# taz.de -- Datenschutz beim BVG-Schülerticket: Die Bedenken fahren mit | |
> Schüler*innen können jetzt kostenlos BVG fahren – vorausgesetzt, sie | |
> haben sensible Daten mitgeteilt. Doch die BVG ist anfällig für | |
> Daten-Missbrauch. | |
Bild: Wer nicht einsteigt, dessen Daten sind immerhin sicher: U2 am Senefelder … | |
BERLIN taz | Keine teuren Tickets, keine Schlangen am Automaten und keine | |
Angst vor Ticketkontrolleuren – immerhin für Berlins Schülerinnen und | |
Schüler wird der Traum vom kostenlosen Nahverkehr ab Donnerstag wahr. | |
Datenschützer allerdings haben, was die Umsetzung des kostenlosen | |
Schülertickets betrifft, enorme Sicherheitsbedenken. Es ist nicht das erste | |
Mal, dass die Berliner Verkehrsbetriebe das Thema vernachlässigen. | |
Der Knackpunkt: Bevor sich Berlins derzeit rund 350.000 Schüler*innen | |
kostenlos durch den AB-Bereich bewegen können, müssen sie online eine | |
elektronische Chipkarte beantragen. Dafür müssen der aktuelle | |
Schülerausweis sowie ein aktuelles Lichtbild hochgeladen werden. Sensible | |
Daten wie Name, Alter, Wohnadresse der Schüler*in und auch der gesetzlichen | |
Vertretung sowie die besuchte Schule werden zentral bei der BVG | |
gespeichert. | |
„Der BVG wurde de facto die Erlaubnis erteilt, eine zentrale | |
Schülerdatenbank zu erstellen“, kritisiert Peter Lange. Der IT-Fachmann ist | |
Datenschutzbeauftragter mehrerer freier Schulen in Berlin. Lange warnt, das | |
Missbrauchspotenzial eines solchen Datensatzes sei riesig. So gebe es viele | |
Schüler*innen, die zum Beispiel aufgrund von familiären Konflikten unter | |
besonderem Schutz stünden und deren Schul- oder Wohnort unbedingt geheim | |
bleiben müssten. Bei konfessionellen Schulen, sonderpädagogischen oder | |
Brennpunktschulen bestehe besondere Gefahr des Missbrauchs. Gerade bei | |
solch sensiblen Datensätzen sei es wichtig zu wissen, was mit den Daten | |
passiert und wie sie gesichert sind, sagt Lange. „Die Datenschutzerklärung | |
der BVG gibt darüber aber keinerlei Auskunft.“ | |
In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der CDU im Juni heißt | |
es: „Die BVG nimmt den Schutz der personenbezogenen Daten […] sehr ernst. | |
Diese Daten unterliegen daher denselben technisch-organisatorischen | |
Maßnahmen, die für unsere IT- und Datensicherheit im Allgemeinen gelten.“ | |
Die Daten würden nicht an Dritte weitergegeben und nach Ablauf der | |
Vertragslaufzeit wieder gelöscht. | |
## BVG speicherte Bewegungsprofile | |
Zweifel an der IT-Sicherheit der BVG gab es in der Vergangenheit allerdings | |
immer wieder. 2015 wurde bekannt, dass auf elektronischen Tickets entgegen | |
vorheriger Versicherung der BVG auch Bewegungsprofile gespeichert wurden, | |
der Fehler wurde behoben. Vor knapp zwei Jahren bescheinigte die Berliner | |
Datenschutzbeauftragte der BVG nach einer Prüfung wiederum „erhebliche | |
strukturelle Mängel in der Datenschutzorganisation des Unternehmens“. | |
Anlass war die Beschwerde über eine Führungskraft, die unerlaubten Zugriff | |
auf Daten des Personalrats hatte. | |
Zwar mag die BVG in Sachen Datenschutz seitdem nachgebessert haben, aber | |
Fakt bleibt, dass sich das menschliche Risiko nur schwer ausschließen | |
lässt. „Wenn einem Administrator 5.000 Euro geboten werden für den | |
Datensatz“, so Lange, „warum sollte der nicht Ja sagen?“ | |
Dabei ist die Ausgabe von Chipkarten für das kostenlose Schülerticket | |
eigentlich gar nicht notwendig: Der bereits vorhandene Schülerausweis würde | |
genügen. „Einer der Grundsätze der Datenschutzverordnung ist, so wenig | |
Daten wie möglich zu erheben, um das Risiko zu minimieren“, sagt Lange. Die | |
BVG und das Land begründen die Datenerfassung damit, dass das Land | |
Ausgleichszahlungen an die BVG in Höhe der tatsächlich genutzten Tickets | |
