für | |
Cremetöpfe, das gleichzeitig Garderoben- und Pausenraum ist. | |
Das ist hinten. | |
Vorne dagegen wartet eine großzügige Welt aus Duftwolken, wo | |
freudestrahlende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Kunden umschwärmen. | |
„Lush“ heißt die Kosmetikkette, bei der ich mich als Verkäufer beworben | |
habe. Lush, wie opulent oder reichhaltig. Happy people arbeiten hier, Happy | |
soap machen sie. Und sind überhaupt immer happy. Davon überzeugen kann sich | |
jeder, der auch nur einen Fuß in einen der Shops setzt. 40 davon gibt es in | |
Deutschlands Innenstädten. Lush wirbt mit heilem Ökokapitalismus: vegan, | |
frisch, handgemacht, ethisch. Viel Fairtrade, wenig Palmöl. Gute Laune. Da | |
will ich arbeiten. | |
Ulrikes Kollegin Susanne reibt mir den Arm mit Peeling ein. „Ist das nicht | |
angenehm?“ Demo heißt das hier, der Erfolgsfaktor bei Lush. | |
„Was ist, wenn die Kunden das nicht wollen?“ „Die allermeisten lassen das | |
gerne mit sich machen.“ | |
Mindestens fünf Demos soll jeder Kunde sehen und spüren. Fünf Mal den Arm | |
eingerieben bekommen; die Hand mit Lotion massiert; den Kopf über ein | |
Blubberbecken gehalten. Sonst begreift er womöglich nicht, warum er 20 Euro | |
für eine Flasche Duschgel ausgeben soll oder 60 Euro für eine | |
Gesichtscreme. „Wir haben diese englische Herangehensweise“ meint wieder | |
Ulrike: „Wir fragen den Kunden nicht bloß einmal.“ Nur auf der Straße, von | |
WWF- oder Amnesty-Spendensammlern, wird man so offensiv angesprochen wie | |
hier. Sie selbst habe als einfache Verkäuferin angefangen, erzählt Ulrike. | |
Und sich angestrengt. | |
Übrigens bekomme ich den Job. | |
An meinem ersten Tag verführe ich Kinder, möglichst viele „Badebomben“ in | |
den Korb ihrer Eltern zu legen (immer einen Korb unterjubeln, das bringt 20 | |
Prozent mehr Verkäufe!). „Da ist ein kleiner Dino drin“, sage ich und | |
drücke sie ihnen in die Hand oder lasse sie ins warme Testbecken gleiten. | |
Die Kinder lächeln verschmitzt. 10,95 Euro weg – für einmal buntes | |
Badewasser. | |
Ich lerne meine Kolleginnen kennen: Alle sind Frauen, alle sind unter 25, | |
alle sehen deutlich jünger aus. Und: happy. Manche von ihnen wirken | |
geradezu dankbar, hier arbeiten zu dürfen. Deshalb tanzen sie wohl so oft | |
und energisch zu der Musik, die durch den Laden schallt. Loud and proud | |
heißt das bei Lush. „Supersüß seid ihr“, ruft Susanne. Dann führt sie m… | |
durch den Laden. Ungefähr alles, was sie mir zeigt, ist ihr „absolutes | |
Lieblingsprodukt“ und „Oh mein Gott, ich liebe es!“ | |
„Wer nicht diese aufdringliche Mentalität hatte, wurde rausgedrängt“, | |
berichtet Jana. Jana hat drei Jahre lang bei Lush gearbeitet. „Oder bei wem | |
die Chefin den Eindruck hatte, er verkauft nicht genug.“ Die | |
Arbeitsverträge seien oft auf ein halbes Jahr befristet gewesen – und im | |
Zweifel nicht verlängert worden. „Das wurde dann ganz subtil gesagt. Nicht: | |
Du verkaufst zu schlecht. Sondern: Du passt nicht zu uns. Ich hatte ständig | |
Angst: Bin ich gut genug?“ | |
Das bestätigen weitere ehemalige Mitarbeiterinnen derselben Filiale, deren | |
