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# taz.de -- Justiz in der Türkei: Gericht stärkt Meinungsfreiheit
> Türkische Akademiker, die wegen Terrorpropaganda verurteilt wurden, sind
> mit Beschwerde erfolgreich. Das lässt auch Exilierte hoffen.
Bild: Unterstützerdemo für die wegen Terrorpropaganda angeklagten Akademiker …
Istanbul taz | Mit einem wegweisenden Urteil hat das türkische
Verfassungsgericht die Meinungsfreiheit gestärkt. Am Freitagabend gab es
bekannt, dass neun Akademiker, die 2016 einen berühmt gewordenen „Aufruf
zum Frieden“ unterzeichnet hatten, zu Unrecht wegen Terrorpropaganda
verurteilt worden waren.
Der Aufruf sei im Rahmen der Meinungsfreiheit legal gewesen. Damit gab das
Verfassungsgericht der Beschwerde der Akademiker statt und ordnete eine
erneute Verhandlung vor den zuständigen Gerichten und eine symbolische
Wiedergutmachung in Höhe von 1.500 Euro an.
Das Urteil hat für die gesamte Akademikerschaft in der Türkei eine große
Bedeutung. Der „Aufruf für den Frieden“ war von mehr als 2.000
AkademikerInnen unterschrieben worden, die deswegen alle in Schwierigkeiten
kamen. Weil die kurdische PKK damals ihren Krieg in diverse Städte im
Südosten des Landes getragen hatte, nannte Präsident Recep Tayyip Erdoğan
den Aufruf der Akademiker „Verrat“ und drohte, solche Wissenschaftler nicht
mehr an den Universitäten zu dulden.
Fast alle Unterzeichner verloren ihren Job. Nicht nur in den staatlichen
Universitäten folgte man der Weisung des Präsidenten, auch alle Privatunis
kündigten den AkademikerInnen. Gegen etliche von ihnen leitete die
Staatsanwaltschaft auch noch Strafverfahren ein.
## Luft zum Atmen
Bis jetzt wurden 203 Wissenschaftler, die das brutale Vorgehen der
türkischen Armee und polizeilichen Spezialkräften in den kurdischen Städten
angeprangert hatten, wegen „Terrorpropaganda“ verurteilt, gegen weitere 578
laufen Verfahren. Das Verfassungsgericht hat angekündigt, sein Urteil an
alle unteren Instanzen weiterzuleiten, um weitere Verurteilungen wegen
Terrorpropaganda zu verhindern.
„Damit ist höchstrichterlich festgestellt, dass der Einsatz für Frieden
kein Verbrechen ist“, stellte einer der beschwerdeführenden Anwälte, Arin
Gül Yeniaras, fest. „Das Urteil ist wie ein geöffnetes Fenster, das der
Gesellschaft wieder Luft zum Atmen verschafft.“ Alle Verfahren gegen die
Unterzeichner der Friedenserklärung müssten eingestellt und die
Verurteilten in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen werden.
Zudem hat das Verfassungsgericht klargestellt, dass die Wissenschaftler von
staatlichen Universitäten sich zu kontroversen Themen im Rahmen ihrer
Meinungsfreiheit äußern dürfen. Eine andere Frage ist, ob die entlassenen
AkademikerInnen auch ihren Job zurückbekommen. Aber das Urteil ist ein
Hoffnungsschimmer auch für diejenigen AkademikerInnen, die wegen der
Verfolgung die Türkei verlassen hatten.
28 Jul 2019
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Opposition in der Türkei
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Justiz
Recep Tayyip Erdoğan
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