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# taz.de -- Staatsoberhaupt von Tunesien: Beji Caid Essebsi ist tot
> Der Tod des 92-jährigen Caid Essebsi stürzt das Vorzeigeland des
> Arabischen Frühlings in Turbulenzen. Dort stehen Präsidentschaftswahlen
> an.
Bild: Beji Caid Essebsi beim Besuch im Schloss Bellevue in Berlin im Oktober 20…
TUNIS taz | Der tunesische Präsident Béji Caïd Essebsi ist am Donnerstag,
dem tunesischen Unabhängigkeitstag, im Militärkrankenhaus von Tunis
gestorben. Sein Tod gefährdet die fragile Stabilität des einzigen Landes,
[1][in dem der Arabische Frühling zu einem demokratischen System geführt
hat].
Der 92-Jährige – ältestes Staatsoberhaupt der Welt mit Ausnahme der
britischen Queen – war schon länger krank gewesen. Nach Angaben seines
Sohns Hafedh, der den Tod seines Vaters auf Facebook vermeldete, wurde er
nach einer erneuten Verschlechterung seines Zustands in die Notfallstation
des Militärkrankenhauses von Tunis eingeliefert, in der er bereits Ende
Juni eine Woche verbracht hatte. Damals hatten schon mehrere Medien
fälschlicherweise den Tod des Präsidenten gemeldet, nachdem der Pressestab
des Präsdidentenpalasts mehr als zwei Tage lang geschwiegen hatte.
Essebsi war 2014 zum Staatsoberhaupt Tunesiens gewählt worden. Er hatte zu
diesen Wahlen die ehemalige Staatspartei RCD des 2011 durch einen
Volksaufstand gestürzten Diktators Ben Ali unter den Namen Nidaa Tounis neu
gegründet, und ihr Wahlsieg setzte mehreren Jahren instabiler
Regierungszeit unter maßgeblicher Beteiligung der gemäßigt-islamistischen
Ennahda ein Ende.
Für manche seiner Kritiker verkörperte Essebsi auch eine Restauration des
alten Regimes: Unter dem Vater der tunesischen Unabhängigkeit, Habib
Bourguiba, war er nacheinander Innen-, Außen- und Verteidigungsminister
gewesen, unter dessen Nachfolger zeitweise Parlamentspräsident. Nach Ben
Alis Sturz im Arabischen Frühling hatte er als Übergangspremier die ersten
freien Wahlen 2011 organisiert.
## Wahlen müssen vorgezogen werden
Essebsis Amtszeit war schon fast abgelaufen. Im Frühjahr waren die nächsten
Parlamentswahlen für den 6. Oktober und die Neuwahl des Präsidenten für den
17. November angesetzt worden. Nun führt laut Verfassung
Parlamentspräsident Mohamed Ennaceur die Geschäfte – allerdings für
höchstens 90 Tage, womit die Wahlen vorgezogen werden müssen.
Der 85-jährige Ennaceur, ein Parteifreund von Essebsi, gilt nach einem
Schlaganfall als gesundheitlich angeschlagen. Das größte Problem aber: Die
Vakanz der Staatsmacht, die die Machtübernahme durch den
Parlamentspräsidenten ermöglicht, muss vom Verfassungsgericht festgestellt
werden – und dieses Gericht gibt es acht Jahre nach dem Arabischen Frühling
immer noch nicht.
Als Rivale Ennaceurs gilt Premierminister Youssef Chahed, der auch schon
als Favorit für die Präsidentenwahl gehandelt worden ist. Essebsi wäre
sowieso nicht mehr angetreten. Der 46-jährige Chahed hatte nach einem
Streit mit Essebsis Sohn Nida Tounis verlassen und eine eigene Partei
gegründet. Essebsi hatte Chahed für dessen Kooperation mit der Ennahda
kritisiert.
Präsident Essebsi hatte Ende letzten Jahres die Ergebnisse der
Expertenkommission „Colibe“ dem Parlament vorgelegt, mit der die
Entkriminalisierung von Homosexualität und die Gleichstellung von Frauen im
Erbschaftsrecht eingeführt werden sollte. Beide Vorschläge wurden aber von
den Abgeordneten der Ennahda gestoppt.
## Viele Probleme bleiben ungelöst
Ein ungelöstes Problem ist auch, dass mehrere Präsidentschaftsanwärter
durch ein Parlamentsdekret gegen Quereinsteiger von der Wahl ausgeschlossen
worden sind. Am härtesten trifft das Medienmogul Nabil Karoui, Besitzer des
TV-Senders Nessma und in den Umfragen führend – er wäre der größte Rivale
Chaheds bei den Wahlen.
Karoui will gerichtlich gegen seinen Ausschluss vorgehen. Da Essebsi eine
im Juni eingebrachte Änderung des Wahlgesetzes noch nicht unterschrieben
hat, ist dieses Verfahren in der Schwebe. Dazu kommt, dass Karoui selbst
mit Gerichtsverfahren überzogen worden ist. Auch hier rächt sich nun, dass
sich die beiden großen Konkurrenten Nida Tounis und Ennahda nicht auf die
Modalitäten des Verfassungsgerichts einigen konnten.
25 Jul 2019
## LINKS
[1] /Kommunalwahl-in-Tunesien/!5503208/
## AUTOREN
Mirco Keilberth
## TAGS
Tunesien
Zehn Jahre Arabischer Frühling
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Reihen.
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