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# taz.de -- Dokumentarfilm über Gesichtserkennung: Überwachung am Südkreuz
> Gerd Conradts Dokumentarfilm „Face_It!“ umkreist die digitale
> Gesichtserkennung. Doch er hat inhaltliche Mängel und selbstreferenzielle
> Spielereien.
Bild: Die Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär, darf sich erkl�…
Das menschliche Gesicht ist der öffentlichste Teil unseres Körpers, gilt
aber auch als genuiner und einzigartiger Ausdruck der intimsten
Persönlichkeit. In der europäischen Kunstgeschichte hat sich dies in der
Entwicklung des Porträts niedergeschlagen. In der Geschichte der
Kriminalistik im Duo von Steckbrief und Vermummungsgebot.
Seit einiger Zeit wird das eigene Konterfei in YouTube-Auftritten und
Selfies auch kräftig selbst vermarktet. Und die biometrische
Gesichtserkennung setzt neue Standards der Überwachung: bei Kunden, deren
sichtbare Gefühlsregungen im Warenüberangebot mit der Kamera registriert
und gedeutet werden. Oder bei der eindeutigen Identifizierung von Personen
etwa als Sicherheitsfeature bei Internetgeschäften oder zur Grundlage
polizeilicher Ermittlungen.
Kontroverse Aufmerksamkeit in Berlin bekam in diesem Kontext ein
Pilotprojekt der Deutschen Bahn mit BKA und Bundespolizei, das ab Herbst
2017 am Bahnhof Südkreuz mit 300 freiwilligen Probanden [1][ein halbes Jahr
lang digitale Gesichtserkennung testete]. Zu den aufmerksamen Beobachtern
gehörte auch der Filmemacher Gerhard Conradt, der das Projekt dann als
Anregung und Anlass für seinen Dokumentarfilm zum „Gesicht im Zeitalter des
Digitalismus“ nahm.
Darin montiert der mittlerweile fast 80-jährige Regisseur („Starbuck –
Holger Meins“, 2001) Aufnahmen lokaler Protestaktionen am Bahnhof mit
eigenen – zum Teil in eine Waldumgebung gesetzten – mahnenden Statements
und dokuüblichen Gesprächen mit Künstlern, Praktikern, einer Politikerin
und einer Wissenschaftlerin. Denen werden die Statements anderer
Beteiligter oder künstlerische Arbeiten verschiedener Medien meist auf
einem Screen als Gesprächsgrundlage vorgelegt.
Mit dabei sind unter anderem der Medienkünstler und ZKM-Leiter Peter
Weibel, die Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär, und die
emeritierte Kulturwissenschaftlerin Sigrid Weigel, die 2017 die große
Ausstellung „Das Gesicht – Eine Spurensuche“ im Dresdener Hygienemuseum
kuratiert hatte.
## Umwege über Kunstwerke
Sigrid Weigel hat – mit sehr erhellenden Ausflügen in die Geschichte –
Kluges zum Thema zu sagen. Doch bei vielen der anderen Gesprächspartner
stehen die zu besprechenden Kunstwerke der Erkenntnis eher im Weg als sie
zu befeuern, etwa wenn Weibel wortreich (und intonatorisch oft kaum
verständlich) einen eigenen Kurzfilm interpretiert. Und wenn fünf Minuten
lang mit verteilten Rollen über einen Animationsfilm von Ed Emshwiller frei
assoziiert wird, kommt das wie das Brainstorming einer gymnasialen
Kunststunde daher.
Auch Holger Kunzmann, Trainingsleiter der deutschen Sektion des
Gesichtserkennungs-Dienstleisters Peter Ekman Group, erklärt uns statt der
wissenswerten Geschäftsfelder der Firma ausgiebig Psycho-Banalitäten („Der
Mensch ist überrascht, in dem Moment, wenn er mit etwas konfrontiert wird,
das ihm unbekannt ist“).
Über all diese inhaltlichen Mängel des Films helfen die
selbstreferenziellen Spielereien der Inszenierung nicht hinweg, ja, sie
wirken oft so selbstverliebt wie der manierierte Titel „Face_It!“ selbst.
Dazu wirkt Conradts fast manische Fixierung auf das Südkreuz provinziell,
schließlich weiß auch er, dass andernorts auf der Erde – China wird im Film
öfter genannt, [2][London merkwürdigerweise nicht] – flächendeckende
Videoüberwachung längst die Regel ist.
So bleibt vor allem Enttäuschung über die schwache Umsetzung eines
wichtigen und interessanten Themas. Zum Trost gib es ein Schmökerstündchen
mit dem hervorragenden Begleitkatalog der Dresdener Ausstellung.
25 Jul 2019
## LINKS
[1] /Video-Ueberwachung-am-Suedkreuz/!5607914
[2] /Gesichtserkennung-in-England/!5602459
## AUTOREN
Silvia Hallensleben
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
Gesichtserkennung
Dokumentarfilm
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Digitalisierung
Kameras
Militär
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Datenschutz
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