# taz.de -- Karlsruher Urteil zur Schmähkritik: Ein Recht auf Wut | |
> Das Bundesverfassungsgericht betont die Meinungsfreiheit. Es ist seine | |
> Aufgabe, die Rechte des Einzelnen zu verteidigen. Wer schimpft, schießt | |
> nicht. | |
Bild: Das höchste Gericht schützt auch wütende Menschen | |
Es ist fast Konsens: Der politische Diskurs in Deutschland ist verroht. | |
Maßlose Diffamierung politisch Andersdenkender hat die sachliche Diskussion | |
verdrängt. Angriffe auf Politiker bis zum Mord am Kasseler | |
Regierungspräsidenten Walter Lübcke scheinen da fast schon die logische | |
Folge. | |
Und was macht das Bundesverfassungsgericht in dieser Lage? Es betont die | |
Meinungsfreiheit, [1][die auch das Recht auf polemische Zuspitzung | |
umfasse]. Es verhindert, dass verletzende Äußerungen automatisch als | |
verbotene Schmähkritik eingestuft werden. Und es betont, dass die scharfe | |
Kritik an staatlichen Maßnahmen vom Grundgesetz besonders geschützt ist. | |
Die Karlsruher Richter schwimmen offensichtlich gegen den Strom, und das | |
ist gut so. Es ist ihre Aufgabe, die Rechte des Einzelnen zu verteidigen, | |
wenn der politische Mainstream zu restriktiv zu werden droht. Die | |
Meinungsfreiheit dient nicht nur dem gesellschaftlichen Diskurs. Sie | |
schützt auch die menschliche Emotionalität. Wer sich aufregt, darf auch | |
übertreiben. Es gibt ein Recht auf Wut, das vor staatlicher Strafe schützt. | |
Damit fällt das Gericht bedrohten Politikern und Aktivisten nicht in den | |
Rücken. Im Gegenteil. Eine möglichst freie Diskussion kann auch | |
kathartische Wirkung haben. Nicht jede überzogene Tirade befeuert | |
politische Gewalt. In der Regel gilt doch: Wer schimpft, schießt nicht. | |
Doch was für den Staat gilt, muss nicht automatisch für private Foren | |
gelten. Es ist ein legitimes Anliegen, auch Räume ohne Hass und | |
Beschimpfungen zu schaffen und zu erhalten. Es muss auch Foren geben, in | |
denen die Lauten und Aggressiven nicht die Leisen und Differenzierten | |
verdrängen. Es ist keine Verletzung der Meinungsfreiheit, wenn Private in | |
ihrem Bereich einen sachlichen Diskurs einfordern. Und ja, das gilt auch im | |
Internet. | |
Erst wenn ein Forum quasi ein Monopol besitzt, muss es – wie der Staat – | |
möglichst freie Diskussionen zulassen. Aber wer hat schon ein Monopol auf | |
den politischen Diskurs? Facebook wohl kaum. | |
24 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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