vornimmt. Auch seien die Chipkarten fälschungssicherer als die bisherigen | |
Schülerausweise. | |
Die BVG müsse es den Schüler*innen wenigstens ermöglichen, das Ticket in | |
den BVG-Verkaufsstellen zu beantragen, fordert Lange. Dabei würden die | |
Daten nicht zentral gespeichert. Die BVG lehnt diese Variante aber ab: | |
„Schülertickets können jetzt nur noch online beantragt werden, da sich der | |
Andrang in unseren Kundenzentren nach unseren Berechnungen sonst mehr als | |
verdreifacht hätte“, so ein Sprecher der BVG auf taz-Anfrage. Das hätte „… | |
unzumutbaren Wartezeiten“ geführt. | |
Derzeit prüft die Datenschutzbeauftragte eine Beschwerde gegen das | |
kostenlose Schülerticket. Zum laufenden Verfahren will sie keine Auskunft | |
geben. | |
## BVG ist jährlich im Datenschutzbericht | |
Politiker*innen kritisieren die Verkehrsbetriebe jedoch häufiger für ihren | |
Umgang mit dem Thema Datenschutz. „Die BVG taucht jedes Jahr im | |
Datenschutzbericht auf“, so Stefan Ziller, Sprecher für | |
Verwaltungsmodernisierung und Digitales der Grünen. „Es wäre schön, wenn | |
sich das mal ändert.“ | |
Kritik gab es zuletzt an der am 11. Juni gelaunchten BVG-App Jelbi. Diese | |
soll verschiedene Mobilitätsangebote wie E-Roller, Leihfahrräder, Taxis | |
und das hauseigene Sammeltaxi Berlkönig miteinander verbinden. Dabei werden | |
sensible Daten wie Führerscheindaten sowie Start- und Endpunkte an | |
zahlreiche Dritte, unter anderem auch an einen externen | |
Zahlungsdienstleister, weitergeleitet. Die Datenschutzbeauftragte erfuhr | |
erst aus der Presse von den Planungen. „Wir waren sehr irritiert, dass wir | |
nicht vorab mit einbezogen worden sind“, so eine Sprecherin gegenüber der | |
taz. | |
Ziller kritisiert, die BVG habe als landeseigenes Unternehmen besondere | |
Verantwortung beim Thema Datenschutz: „Die Zeit, in der die BVG einfach | |
stillschweigend etwas macht, ist vorbei.“ Von Seiten der BVG heißt es | |
hingegen, es gebe bei der Jelbi-App wie auch beim kostenlosen Schülerticket | |
keine Bedenken, beide seien im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung | |
sowie dem Berliner Datenschutz. | |
31 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
## TAGS | |
Datenschutz | |
U-Bahn | |
BVG | |
BVG | |
Senatsverwaltung für Bildung | |
Schule | |
Verkehrsplanung | |
BVG | |
Datenschutz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Studie über Nahverkehr: Berlin unschlagbar schnell | |
Eine Studie belegt, was alle schon wussten: Berlin ist unfassbar schnell. | |
Zumindest im Nahverkehr, zumindest in der Theorie. | |
Beginn des neuen Schuljahres in Berlin: Bitte nicht aus Gewohnheit meckern | |
Man kann viel kritisieren an der Bildungspolitik – etwa den Lehrermangel. | |
Aber was kann man gegen kostenloses Schulessen haben? Ein Wochenkommentar. | |
Start ins neue Schuljahr: Eine Stunde mehr Deutsch pro Woche | |
2.700 zusätzliche Lehrkräfte und 362.000 Schüler starten Montag ins neue | |
Schuljahr. GEW kritisiert hohe Zahl von Seiteneinsteigern. | |
U-Bahn-Ausbau in Berlin: SPD goes underground | |
Im Koalitionsvertrag steht: kein Weiterbau der U-Bahn, basta. Die | |
Sozialdemokraten wollen sich damit nicht zufriedengeben. | |
Datenschutz im Nahverkehr: Wenn Karten zuviel können | |
Das Datenleck in der elektronischen fahrCard war gar kein Fehler: Die BVG | |
hatte das Kleingedruckte bei den Lesegeräten nicht genau studiert. | |
Problemfall E-Ticket: Die Daten gibt es à la carte | |
Der Fahrgastverband IGEB kritisiert ein Datenleck bei der „fahrCard“. Die | |
speichert ein Bewegungsprofil – und kann praktisch von jedem ausgelesen | |
werden. | |
Videoüberwachung in der U-Bahn: Kameras liefern unscharfes Bild | |
Seit zwei Jahren darf die Polizei auf BVG-Videos zugreifen. Der Sinn lässt | |
sich nicht belegen, weil aussagekräftige Daten fehlen. Aber die Technik | |
wird ausgebaut. |