Namen wir hier nicht nennen wollen, weil die Personen berufliche | |
Konsequenzen befürchten. Ebenso wenig nennen wir die deutsche Stadt, in der | |
die Filiale steht. Denn es soll um die Marke und das Prinzip Lush gehen und | |
nicht um Einzelne, die dort mal kürzer oder auch länger gearbeitet haben. | |
Natascha war fünf Jahre bei Lush. | |
„Du lässt sie nicht los, bis sie was kaufen“, habe ihre Chefin oft gesagt. | |
Zu Weihnachten sollte sie Kunden eine Geschenkpackung für 80 Euro | |
vorstellen und eine für 10, danach sagen: „Größer ist immer besser!“ Und, | |
falls der Kunde doch die kleine Packung will, fragen: „Ach, deine Freundin | |
ist nur 10 Euro wert?“ Für einen Stundenlohn von etwas über 10 Euro müssen | |
Lush-Verkäufer nicht nur aufräumen, kassieren, beraten – sondern permanent | |
performen. | |
Es wird grundsätzlich jeder geduzt, erklärt mir Susanne. In ein Gespräch | |
verwickelt. Und mit Komplimenten überhäuft – „aber ehrlich gemeinte“. | |
Manchmal noch mehr. | |
Der sogenannte Hutschachteltrick taucht schon [1][in einem Zeit-Artikel von | |
2010 auf]: Mitarbeiterinnen würden angehalten, sich die Produkte vor die | |
Brüste zu halten. Natascha bestätigt: Er kommt immer noch zum Einsatz. „Es | |
wurde nie explizit gesagt, warum“, erinnert sich Jana. „Aber uns wurde | |
immer nahegelegt, bei Männern doch näher ranzugehen, die Produkte auf einer | |
gewissen Körperhöhe zu zeigen. Da habe ich schon gedacht: Soll ich mich | |
hier prostituieren?“ | |
„Was bringt es“, fragt Natascha, „Bauern und Tiere fair zu behandeln und | |
die eigenen Mitarbeiter zu quälen?“ Sie redet schnell und viel, wie ein | |
guter Lush-Mitarbeiter. Nur die Happiness ist weg. In ihrer Zeit bei Lush | |
erlitt sie einen Hörsturz, sagt sie, bekam Panikattacken und schlechte | |
Haut, Pickel, und das inmitten von Gels und Cremes. Ihre erste Chefin sei | |
nach ihrer Entlassung ein Jahr arbeitsunfähig gewesen. Kollegin Anastasia | |
bekam Migräneanfälle, Jana schwere Depressionen. | |
Wie lange bin ich noch gesund? | |
## *** | |
„Ich habe eine Aufgabe für euch“, sagt Ulrike. Die andere Neue und ich | |
sollen fünf Produkte aussuchen. „Die kriegt ihr geschenkt. Nehmt sie mit | |
nach Hause, probiert sie aus, findet was über die Zutaten raus. Und | |
bereitet euch bis nächste Woche darauf vor, die Kunden mindestens fünf | |
Minuten am Stück damit volltexten zu können.“ | |
„Ist das Arbeitszeit?“ | |
Das Lächeln verschwindet. „Das ist ein Angebot, das wir euch machen. Wenn | |
du sagst, du möchtest dich gerne hier vorbereiten“, sie zeigt auf das | |
Pausenraum-Kabuff, „dann kannst du das natürlich auch tun.“ „Nein, nein, | |
ist schon okay. Ich wollte ja nur fragen.“ | |
Eine halbe Stunde später ist sie wieder superfreundlich. So wie alle hier. | |
Die „Badebomben“ folgen mir in meine Träume. Ich zähle acht neue Pickel in | |
meinem Gesicht. | |
Mit jeder neuen Shopmanagerin sei es schlimmer geworden, erinnert sich | |
Natascha. „Leute wurden vor dem Team fertiggemacht, wenn es schlecht lief. | |
Fast alle haben irgendwann mal geweint.“ „Überleg dir, ob das der richtige | |
Job für dich ist“, habe es dann geheißen. Mit „arbeitsrechtlichen | |
