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# taz.de -- Hamburgs Handelsbeziehung zu China: Des Kaisers neue Straßen
> Hamburg soll zum Verkehrsknoten der Neue Seidenstraße werden. Die
> Chinesen nennen Hamburg „Han Bao“. Das bedeutet übersetzt: „Burg der
> Chinesen“.
Bild: Schon 2008 gastierte vor dem Hamburger Rathaus ein chinesischer Markt
Hamburg taz | „Wenn China hustet, kriegen wir eine Lungenentzündung“, sagt
Wolfgang Schwerdtfeger. Er weiß, wovon er spricht: 40 Jahre lang arbeitete
Schwerdtfeger im Hamburger Hafen, als Docker. Er hat noch Bananenstauden
von Hand verladen. Später war er Betriebsrat und hat mitbekommen, wie sich
der Hafen verändert hat.
Obwohl die Hansestadt durch die deutsche Vereinigung ihr traditionelles
Hinterland Polen, Tschechien, Russland zurückgewann, steigerte der Hafen
seine Abhängigkeit von China rasant: Im vergangenen Jahr wurden rund 2,6
Millionen Standardcontainer (TEU) im China-Verkehr umgeschlagen – jede
dritte Box kommt aus dem Reich der Mitte.
Noch vor 20 Jahren rangierte die Volksrepublik in den Handelsbeziehungen
unter „ferner liefen“. 2018 dagegen war China bereits zum dritten Mal in
Folge Deutschlands wichtigster Geschäftspartner: Waren im Wert von mehr als
100 Milliarden Euro wurden aus China nach Deutschland importiert – fast
doppelt so viel wie aus den Vereinigten Staaten.
Dabei dient Hamburg als Tor zum europäischen Markt. Mittlerweile haben sich
laut Handelskammer mehr als 550 chinesische Unternehmen vor Ort an der Elbe
angesiedelt; Pekings Generalkonsulat in Hamburg betreut neben Touristen
über 40.000 Landsleute in den nördlichen Bundesländern.
Und nun baut sich neben dem klassischen Seeweg eine weitere enge Verbindung
zwischen Hamburg und China auf: die „Neue Seidenstraße“. Chinas Präsident
Xi Jinping hatte bereits im Jahr 2013 in Peking seine Initiative
vorgestellt, die offiziell unter dem Schlagwort „One Belt, One Road“
firmiert: An die 1.000 Milliarden Euro will China in Häfen, Straßen und
Bahnstrecken investieren, um seine Handelsrouten auszubauen. Mehr als 60
Länder in Asien, Afrika und Europa sollen so verbunden werden. Je nach
Sichtweise wird die Neue Seidenstraße dann einmal in London oder in
Duisburg enden. Oder eben in Hamburg.
Die Neue Seidenstraße besteht nicht nur aus Verkehrswegen, entlang der
Routen sollen auch Fabriken und Logistikknoten gebaut werden. Die Aufträge
umfassen Kraftwerke, Staudämme und digitale Infrastruktur, Abermillionen
neuer Arbeitsplätze sollen entstehen. In den beteiligten Staaten leben zwei
Drittel der Weltbevölkerung. Der Plan ist „gigantisch“, bringt es HSBC auf
den Punkt, eine international agierende Großbank mit Wurzeln in Hongkong
und Sitz in London. HSBC wirbt deutschlandweit für die Neue Seidenstraße.
Hunderte Projekte laufen bereits. So haben chinesische Unternehmen seit
2013 über 40 Häfen in 34 Ländern gebaut, vielerorts mit eigenen Baukolonnen
sowie Zement und Stahl aus China. Chinesen managen Hafenanlagen in
Antwerpen, Rotterdam und Abu Dhabi. Und Cosco, eine Reederei aus Hamburgs
Partnerstadt Shanghai, hat den griechischen Hafen Piräus übernommen. Cosco
fährt Hamburg ebenfalls an, in der Hafencity steht die vom Architekten Hadi
Teherani entworfene Europazentrale, die offensichtlich an eine
Containerbrücke erinnern soll.
Die Kontrolle über die Terminals wie in Piräus garantiert, dass die Waren
aus China schnell in Europas Großstädte weitertransportiert werden.
