# taz.de -- Küchenchef über Flugzeugessen: „Als hätte man einen Schnupfen�… | |
> Burkhard Weizsäcker sorgt dafür, dass im Flieger niemand hungrig bleibt. | |
> Die Gerichte passt er der Enge an Bord an – und dem Luftdruck in der | |
> Kabine. | |
Bild: Nicht höher als drei Zentimeter: Bordverpflegung in der Touristenklasse … | |
taz: Herr Weizsäcker, als Flugzeugkoch konzipieren Sie Gerichte für | |
Flugreisende. Wie ist das für Sie, wenn Sie selber fliegen? Immer ein Auge | |
auf die Kreationen der Konkurrenz? | |
Burkhard Weizsäcker: Ich interessiere mich auf Flügen eher für das | |
Verhalten der Passagiere als für das Essen an sich. Was kommt an, was wird | |
zuerst gegessen, wie wird es gegessen? Wird das Besteck benutzt oder die | |
Hände? Ich schaue mir das an und überlege: Was bringt dem Passagier am | |
meisten Spaß? | |
Am meisten Spaß bringt es wohl immer noch, wenn es lecker ist. Aber oft hat | |
Flugzeugessen nicht den besten Ruf. Sorgen die Bedingungen in der Luft | |
eigentlich für ein anderes Geschmackserlebnis? | |
Dafür haben wir Tests gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut durchgeführt. | |
Die belegen wissenschaftlich, dass aufgrund des im Flugzeug herrschenden | |
Niederdrucks die sogenannte Geruchs- und Geschmacksschwelle für Süßes und | |
Salziges steigt. Außerdem riecht man die Speisen und Getränke so, als hätte | |
man einen Schnupfen. | |
Und wie begegnen Sie dem im Küchenalltag? Einfach alles stärker würzen? | |
Einfach mehr Salz oder mehr Zucker hinzuzugeben reicht nicht aus. Gefragt | |
ist im Airline Catering ein nuanciertes Spiel mit den Gewürzen, damit die | |
Gerichte möglichst vielen Passagieren schmecken. Die Geschmacksschwelle von | |
Säuren bleibt übrigens unverändert, weshalb etwa Saucen auf der Basis von | |
Weißwein oder Zitrone schlechter ankommen. | |
Gibt es Zutaten, die bei der Entwicklung der Gerichte nicht infrage kommen? | |
So weit wie möglich verzichten wir auf Knoblauch oder verwenden ihn | |
allenfalls dezent dort, wo er einfach zum Gericht dazugehört. Auch Zwiebeln | |
werden nur dosiert eingesetzt. Das Gleiche gilt für Bohnen- und | |
Hülsenfrüchte. | |
Man kann sich die Gründe denken. | |
Es gibt aber auch kulturelle Eigenheiten zu berücksichtigen. Rindfleisch | |
geht zum Beispiel nicht in Richtung Indien, und Schweinefleisch kann nicht | |
auf Flügen in muslimische Regionen serviert werden. Umgekehrt ist dafür | |
Hühnchen ein gern verwendetes Fleisch, da es in diversen Kulturen großen | |
Anklang findet. | |
Was für dankbare Lebensmittel gibt es noch, mit denen man im Zweifel immer | |
arbeiten kann? | |
Pasta – auch weil sie oftmals vegetarisch konzipiert ist und so diese | |
Gruppe an Reisenden gleich mit abdeckt. Grundsätzlich sind alle | |
Gemüsesorten gut zu verarbeiten. Durch den Einsatz moderner Gartechniken | |
erhalten sie heute auch ihre Farbe und sehen dadurch auf den Tellern | |
ansprechend aus. Wichtig ist jedoch, dass die Crews an Bord die | |
Aufheizzeiten berücksichtigen. Wird das Menü zu stark gegart, gehen | |
Konsistenz und Farbgebung verloren. Ich persönlich mag besonders den weißen | |
Spargel, weil es ein besonders geschmackvolles Gemüse ist, das man | |
vielfältig darstellen kann, zum Beispiel gebraten, frittiert, in | |
Stangenform, als Mus, Suppe, Dessert. | |
Eine andere Limitierung für die Bordmahlzeiten ist der Platz. Die kommen ja | |
in diesen genormten Plastikboxen, die kleiner sind als normale Teller. | |
Bei der Menü-Entwicklung ist natürlich das Equipment zu beachten, das zur | |
Verfügung steht. Übrigens in allen drei Dimensionen, die Speisen dürfen | |
