# taz.de -- Kolumne So nicht: Untergang ist für Oma und Opa | |
> Schweigen, brutal langes Schweigen: Das erntet, wer SchülerInnen fragt, | |
> welche gedruckte Zeitung sie lesen. Aber ist das wirklich schlimm | |
> (zwinker)? | |
Bild: Mit diesem Papier können SchülerInnen noch gut umgehen – wenn es denn… | |
Wenn es stimmt, dass die bislang amtierenden Volksparteien zumindest | |
vorläufig an ihr Ende kommen, dann tun es die bislang überregional | |
erscheinenden Zeitungen mindestens genauso. Die Verkaufszahlen sind | |
bekannt. Einen weiteren Beweis lieferten kürzlich 20 Schülerinnen und | |
Schüler einer 10. Klasse eines hessischen Gymnasiums. In einem Workshop für | |
journalistisches Arbeiten fragte ich sie, wer von ihnen Zeitung lese. | |
Schweigen, brutal lang. | |
Im Laufe der vier Stunden verrieten dann zwei, dass sie über ihre App SQUID | |
Nachrichten zugespielt bekommen, eine weitere, dass sie auf SpOn klickt, | |
und noch eine andere nannte Google News als Quelle für ihre politischen | |
Informationen. | |
Im praktischen Teil des Workshops machte ich die Teilnehmer und | |
Teilnehmerinnen mit dem Produkt Zeitung bekannt. Allein, dass man enorme | |
technische Probleme habe, „so was“ zu lesen, erschien einigen derart | |
absurd, dass sie schon wegen Unhandlichkeit für die Abschaffung von „so | |
was“ plädierten. Die von Schuljahresendfeiern erschöpften | |
Workshopteilnehmer erzählten, dass sie schon auch mal einen Blick in „so | |
was“ reinwerfen, wenn sich denn die Gelegenheit ergebe. Wann und wo? „Wenn | |
ich bei Oma und Opa bin.“ | |
Zeitung also ist für die demnächst volljährig Werdenden das, was „bei Oma | |
und Opa rumliegt“. So wie Oma und Opa CDU, CSU, SPD oder FDP wählen. Man | |
mag es keine neue Erkenntnis finden. „Oma und Opa“ traf mich trotzdem – u… | |
die Sache auf den Punkt. Die Schüler und Schülerinnen wussten nämlich | |
genauso gut, wer Strache, wer AKK und wer Rezo ist, sie vermochten die | |
Texte, die sie in meinen Omaheftchen gelesen hatten, präzise | |
zusammenzufassen, konnten die sprachlichen Mittel als „rhetorische Figur“, | |
„[1][Aposiopese]“ und „Metonymie“ analysieren, die Verkaufsstrategie ei… | |
Überschrift durchschauen und auf die Frage des Lehrers „Dich interessiert | |
das hier alles überhaupt nicht, oder?“ mit „Stimmt!“ antworten. | |
## Lehrer fordert Grenzüberschreitungen | |
Was mich am meisten beeindruckte, waren die Haltungen zu Fridays for | |
Future. Niemand aus der Klasse hatte je daran teilgenommen. Einige, weil | |
sie auf die Erlaubnis der Schulleitung warteten. Der Lehrer zeigte sich | |
empört und forderte Grenzüberschreitungen. | |
Einige andere sagten, sie wollten die Demos nicht unterstützen. Ihr | |
Vorwurf: Viele Demonstranten würden sich von den Eltern im SUV zur Demo | |
bringen und wieder abholen lassen und gar nicht wissen, was ihre | |
Demosprüche konkret bedeuteten. „Das E-Auto ist nämlich auch keine Lösung�… | |
sagte eine der Schülerinnen, die gerne Meeresbiologin werden will. | |
Ich fand’s gut. Denn so wie der Journalismus überleben wird (wenn auch | |
nicht als gedruckte Zeitung), so wenig wird es die Apokalypse geben. | |
Jedenfalls vorläufig. Um beides muss man sich eben kümmern. Das ist aber | |
auch schon länger bekannt. So wie Untergangsszenarien auch schon immer was | |
für Oma und Opa waren. | |
11 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Aposiopese | |
## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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