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# taz.de -- Gesetze fürs Internet: Facebook ruft nach Mama Staat
> Wenn Facebook selbst Regulierung fordert, muss man argwöhnisch werden.
> Oder man versucht zu verstehen, was dahintersteckt.
Bild: Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sagt: Es muss mehr Regulierung im Inter…
Nick Clegg war mal britischer Vizepremierminister, heute ist er
Kommunikationschef von [1][Facebook]. Neulich hat der liberale Politiker,
dessen Titel offiziell „Vice President of Global Affairs and
Communications“ heißt, in Berlin gesprochen und dabei etwas Erstaunliches
gesagt. In der Privathochschule Hertie School of Governance sagte Clegg im
Juni den Satz: „Facebook will reguliert werden.“
Das mag stutzig machen, ausgesprochen von einem – man könnte sagen –
obersten Lobbyisten eines Unternehmens, dass sich bislang weitgehend
erfolgreich jeglicher staatlichen Regulierung entzieht. Kurz zuvor hatte
sich auch schon Facebook-Chef Mark Zuckerberg in eine ähnliche Richtung
geäußert. In einem Gastbeitrag vom April, den Zuckerberg unter anderem in
der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und in der Washington Post
veröffentlichte, appellierte der Gründer: Er sei davon überzeugt, „dass
anstelle nationaler Regulierungen ein gemeinsamer globaler Rahmen
notwendig“ sei, um eine Fragmentierung des Internets zu verhindern. Nick
Clegg wurde in Berlin konkreter, forderte klare Regeln durch nationale
Regierungen und konnte sich sogar eine [2][Digitalsteuer] vorstellen.
Was ist da los? Facebook, die Plattform, die eine Art virtueller
öffentlicher Raum für rund ein Drittel der Weltbevölkerung ist, die aber
trotzdem weitgehend außerhalb von staatlich regulierten Territorien
existiert. Dieser Konzern, der sich nie hat reinreden lassen, der selbst
entscheidet, was gesagt werden darf, was Privatsphäre ist und wo die
Grenzen des Persönlichkeitsrechts liegen. Der mehr Daten erhebt als jeder
Zensus, diese aber nicht herausrückt. Der jetzt sogar vorbei an allen
Zentralbanken die [3][Digitalwährung Libra] aufbauen will – dieses Facebook
schreit also nach staatlicher Regulierung?
In der Politik ist man argwöhnisch gegenüber dieser „Charme-Offensive“, w…
Linken-Parteivorsitzende Katja Kipping die aktuelle Volte von Facebook
nennt. Im Gespräch mit der taz sagt Kipping, die Vorschläge seien Teil
einer Kampagne, „die eine ernsthafte Begrenzung von Facebooks Monopolmacht
verhindern soll“. Kipping, die sich schwerpunktmäßig mit Digitalisierung
beschäftigt, warnt vor den Bestrebungen des Konzerns, staatliche
Daseinsvorsorge an sich zu reißen. Die Währung Libra etwa. Die solle durch
„kurz laufende Staatsanleihen gedeckt werden. Das bedeutet, dass Facebook
schnell zu einem der größten Gläubiger einiger Staaten werden könnte.“
## Regulierungen werden unausweichliche Realität
Also alles nur ein Ablenkungsmanöver? Nicht ganz, findet Philipp Staab,
Professor für „Soziologie der Zukunft der Arbeit“ an der
Humboldt-Universität in Berlin. Staab beschäftigt sich mit
Technikforschung, Digitalisierung und Arbeitssoziologie. Er hält den Wandel
bei Facebook insofern für glaubwürdig, als der Konzern sich klare Regeln
wünsche. „Das würde Ruhe ins Geschäft bringen und damit auch der
Weiterentwicklung des Unternehmens größere Planbarkeit ermöglichen.“
Denn Regulierung wird allmählich unausweichliche Realität. Wo die
Regierungen lange eher hilflos zugesehen und mit den Schultern gezuckt
haben, wenn es um Facebook ging, hat sich die Plattformökonomie
klammheimlich zu einem politischen Kampfthema entwickelt. [4][Das
US-Justizministerium will Facebook, Amazon und andere daraufhin überprüfen,
ob sie den Wettbewerb verzerren]. Manche erkennen dahinter einen Angriff
Donald Trumps, dem der politische Einfluss von Tech-CEOs wie Amazon-Chef
Jeff Bezos nicht schmeckt. Aus dem linken US-Spektrum wird derweil
gefordert, Konzerne wie Facebook zu zerschlagen, da sie eine
Monopolstellung innehätten. Präsidentschaftskandidatin [5][Elisabeth
Warren] ist eine prominente Stimme, die dies fordert.