Außerdem bleiben so die Hafengebühren niedrig. Das erhöht die
Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Produkte und setzt die Hafenbetreiber an
der Nordseeküste unter Druck.
Staatspräsident Xi und seine Planer denken strategisch – und agieren lokal,
bis hinein in die deutsche Provinz. Schon vor zwei Jahren besuchte eine
hochrangige Delegation aus der Millionenmetropole Guang’an Brunsbüttel und
Dithmarschen. In Anwesenheit des Landrates wurde ein „Memorandum“ über die
Zusammenarbeit beider Regionen unterschrieben.
Nicht allein Landräte hofieren die Wirtschaftsmacht. Als Chinas
Vize-Staatspräsident Wang Qishan im Mai Hamburg besuchte, zeigte sich
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) begeistert. Und der Hafenkonzern
HHLA will die Seidenstraßen-Initiative „unternehmerisch mitgestalten“, so
HHLA-Chefin Angela Titzrath.
Der Hamburger Hafen, der sich als führender Bahnhafen in Europa sieht,
setzt dabei auf den Ausbau der Zugverbindungen: Brauchen Container aus
China auf dem Seeweg bis zu acht Wochen, bis sie Hamburg erreichen, dauert
die Reise mit der Bahn nur zwei bis drei Wochen.
Mit der Bahn wurden im vergangenen Jahr bereits 120.000 Standardcontainer
zwischen Hamburg und China transportiert. 2027 sollen laut Hamburg Hafen
Marketing (HHM) jedes Jahr 670.000 TEU über die Eurasischen Bahnkorridore
gehen. Ein Großteil davon soll auf europäischer Seite in Hamburg landen –
darauf hofft allerdings auch Duisburg. Der weltweit größte Binnenhafen am
Rhein setzt ebenfalls auf die chinesische Karte.
Die Aussichten sind allerdings ungewiss. Zweistellige Wachstumsraten
dürften in China der Vergangenheit angehören, mit einer Rate von „nur“ 6,0
bis 6,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes wird in diesem Jahr noch
gerechnet. Die Steigerungsraten im Außenhandel dürften noch niedriger
ausfallen.
Präsident Xi will den Binnenmarkt stärken – auch, indem mehr vor Ort
produziert wird. Mehr als 700 Hamburger Unternehmen sind in der
Volksrepublik bereits aktiv. Volkswagen, der zweitgrößte Arbeitgeber im
Norden nach dem Hamburger Hafen, setzt mittlerweile mehr Autos in China ab
als in ganz Europa. Der Großteil davon wird in der Volksrepublik
produziert.
Henning Vöpel, Direktor des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts (HWWI),
kritisiert seit Längerem Wirtschaft und Politik in Hamburg wegen ihrer zu
starken Schwerpunktsetzung auf Hafen und Logistik. „Wir befinden uns in
einer strukturellen Vermögensillusion bei noch vollen Auftragsbüchern“,
sagt Vöpel. Auf den Übergang von der Industriegesellschaft zur digitalen
Wirtschaft sei man im Norden nicht überall gut vorbereitet.
So schätzt das HWWI das Standortrisiko angesichts vieler stark betroffener
Branchen und Geschäftsmodelle besonders für Hamburg hoch ein. Dennoch mache
es Sinn, sich „proaktiv“ mit dem Thema Seidenstraße zu beschäftigen und
sich „offen“ mit Chancen und Risiken auseinanderzusetzen.
Die Xi-Initiative berge politisch „enorme Gefahren für unsere Zukunft“,
warnt der neue Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel
Felbermayr. Europa müsse sich mit Geld und politischem Gestaltungswillen in
die Neue Seidenstraße einbringen, um eine Dominanz Chinas zu verhindern.
„Wer diesen Raum wirtschaftlich dominiert, beherrscht die Weltwirtschaft
der Zukunft“, schreibt Felbermayr. Sein Beitrag erschien im Juni – in der
China-Ausgabe des Magazins des Hamburger Hafens.
15 Aug 2019
## AUTOREN
Hermannus Pfeiffer
## TAGS
China
Seidenstraße
Handel
Hamburg
Schwerpunkt Klimawandel
Türkei
Mao Tsetung
China
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