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# taz.de -- Pressefreiheit in der Türkei: Erol Önderoğlu freigesprochen
> Angeblicher Terrorverdacht: Drei Jahre lang war das Verfahren gegen
> Journalist*innen und Aktivist*innen in der Schwebe.
Bild: Protest für die Freilassung der Verhafteten im Juni 2016
Istanbul taz | Ab und zu ist selbst die türkische Justiz noch für eine
Überraschung gut. Am Mittwochvormittag wurden der türkische Vertreter von
Reporter ohne Grenzen, Erol Önderoğlu, der Journalist und Autor Ahmet
Nesin, und die Professorin und Menschenrechtsaktivistin Şebnem Korur
Fincancı vom Vorwurf der Terrorpropaganda freigesprochen.
Die drei Angeklagten gehören zu einer größeren Gruppe prominenter
Journalisten, Autoren und Menschenrechtsaktivisten, die sich vor einigen
Jahren an einer Solidaritätskampagne für die mittlerweile verbotene
kurdische Tageszeitung Özgür Gündem beteiligt hatten. Weil Özgür Gündem
stark verfolgt wurde und nicht nur polizeilichen und staatsanwaltlichen
Repressionen ausgesetzt war, sondern auch mehrere Reporter der Zeitung
angegriffen und in einigen Fällen sogar ermordet worden waren, hatten
Prominente jeweils für einen Tag symbolisch die Chefredaktion der Zeitung
übernommen.
Während Önderoğlu, Nesin und Fincancı jetzt freigesprochen wurden, stehen
andere wegen desselben Vorwurfs noch immer vor Gericht oder sind bereits
verurteilt oder haben lange in Untersuchungshaft gesessen. Die bekannteste
von ihnen ist die Schriftstellerin Aslı Erdoğan, die sechs Monate in
U-Haft, davon eine Zeit in Isolationshaft, eingesperrt worden war, bevor
sie auf massiven internationalen Druck freigelassen wurde und nach Europa
ausreisen konnte. Aslı Erdoğan lebt und arbeitet jetzt in Frankfurt.
Erol Önderoğlu, Sebnem Fincancı und Ahmet Nesin waren ebenfalls kurzzeitig
in U-Haft, kamen aber wiederum nach heftigen internationalen Protesten bald
auf freien Fuß. Ihr Prozess begann im November 2016. Alle drei sind
bekannte Persönlichkeiten in der Türkei. Ahmet Nesin ist der jüngere Sohn
eines der bekanntesten türkischen Schriftstellers des 20. Jahrhunderts,
Aziz Nesin. Şebnem Korur Fincancı, Professorin für Pathologie an der
Universität Istanbul, ist Mitbegründerin der türkischen
Menschenrechtsstiftung und hat sich als Pathologin einen Namen gemacht,
weil sie Folteropfer untersucht und Folterspuren nachgewiesen hat.
## Opfer des Ausnahmezustands
Erol Önderoğlu ist der Türkeivertreter von Reporter ohne Grenzen und
gehörte damit jahrelang zu den engagiertesten Verfechtern der
Pressefreiheit in der Türkei. Schien er zunächst durch seinen Status als
Mitarbeiter der internationalen Organisation geschützt, wurde er nach dem
Putschversuch im Juli 2016 und dem anschließenden Ausnahmezustand, in dem
über 100 Medien geschlossen wurden, selbst angeklagt.
Alle drei jetzt freigesprochenen Angeklagten wurden damit Opfer der
Repression, die im Ausnahmezustand fast flächendeckend alle gegenüber der
Regierung Erdoğan kritischen Stimmen betraf. Hunderte Journalisten wurden
entlassen, über hundert festgenommen und meist wegen Terrorpropaganda
angeklagt. Neben kurdischen Journalisten betraf das vor allem Journalisten
von linken Medien wie Cumhuriyet oder Bir Gün und darüber hinaus alle
Journalisten, die in Gülen-Medien aktiv waren.
Dass Erol Önderoğlu, Şebnem Korur Fincancı und Ahmet Nesin jetzt
freigesprochen wurden, kann nach den Wahlsiegen der Opposition bei den
Kommunalwahlen als weiteres Zeichen dafür gewertet werden, dass sich die
Stimmung in der Türkei ändert und Erdoğan Allmacht allmählich schwindet.
17 Jul 2019
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
taz.gazete
Opposition in der Türkei
Schwerpunkt Türkei
taz.gazete
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