Konsequenzen“ sei gedroht worden. Oder mit „Candyshoppern“: verdeckten | |
Kontrolleinkäufern. „Jedes Quartal komme einer vorbei, wurde uns gesagt.“ | |
Nicht nur unter den Mitarbeitenden herrscht Wettbewerb, auch zwischen den | |
Filialen: Je mehr Bewertungspunkte sie erhalten und je mehr Umsatz sie | |
generieren, mit desto mehr Waren aus der Produktpalette werden sie | |
beliefert, können sie also überhaupt verkaufen. Die besten nennen sich | |
stolz „Top-Shops“ und schicken ihre Mitarbeiter auf Firmenkosten zu | |
Ausflügen; die schlechtesten müssen sparen. | |
„Wir wurden angemotzt, wenn wir zu oft aufs Klo gegangen sind“, sagt | |
Natascha. „Wir haben Mails nach Berlin geschrieben, aber das hat nie etwas | |
gebracht. Ein einziges Mal ist etwas passiert.“ In einer Frühschicht hatte | |
eine schwangere Kollegin die Gesichtsmasken im Mitarbeiterraum noch nicht | |
weggeräumt. „Sie hat gerade im Kühlschrank etwas nachgeguckt, da hat ihr | |
die Chefin die Kühlschranktür mit voller Wucht gegen den Kopf geknallt.“ | |
Danach sei diese endlich entlassen worden. | |
Muss man erst handgreiflich werden, um als Filialleiter bei Lush | |
Deutschland rauszufliegen? | |
Nein – es reicht, die Führungsebene all zu offen zu kritisieren. Alexander | |
[2][Tsiaoussis] leitete bis 2010 die Stuttgarter Filiale. Tsiaoussis ist | |
skeptisch, fragt: Ob ich wirklich Journalist sei? Und erzählt, ein | |
angeblicher Journalist habe mal bei ihm angerufen. „Er hat Details | |
angesprochen, die damals der Presse noch gar nicht bekannt waren.“ Er | |
glaubt: „Lush wollte mich aushorchen, da ich ja Kontakt zu anderen | |
kritischen Mitarbeitern hatte.“ | |
Tsiaoussis berichtet, er sei als Filialleiter angehalten gewesen, die | |
Verträge von Mitarbeiterinnen nicht zu verlängern, wenn sie sich weigerten, | |
den „Hutschachteltrick“ anzuwenden. Neun Seiten lang ist ein Brief, den er | |
an die englische Unternehmensleitung geschrieben hat. Sogar von | |
„Diskriminierung gegen Homosexuelle“ ist darin die Rede. „Ob er immer gen… | |
Kondome dabei hätte“, sei ein Kollege von der Personalmanagerin gefragt | |
worden. Die Antwort von Lush-Direktor Karl Bygrave auf die Beschwerden: | |
„Wir verstehen, dass wir nicht zu jedem passen.“ | |
## *** | |
„Heeeyyy“, höre ich mich rufen. „Danke, wir würden gerne erst mal in Ru… | |
schauen.“ „Kennt ihr schon unser neues Karotten-Duschöl Carrot? Da ist | |
wirklich Karottenöl drin! Riecht doch mal!“ „Danke, wir wollen nur | |
schauen.“ Oder auch: „Ich riech’ gar nichts. Aber nett von Ihnen.“ | |
Seit heute Morgen ist jemand von der Zentrale da, um Ulrike zu überwachen. | |
Ulrike ist erst seit Kurzem Shopmanagerin; ihre Vorgängerin sei nach nur | |
drei Monaten entlassen worden, erzählt sie mir in einer vertrauensseligen | |
Minute. Die soll Kunden angebaggert und bei Beschwerden Onlinekommentare | |
gefälscht haben. Außerdem habe sie fast allen früheren Kollegen gekündigt | |
oder durch permanente Demütigungen zum Kündigen gebracht. „Aber eigentlich | |
waren alle Managerinnen schlimm in den drei Jahren, seitdem ich hier | |
arbeite.“ | |
