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# taz.de -- Problemfall E-Ticket: Die Daten gibt es à la carte
> Der Fahrgastverband IGEB kritisiert ein Datenleck bei der „fahrCard“. Die
> speichert ein Bewegungsprofil – und kann praktisch von jedem ausgelesen
> werden.
Bild: Ist das elektronische Ticket sauber? Nein, da: hässliche Datenspuren!
Kurz vor Jahresende erwischt es die Unternehmen im Verkehrsverbund
Berlin-Brandenburg (VBB) auf dem falschen Fuß: Wie der Berliner
Fahrgastverband IGEB herausgefunden hat, gibt es ein beträchtliches
Datenleck bei der elektronischen „fahrCard“, mit der bereits alle
Abo-Kunden von BVG und S-Bahn unterwegs sind. Genauer: Die „fahrCard“
speichert ein Bewegungsprofil ihrer BesitzerInnen – und praktisch jeder
kann es mit überschaubarem Aufwand auslesen.
In einem [1][Artikel] der kommenden Ausgabe des IGEB-Magazins Signal wird
beschrieben, wie das funktioniert: Mit einer frei downloadbaren App wird
jedes moderne Android-Handy zum Kartenlesegerät. Führt man es an der
scheckkartengroßen „fahrCard“ vorbei, zieht es sich berührungslos die
darauf gespeicherten Daten herunter – dazu gehören die letzten zehn
„Kontrollpunkte“, an denen die Karte registriert wurde, mit Datum und
Uhrzeit. Bei den Kontrollpunkten handelt es sich um die in vielen
BVG-Bussen vorhandenen Lesegeräte, deren Benutzung aber noch freiwillig
ist.
Nur deswegen dürfte sich der unerwünschte Datenabfluss noch sehr in Grenzen
halten: In U- und S-Bahnen gibt es solche festen Lesegeräte nicht, und erst
wenn alle Busse damit ausgestattet sind, wird die elektronische
Selbst-Kontrolle zur Pflicht. Das wird laut BVG ab dem kommenden Frühjahr
der Fall sein.
## Trügerische Sicherheit
Skandalös am Leck ist, dass die beteiligten Unternehmen immer ausdrücklich
betont haben, das System sei vollkommen sicher: „Es ist weder technisch
noch organisatorisch möglich, sogenannte Bewegungsprofile auf der Karte
oder im System zu speichern“, heißt es in einer Infobroschüre des VBB, und
weiter: „Bei der Kontrolle wird Ihre persönliche Chipkartennummer nur gegen
eine Sperrliste geprüft, um festzustellen, ob Ihre Fahrtberechtigung noch
gültig ist.“
Diese Information ist – ob wissentlich oder nicht – schlichtweg falsch.
Dabei hatte der Fahrgastverband in den vergangenen Jahren wiederholt
Bedenken zum Datenschutz geäußert. IGEB-Sprecher Jens Wieseke: „Wir haben
den VBB mehrmals deswegen angesprochen, und jedes Mal wurde zurückgefragt,
wie wir denn dazu kämen, an der Sicherheit des Systems zu zweifeln.“
Die BVG versucht, der Angelegenheit die Dramatik zu nehmen: Man befinde
sich bei der Kontrolltechnik immer noch in einer „Pilot- und Testphase“,
dabei habe sich „vor wenigen Wochen herausgestellt, dass die fest
montierten Lesegeräte in den Bussen die nun vom Fahrgastverband genannten
Daten auf die Karten schreiben“, heißt es in einer schriftlichen Erklärung.
„Dies ist nicht vorgesehen und nicht von uns beabsichtigt.“ Man habe den
Hersteller sofort aufgefordert, diesen Fehler „schnellstmöglich zu
beheben“, außerdem würden die Lesegeräte vorläufig abgeschaltet. „Erst …
der endgültigen Fehlerbehebung“ gehe das System wieder in Betrieb.
Aber auch für den Fall, dass die leicht ausspähbaren Datenspuren auf den
Plastikkarten der KundInnen verschwinden sollten, ist man beim IGEB mit der
Gesamtsituation nicht glücklich. Schließlich sei es vorstellbar, dass das
E-Ticket-System an anderer Stelle die erhobenen Daten speichere –
vielleicht sogar solche, die bei mobilen Kontrollen entstehen. Diese werden
derzeit zumindest nicht auf der Karte festgehalten.
„Was im Hintergrundsystem passiert, können wir nicht einsehen“, heißt es …
dem Signal-Artikel. „Die Infrastruktur, um das Bewegungsprofil von jeder
Kontrolle im Hintergrundsystem zu speichern, auf das Dritte Zugang
besitzen, ist vorhanden. Es ist davon auszugehen, dass diese auch genutzt
wird.“
## Keine gesetzlichen Regeln
Jens Wieseke kritisiert, dass der Datendurst der privaten Unternehmen, die
das E-Ticket-System betreiben, nicht durch klare gesetzliche Regeln
begrenzt werde. Besser gelöst sei dies etwa beim Autobahn-Maut-System „Toll
Collect“: Da lege ein Bundesgesetz fest, wer wie lange die erhobenen Daten
speichern dürfe. „Warum wird das hier nicht gemacht?“, fragt der
IGEB-Sprecher.
Unklar ist auch, ob andere Unternehmen im VBB betroffen sind. In manchen
Brandenburger Landkreisen sind Busse mit derselben Karten-Lesetechnik wie
die BVG ausgestattet, und möglicherweise wird dort auch bereits
routinemäßig kontrolliert. Man habe alle Verbundmitglieder sofort
informiert, sagte eine VBB-Sprecherin zur taz. Diese überprüften jetzt die
Geräte in ihren Fahrzeugen.
28 Dec 2015
## LINKS
[1] http://www.igeb.org/files/SIGNAL2015-6-Datenleck.pdf
## AUTOREN
Claudius Prößer
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