Und auch bei der Europäischen Union steht Regulierung auf der To-do-Liste.
Ursula von der Leyen hat in ihrer Antrittsrede vor dem EU-Parlament
versprochen, Internetkonzerne fair zu besteuern (fair aus deren Sicht oder
fair aus Sicht der Europäer*innen, das ist zunächst unklar). Und weniger
Tage später hat das Portal netzpolitik.org ein Arbeitspapier der
EU-Kommission geleakt, in dem von einer Regulierungsbehörde die Rede ist,
die dort ein bisschen neunzigermäßig „Joint Cyber Unit“ genannt wird.
Die Kommission äußert sich nicht zu dem Papier, es ist aber klar, dass sich
langsam eine regulatorische Umarmung um Facebook zu schließen droht. Und
da will der Konzern lieber aktiv mitgestalten, als nur zuzusehen. Das
Ergebnis dieser Lobbyarbeit, eine Europäische Richtlinie, dürfte Facebook
lieber sein als die unberechenbaren Vorstöße eines Donald Trump oder die
Zerschlagungsfantasien der US-Linken.
## 5 Milliarden US-Dollar Strafzahlung
Dazu kommt, dass Facebook gebeutelt ist von den Sorgen der letzten Jahre.
Der Skandal rund um den [6][Datenmissbrauch von 87 Millionen
Facebook-Nutzer*innen durch die Analysefirma Cambridge Analytica] ist noch
nicht endgültig aufgeklärt – eine Strafzahlung von 5 Milliarden US-Dollar,
die die Aufsichtsbehörde FTC kürzlich in Form eines Vergleichs angesetzt
hat, hat Facebook nach Informationen der Agentur Reuters offenbar jetzt
akzeptiert. Ebenso gibt es andauernde Versuche, über Facebook Einfluss auf
Wahlen zu nehmen.
Und obendrein verliert es als reines soziales Medium an Bedeutung.
„Facebook ist im Nachteil gegenüber anderen Leitunternehmen der
Digitalisierung. Nicht nur wegen der öffentlichen Skandale, sondern auch,
weil die Firma im Vergleich wenig neue Ideen und Produkte bietet“, so der
Soziologe Staab. Mit großen Plänen wie der Digitalwährung oder dem
Identifizieren von Personen via Facebook-Account, will sich der Konzern aus
dem Loch holen. Das sind aber keinesfalls automatische Erfolgsgeschichten.
Es sind unternehmerische Wagnisse, für die der Konzern Planungssicherheit
braucht.
Wie also umgehen mit dem neuen, regulierungsfreundlichen Facebook? Dieter
Janecek, Grünen-Digitalexperte findet, es sei völlig egal, ob Facebook
reguliert werden wolle oder nicht. Janecek ist „Sprecher für digitale
Wirtschaft und digitale Transformation“ der Grünen-Fraktion im Bundestag.
„Der richtige Rahmen, um solche globalen Monopolisten gesellschaftlich
einzuhegen, ist eine entsprechend klare und wirksame Neugestaltung der
Spielregeln im EU-Binnenmarkt“, sagt Janecek der taz. „Ein dringend nötiges
Update im Steuerrecht, Verbraucherschutz (ePrivacy) und im
Wettbewerbsrecht, um endlich den Wirklichkeiten und Besonderheiten der
digitalen Plattformökonomie angemessen begegnen zu können.“
Die Linken-Politikerin Katja Kipping sagt: „Was wir eigentlich bräuchten,
wäre eine deutlich Verschärfung des Kartellrechts, das die Marktmacht der
großen Digitalplattformen angemessen berücksichtigt. Darüber hinaus
bräuchte es endlich eine konsequente Rechtsdurchsetzung und eine
angemessene Besteuerung der Digitalkonzerne.“ Wie das dann konkret
aussieht, das werden womöglich nun Ursula von der Leyen und die Kommission
gemeinsam mit dem Facebook-Lobbyisten wie Nick Clegg aushandeln.
24 Jul 2019
## LINKS
[1] /!t5009279/
[2] /Paris-fuehrt-Digitalsteuer-ein/!5606487
[3] /Kryptowaehrung-von-Facebook/!5601948
[4] https://www.golem.de/news/wettbewerb-us-regierung-ermittelt-gegen-amazon-fa…
[5] /Vorwahlkampf-in-den-USA/!5602465
[6] /Datenschutz-Skandal-bei-Facebook/!5611890
## AUTOREN
Christopher Wimmer
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