7.000 Euro Umsatz soll der Laden heute machen, und jeder Kunde, der etwas | |
kauft, im Durchschnitt 23 Euro ausgeben: So lautet das Target. Jeden Tag | |
neu steht es gut sichtbar auf einer Tafel im Pausenraum; daneben, stündlich | |
aktualisiert, die tatsächliche Zahl. Überschreiten die Verkäufe das | |
Monatsziel, geht der Rest als Bonus an die Mitarbeiter – meiner | |
Gehaltsabrechnung werde ich später entnehmen, dass das tatsächlich einmal | |
vorgekommen ist. Gerade sind allerdings nur knapp 2.000 Euro notiert, und | |
es ist schon nach drei. Be happy, steht da außerdem, be nice, und smile. | |
Von innen an die Tür zum Laden gepinnt, hängen einige Kassenzettel. 100 | |
Euro, 200, einmal fast 700 stehen darauf: #team. | |
Susanne kommt lächelnd zu mir und sagt: „Wenn wir es heute schaffen wollen, | |
muss jeder von euch etwa 70 bis 80 Euro pro Stunde einnehmen!“ Sie ist | |
schon wieder weg, bevor ich fragen kann, warum unter den Inhaltsstoffen | |
nirgendwo das Wort „Karotte“ auftaucht. | |
Am Ende des Tages habe ich – das war meine persönliche Challenge – so viele | |
Gratisproben abgefüllt, dass eine Flasche davon leer geworden ist. Dafür | |
bekomme ich eine große Flasche Duschgel geschenkt. Susanne nennt mich nun | |
nicht mehr nur „Schatz“, sondern auch „Maus“. Ich plane meine Karriere.… | |
ahne: Das geht nur mit dem Selling Cycle. | |
An meinem dritten Tag wurde mir das Dokument ausgehändigt, in dem die | |
Catchphrases stehen. Catch, und zwar wortwörtlich: Fragen zum Einfangen. | |
Was findest du an deiner Haut toll? Wie stellst du dir deinen perfekten | |
Wellnessabend zu Hause vor? Gib mir einfach deinen Arm, ich zeige es dir, | |
das macht viel mehr Spaß! Immer positiv formulieren. Immer gut eincremen. | |
Jana berichtet von Mitarbeiterschulungen, die „Sektenversammlungen“ | |
glichen. „Dort wird man indoktriniert. Da stehen Leute, die sind zu hundert | |
Prozent überzeugt von Lush, vom ‚Lush Life‘, von den ‚Lush-Werten‘. Sie | |
sind fröhlich und sagen: Wir sind eine große Familie. Es ist schwer, sich | |
nicht mitreißen zu lassen.“ | |
In einer Familie bleibt nichts geheim. Als sie Supervisor wurde, habe die | |
Chefin ihr oft persönliche Fragen nach einzelnen Mitarbeitern gestellt. | |
Schon vor zehn Jahren sagte Alexander Tsiaoussis, das Lush-Forum werde auf | |
kritische Beiträge überwacht und einzelne Kollegen erhielten „Privilegien�… | |
wenn sie im Auftrag der Zentrale spionierten. | |
Umgekehrt habe sie Angst gehabt, auch selbst überwacht zu werden, meint | |
Jana. „Nach einem Managermeeting meinte die Chefin, dort hätten ihr | |
‚Candyshopper‘ berichtet, wir führten Privatgespräche und würden laut ü… | |
Kündigung nachdenken. Da wurde ich richtig paranoid.“ | |
„Ich wusste zum Schluss nie, ob das gerade die Wahrheit ist, was meine | |
Managerin sagt“, sagt Anastasia. „Einmal hat sie zum Beispiel erklärt, ich | |
müsse heute das Geld nicht zur Bank bringen. Dabei stimmte das nicht. Ich | |
habe dann direkt Ärger von oben bekommen, natürlich.“ | |
Als sie geht, soll Anastasia eine Erklärung unterschreiben. „Mir wurde | |
gesagt, dass ich dadurch meinen Resturlaub von mehreren Wochen ausgezahlt | |
