# taz.de -- Kolumne So nicht: Das wird man ja noch fragen dürfen | |
> Wenn es um Israel geht, wird sprachlich aufgerüstet: McCarthyismus, | |
> Denkverbote, etc. Wo bleibt die Hysterie, wenn in Deutschland ein Nazi | |
> mordet? | |
Bild: Wo bleibt die Hysterie? | |
Seit die Menschheit sprechen kann, gibt es Probleme. Vor allem in der | |
Bezeichnung von Dingen und Denkmustern. Knapp 50.000 Jahre später sind die | |
Probleme in diesem Bereich nicht kleiner geworden: Wir pflanzen kleine | |
[1][Sterne in Wörtermitten], wir verwenden englische Abkürzungen für etwas, | |
was im Deutschen nach Kindergarten klingt und bevor wir einen Nazi Nazi | |
nennen, reicht kein Hakenkreuztatoo auf seinen Waden, er muss schon | |
[2][einen CDU-Politiker] ermordet haben. | |
Rechte sind häufig der Meinung, nicht rechts zu sein. Sie bezeichnen sich | |
allerhöchstens als „eher rechts“. Auf der diskriminierungssensiblen | |
Bezeichnungsliste müsste man sie also korrekterweise unter „Eherrechte“ | |
inventarisieren. Eherrechte zeichnet aus, dass sie der Meinung sind, ihre | |
Meinung nicht mehr sagen zu dürfen. | |
In der Regel meinen sie aber nicht Meinungen wie die, dass der Lohn zu | |
niedrig, die Miete zu hoch, der Geschlechtsverkehr schlecht und der | |
Autoverkehr gefährlich ist. Sie meinen in der Regel die Meinung, dass | |
Ausländer raus und Geflüchtete gar nicht erst rein sollten. | |
## Das Gespenst des McCarthy | |
Derzeit spricht auch ein Teil der Eherlinken – also vor allem jene, die | |
nicht Links genannt werden wollen, weil das nach verbrannten Autoreifen | |
riecht – eher so wie die Eherrechten. Sie sprechen von „Maulkorb“ (Jüdis… | |
Allgemeine) und „McCarthyismus“ (taz) und meinen, dass die Meinungen, die | |
die [3][Israel-Boykott-Bewegung BDS] vertritt, unterdrückt würden, von der | |
„israelischen Regierung und ihren publizistischen Helfern in Deutschland“ | |
(FAZ). Die Eherlinken sind der Meinung, es herrsche „Denkverbot“ | |
(Deutschlandfunk), „Kontaktschuld“ (Berliner Zeitung) und so was ähnliches | |
wie „Zensur“ (44 Wissenschaftler), gefühlt jedenfalls. | |
Auf allen Seiten wird um sprachliche Abrüstung geworben und hier | |
artikulieren sich Eherlinke plötzlich wie ein explodierendes | |
Atomwaffenarsenal. „Maulkorb“, „McCarthyismus“, fehlt noch Mummenschanz, | |
Machenschaften und Mischpoke und die Leute könnten denken, es ist Krieg. | |
Dabei sind Morgenduft, Malheur und Marotte doch viel schöner. | |
Es ist bemerkt worden, wie verhalten die Reaktionen seitens der CDU, aber | |
auch allüberall und wie vorsichtig die Ausdrucksweise war, als klar wurde, | |
was nicht sein darf: Nazis morden in Deutschland. Unter den Eherlinken war | |
dazu immer zu hören: „Wieso? Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich doch | |
geäußert?“ | |
## Todeslisten, von Nazis geführt | |
Es gibt in Deutschland keinen McCarthyismus, oder hat jemand die Schwarzen | |
Listen gesehen, die staatliche Behörden führen, um BDS-Versteher | |
auszuschalten? Und tagt der parlamentarischen Untersuchungsausschuss für | |
undeutsche Umtriebe im Untergrund oder warum ist davon nichts zu sehen. | |
Nein, das alles, was den McCarthyismus ausmachen würde, gibt es nicht. | |
Listen gibt es aber schon: [4][Todeslisten, von Nazis] geführt, um | |
Einwanderung und undeutsche Umtriebe zu stoppen. Walter Lübcke war einer | |
auf dieser Liste. Und immer noch hat man das Gefühl, dass dieses Land nicht | |
so richtig darüber sprechen will. Wo bleiben die Emotionen? | |
„Wir verurteilen die Tat aufs Schärfste und nehmen die Sorgen der Mitbürger | |
und Mitbürgerinnen ernst, die sich fragen, wie sicher sie in Deutschland | |
vor mordenden Nazis sind.“ Dieses Statement der Bundeskanzlerin hat es bis | |
heute nicht gegeben. | |
In einem Land, dass sich sofort in Hysterie versetzt, wenn es trouble im | |
Jüdischen Museum gibt, bleibt es nach einem Nazimord vergleichsweise cool. | |
Wo bleibt die Hysterie? Das wird man ja wohl nochmal fragen dürfen. | |
2 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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