nämlich auf maximal drei Zentimetern Höhe angerichtet sein. Einzig in der | |
First Class können höhere Garnituren geplant werden, da dort noch durch die | |
Crew Handgriffe am Essen erfolgen. | |
Welchen Weg geht das Essen vom Herd bis auf das Tablett der Passagiere? | |
Die Mahlzeiten werden in direkter Airportnähe oder am Flughafen in einem | |
unserer rund 200 Betriebe weltweit gekocht und dann ausgeliefert. Im | |
Regelfall passiert das acht bis zwölf Stunden vor Abflug. Spätestens drei | |
Stunden vor Abflug ist die sogenannte Rampenbereitstellungszeit. Aufgrund | |
gesetzlicher und internationaler Richtlinien für Lebensmittelsicherheit | |
beim Airline Catering müssen alle Mahlzeiten vor der Bereitstellung auf | |
fünf Grad runtergekühlt werden. Im Durchschnitt ist das Essen fünf Stunden | |
gekühlt. | |
Flugzeugessen ist immer aufgewärmt? | |
Genau. Die Mahlzeiten werden in unseren Betrieben in mobile Ofeneinschübe | |
geparkt. Es sind auch unsere Belader, die diese dann in die Öfen der | |
Flugzeuge schieben, während sie am Flughafen stehen. Die Crew-Mitarbeiter | |
erhalten dabei die Informationen, bei welcher Temperatur sie die Essen wie | |
lange erhitzen müssen. Schließlich werden die Essen den Reisenden serviert. | |
Wie viele Gerichte werden bei der Lufthansa pro Monat und Jahr konzipiert? | |
Bei Lufthansa fliegen pro Jahr 80 verschiedene Menüs auf der Kurzstrecke | |
und 108 Menüs auf der Langstrecke mit. Wichtig ist dabei auch, ob auf der | |
Strecke zwei Mahlzeiten serviert werden – hier gilt es, Dopplungen von | |
Zutaten zu vermeiden. Ich arbeite an allen diesen Menüs mit. | |
Gibt es eine Art Rotation von ein paar Dutzend Gerichten, wo dann immer mal | |
welche ausgetauscht werden? | |
Die Wechsel der Menüs finden wöchentlich auf Kurzstrecke statt, bei | |
Langstrecke alle zwei Monate. Hinzu kommt standardmäßig ein Wechsel der | |
Menüs zum Sommer- und Winterflugplan. Saisonal bedingt gibt es bei | |
Lufthansa noch spezielle Menüs wie das Spargelmenü im Frühjahr oder die | |
Gans zur Weihnachtszeit. Für die regionalen Strecken – arabisch, | |
koreanisch, chinesisch, pakistanisch und so weiter – werden noch mal | |
gesondert Menüs entwickelt gemeinsam mit den Chefs der jeweiligen Region. | |
Generell werden alle zwei Jahre neue Menüs entwickelt für alle | |
Langstrecken. | |
Wie kann man sich hier die Zusammenarbeit zwischen den Köchen und Ihnen als | |
Menüdesigner vorstellen? | |
Die Menüs werden von unseren Produktentwicklern konzipiert, aber natürlich | |
in enger Abstimmung mit unseren Köchen und den Kollegen aus den Operations. | |
Wir produzieren große Stückzahlen, und von daher müssen die Essen auch in | |
der Massenfertigung funktionieren. In einer sogenannten Menüpräsentation | |
werden schließlich die Mahlzeiten gemeinsam mit unseren Kunden – den | |
Airlines – im Detail festgelegt. Da wird ganz genau austariert, wie viel | |
Gramm Erbsen, Kartoffelpüree, Fleisch und wie viele Milliliter Soße ein | |
Gericht haben wird. Schließlich muss ein Essen wie das andere aussehen. | |
Wie sind Sie eigentlich zum Flugzeugkoch geworden? | |
Durch einen früheren Arbeitskollegen bin ich mit dem Airline Catering in | |
Kontakt gekommen und habe dann geplant, mir das mal für ein Jahr | |
anzuschauen. Aus einem Jahr wurden mittlerweile 32 Jahre. Warum? Weil | |
Airline Catering so wahnsinnig abwechslungsreich, international und | |
interessant ist. Es bringt mir einfach viel Spaß. | |
24 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Juliane Reichert | |
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