bekäme.“ Es stellt sich heraus, dass sie darauf unbezahlt verzichtet. „Das | |
war natürlich auch meine Schuld, aber ich hätte meiner Chefin einfach nicht | |
vertrauen dürfen.“ Auch diese Taktik kennt Alexander Tsiaoussis noch. | |
## *** | |
Die Fassade stimmt: auch das wie in einer guten Familie. „Es sind viele | |
Kunden gekommen, die dachten, Lush sei Naturkosmetik“, sagt Jana. „Das ist | |
offenbar dieser Eindruck, der entsteht, wenn Lush so gerne Worte wie | |
‚frische Zutaten‘ verwendet. Aber Lush tut auch nicht viel dafür, um diesen | |
Schluss zu unterbinden.“ | |
Was wäre überhaupt die Alternative zu „frischen Zutaten“? Verfaulte? Wie | |
passt ein üppiges Lush Life mit Ressourcenschonung zusammen? Wie | |
umweltfreundlich ist es, seine Kunden zu ständigen Vollbädern zu animieren? | |
Anruf beim BDIH, einem Verband von Kosmetik- und Reformwarenunternehmen. | |
Der BDHI vergibt Labels für Naturkosmetik. Warum fällt eine Firma, die so | |
grün wirkt wie Lush, nicht in seinen Zuständigkeitsbereich? „Viele ihrer | |
Produkte enthalten Stoffe auf Erdölbasis“, sagt Pressesprecher Harald | |
Dittmar. Für ihn fällt Lush in die Kategorie: „naturnahe Kosmetik“. | |
„Was mich stört, ist die Aufmachung. Da werden objektiv wahre Aussagen | |
getroffen, die in ihrer Gesamtheit aber einen Eindruck vermitteln, der den | |
Verbraucher leicht zu falschen Schlüssen führen kann.“ | |
Zwar werden alle Inhaltsstoffe auf den Verpackungen aufgelistet – aber nur | |
die „natürlichen“ angepriesen. Schließlich klingen „fair gehandelter | |
Honig“, „Brombeerpüree“ oder „frische Kiwi“ doch viel schöner als �… | |
45410“ oder „Sodium Lauryl Sulfat“. Viele der reichlich verwendeten | |
ätherischen Öle und Duftstoffe wie Ylang-Ylang oder Eichenmoos könnten | |
überdies Allergien erzeugen, sagt Julia Welzel, Professorin für | |
Allergologie und Dermatologie am Uniklinikum Augsburg. „Und bei Zitrusölen, | |
zum Beispiel Bergamotteöl, besteht die Gefahr einer fototoxischen Reaktion | |
– also Sonnenbrand.“ Die Zeitschrift Öko-Test fand in drei von sechs | |
getesteten Lush-Produkten allergieerzeugende Stoffe. | |
Länger schon steht Lush außerdem in der Kritik, weil es damit wirbt, sich | |
gegen Tierversuche zu engagieren – obwohl es in der EU längst verboten ist, | |
Kosmetika zu verkaufen, die an Tieren getestet wurden. Schon seit 2013. Das | |
weiß nur kaum jemand. | |
Lush hat kein Werbebudget, sondern erregt (wiederum wie Amnesty oder der | |
WWF) Aufmerksamkeit über Kampagnen und Aktionen. Am „Go Naked Day“ sollten | |
2008 etwa Mitarbeiter in verschiedenen Schweizer und deutschen Städten | |
nackt zur Arbeit erscheinen, um für die unverpackten Produkte zu werben – | |
und waren verwundert, als die Polizei das unterband. Die | |
Unternehmensleitung hatte ihnen zuvor versichert, es sei unproblematisch. | |
Und 2012 unterzog sich die Performancekünstlerin Jacqueline Traide in einem | |
britischen Lush-Shop live einem „Tierversuch“. | |
Vor allem aber bewerben die Kunden die Produkte über Mundpropaganda und | |
soziale Netzwerke, so das Kalkül. Dafür müssen auch sie Körpereinsatz | |
