| # taz.de -- Kolumne So nicht: Punkt ohne Wiederkehr | |
| > Das Komma wird zunehmend vom Punkt ersetzt. Dabei ist das Komma viel | |
| > serviceorientierter. Aber auch diese Kolumne muss mal einen Punkt machen. | |
| Bild: Vor lauter Punkten keinen Punkt mehr sehen | |
| Der Punkt ist ein treuer Geselle. Man kann sich auf ihn verlassen. | |
| Irgendwann kommt er immer, mitunter schneller, als man denken kann. Vor | |
| allem der erzählende Journalismus hierzulande ist auf den Punkt gekommen. | |
| Der Punkt. Ein Trend. Sicher. Neu ist er nicht. Es gibt ihn. Lange schon. | |
| Seit Satzzeichengedenken. | |
| Der Punkt lässt alles mit sich machen. Das Komma ist da viel strenger. Es | |
| lässt sich nicht so einfach hin und her schubsen und setzt sich auch nicht | |
| da hin, wo es ihm gerade passt. Es heischt nicht um Aufmerksamkeit. Es | |
| macht sich nicht unnötig wichtig. | |
| Das Komma ist eine zuvorkommende Servicekraft, eine Kellnerin, bei der man | |
| sich gerne mit einem hohen Trinkgeld bedankt. Der Punkt hingegen würde sich | |
| auch bei „Deutschland sucht den Superstar“ bewerben. Ihm geht es nur um | |
| Aufmerksamkeit. | |
| ## Punktierte Texte | |
| Die erzählenden Texte jedenfalls werden immer punktierter. Wahllos | |
| ausgewähltes Beispiel: | |
| „Zweites Date. Restaurant. Wein. Fisch. Lachen. Kerzen. Eigentlich ein | |
| schöner Abend. Bis etwas aufleuchtet. Erst einmal. Dann noch einmal.“ | |
| Warum bloß stehen hier lauter Punkte, wo auch Kommas stehen könnten? | |
| Das Mittel, mit dem hier offenbar Spannung erzeugt werden soll, ist nicht | |
| das von Raymond Chandler, nicht mal das von „Homeland“. Die Spannung, die | |
| erzeugt wird, erinnert an die Spannung, die Deutschland seit Jahrzehnten | |
| Sonntagabend zwischen 20.15 und 21.54 Uhr in Schockstarre versetzt. | |
| Schnelle Schnitte und sprunghaftes Erzählen sollen für Thrill sorgen. | |
| Jetzt stehen also absatzweise einzelne Wörter in verwüsteten Textgegenden. | |
| Einwortsätze. Defekte Sätze. Es sind Sätze, die so aussehen, als würde | |
| ihnen etwas fehlen, und die man immer fragen will, ob alles okay ist oder | |
| sie Hilfe brauchen. | |
| Ein paar schnelle Schnitte aber machen noch keine gute Story. Und oft | |
| scheint die maximale Anzahl von Punkten, dieser so aufdringlich | |
| ausgestellte Formwille, häufig nur den Mangel an zu Erzählendem zu | |
| kaschieren. | |
| ## Punktabzug | |
| Punktabzug gibt es hingegen in den sozialen Medien. Hier ist der Punkt vom | |
| Aussterben bedroht und es findet sich trotzdem keine Lobbygruppe, | |
| Spendenaktion oder Fanpage für ihn. | |
| Der Punkt gilt in sozialen Medien als „ein Akt psychologischer Kriegführung | |
| gegen die eigenen Freunde“, sagt eine Studie. Der Punkt wird als | |
| Beleidigung aufgefasst, weil seine Eigenschaft als abweisend empfunden | |
| wird. | |
| Das mag daran liegen, dass man in diesem Diskursraum nicht so gern einen | |
| Punkt macht. Die Abwesenheit des Schlusspunkts suggeriert, dass es | |
| weitergeht, dass hier Platz für Diskussion, noch längst nicht alles gesagt | |
| ist. | |
| Diese Kolumne ist an einen Punkt gekommen, wo sie einen Punkt machen muss. | |
| Es ist ein Point of no Return. Ich bedanke mich für vier Jahre punktuelle | |
| Aufmerksamkeit mit einem dreifach donnernden: . | |
| 15 Aug 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Doris Akrap | |
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