zeigen, wie die australische Lush-Managerin Natasha Ritz im | |
Business-Podcast „The CMO Show“ erläutert: „Die Leute machen gerne Bilder | |
von unseren Produkten in der Dusche. Wir bekommen viele nackte Hintern | |
geteilt“. So könne Lush „in Wichtigeres investieren, wie unsere Zutaten und | |
unsere Lieferkette und dorthin, woher wir die Dinge beziehen. Und in unsere | |
Leute.“ | |
Nach anderthalb Wochen bei Lush – ich habe mittlerweile wahrscheinlich | |
Badezusatz im Wert von 1.000 Euro unter die Leute gebracht – beschließe | |
ich, dass es reicht und kündige. Oder in Lush-Werbetext-Sprache: Manchmal | |
musst du dich einfach für einen kurzen Augenblick vor der Welt verstecken – | |
und das funktioniert am besten unter einer Decke aus fruchtigem Schaum, der | |
deinen Geist sanft in ruhige Gewässer bettet. | |
Wenige Wochen später treffe ich zufällig auf dem Campus eine meiner | |
ehemaligen Kolleginnen. Nun sei auch Ulrike entlassen worden, berichtet | |
sie: nach insgesamt nur zwei Monaten als Filialleiterin. Sie sei „zu | |
rebellisch“ gewesen. | |
In Düsseldorf steht seit 2016 die erste deutsche Lush-Fabrik. Wegen des | |
Brexits hat die Firma Mitarbeitern angeboten, nach Deutschland zu wechseln. | |
Die Produktion in dem Werk könnte, je nach Ausgang, noch deutlich zunehmen. | |
Anmerkung: Auch alle Namen der Mitarbeiter*innen der Lush-Filiale, in der | |
der Autor gearbeitet hat, wurden geändert. | |
4 Aug 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zeit.de/2010/44/CH-Lush | |
[2] https://www.zeit.de/2010/44/CH-Lush | |
## AUTOREN | |
Adrian Schulz | |
## TAGS | |
Naturkosmetik | |
Arbeitsrecht | |
Personal | |
Verkauf | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Arbeitsbedingungen | |
Naturkosmetik | |
ZDF-Fernsehgarten | |
Verbraucherzentrale | |
Kosmetik | |
Kosmetik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Arbeitsbedingungen bei Lush: In Sachen Ergebniskosmetik | |
Ein internes Gutachten zeigt miese Arbeitsbedingungen in der Manufaktur des | |
Badebombenherstellers Lush. Mitarbeitende bestätigen das. | |
Mobbingvorwürfe gegenüber Lush: Noch mehr Tränen hinterm Schaum | |
Mehr ehemalige Mitarbeiter*innen des Kosmetikherstellers Lush klagen über | |
unerträgliche Arbeitsbedingungen. Das Unternehmen selbst äußert sich nicht. | |
TV-Unterhaltung am Ende: Die Leere des Luke Mockridge | |
Der „Fernsehgarten“-Auftritt des Jungkomikers stellt nicht weniger dar als | |
einen epochalen Bruch unseres Humorverständnisses. | |
Test der Verbraucherzentrale: Wenig Natur in Naturkosmetik | |
Die Verbraucherzentrale wirft Kosmetikherstellern Schummeleien bei | |
Pflegeartikeln vor. Der grüne Anstrich mancher Verpackung führt oft in die | |
Irre. | |
Rohstoffmangel in der Naturkosmetik: Bio für Haut und Haar wird knapp | |
Konventionelle Kosmetikfirmen haben Naturprodukte für sich entdeckt. Das | |
verdrängt Branchenpioniere und sorgt für Engpässe bei Pflanzen und Ölen. | |
Fairtrade bei Kosmetik: Natürlich ist selten fair | |
Naturkosmetik boomt, ist aber selten Fairtrade-zertifiziert. Der | |
Branchenkongress diskutiert darüber, als wäre das Problem bereits gelöst. |