# taz.de -- Regierungsbildung in Spanien: Gelingt die historische Koalition? | |
> Seit den 1930ern war in Madrid keine Partei links der Sozialisten mehr an | |
> einer Regierung beteiligt. Doch Premier Sánchez ist auf Podemos | |
> angewiesen. | |
Bild: Sanchez will einiges ändern. Ob er die Macht dazu bekommen wird, ist nic… | |
Madrid taz | „Veränderungen, um voranzuschreiten“, heißt das Motto, unter | |
das der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez seine Rede zur Wiederwahl | |
vor dem Parlament stellte. Der 47-jährige Sozialist stellte am Montag ein | |
Regierungsprogramm vor, das unter anderem mehr Rechte für prekäre | |
Arbeitnehmer, mehr Gleichheit für Frauen, mehr Einkünfte für Rentner, eine | |
entschlossene Umwelt- und Klimapolitik sowie eine Energiewende verspricht. | |
Das Ganze hat nur einen Haken: Sánchez will sich am Dienstag im Amt | |
bestätigen lassen, die dafür erforderlichen Stimmen im Parlament hat er | |
aber noch nicht zusammen. Sánchez’ Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) war | |
Ende April [1][als stärkste Kraft aus den vorgezogenen Neuwahlen | |
hervorgegangen], hatte die absolute Mehrheit aber deutlich verpasst. | |
Während der Ministerpräsident redete, tagte hinter verschlossenen Türen | |
eine Delegation seiner PSOE [2][mit den linksalternativen Unidas Podemos | |
(UP)], um förmlich in der Nachspielzeit einen Koalitionsvertrag | |
auszuhandeln. | |
Die Sozialisten brauchen einen Bündnispartner, denn die PSOE verfügt nur | |
über 123 der 350 Abgeordneten im spanischen Parlament. Da [3][die | |
rechtsliberalen Ciudadanos (Cs)] eine Unterstützung von Sánchez strikt | |
ablehnen, bleibt nur UP. Und mit denen wollte Sánchez bis zum Schluss keine | |
Koalition. Er sprach von einer „rein sozialistischen Regierung“ die mit UP | |
ein Programm aushandeln, aber keine UP-Minister aufnehmen sollte. UP-Chef | |
Pablo Iglesias hingegen bestand auf eine Koalitionsregierung, in deren | |
Kabinett er zunächst selbst sitzen wollte. | |
## Rücktritt mit Forderungen | |
Alles sah nach Blockade und Neuwahlen im November aus – bis am Freitag | |
Iglesias überraschend darauf verzichtete, im Kabinett vertreten zu sein. | |
„Spanien braucht eine linke Koalitionsregierung, die soziale Rechte zum | |
zentralen Anliegen der Regierung macht. Die PSOE sagt, dass ich das einzige | |
Hindernis bin, das eine solche Regierung verhindert. Ich werde nicht die | |
Ausrede dafür sein, dass die PSOE eine solche Koalitionsregierung ablehnt“, | |
erklärte Iglesias in einem in sozialen Netzwerken veröffentlichten Video. | |
Allerdings kündigte er auch an, keine weiteren Vetos akzeptieren zu wollen. | |
Iglesias verlangte eine Koalition, die entsprechend der Wählerstimmen | |
besetzt ist. Das wären fünf UP-MinisterInnen im neuen Kabinett. | |
Mit den 42 Abgeordneten von UP und dem Vertreter einer kleinen | |
Regionalpartei aus dem nordwestspanischen Kantabrien hätte Sánchez dann 166 | |
Stimmen auf seiner Seite. Zwar reicht das im ersten Wahlgang am Dienstag | |
nicht für die absolute Mehrheit. | |
Im zweiten Wahlgang 48 Stunden später reicht aber die relative Mehrheit, | |
und die hätte er, vorausgesetzt, baskische und katalanische | |
Regionalparteien enthalten sich. Die drei rechten Parteien, die | |
konservative Partido Popular (PP), die rechtsliberalen Cs und die | |
rechtsrextreme Vox kommen zusammen nur auf 150 Nein-Stimmen gegen eine | |
künftige Linksregierung. | |
## UP und PSOE uneins in Katalonien-Frage | |
Vor allem die Katalanen erhoffen sich von einer Linksregierung einen Dialog | |
über ein Unabhängigkeitsreferendum nach schottischem Vorbild. Solche | |
Bestrebungen gingen „gegen die Geschichte“, beteuerte Sánchez jedoch einmal | |
mehr. UP befürwortet ein solches Referendum. | |
Bei den meisten Programmpunkten, die Sánchez in seiner Rede vorstellte, | |
dürfte zwischen PSOE und UP aber Einigkeit herrschen. Die beiden Parteien | |
verabschiedeten bereits vor den Neuwahlen im Mai ein gemeinsames soziales | |
Regierungsprogramm. Es ging damals darum, zusammen einen Haushalt zu | |
verabschieden. Dieser erhielt letztendlich nicht die Mehrheit im Parlament, | |
da die katalanischen Parteien mit „Nein“ stimmten. Der Urnengang vom April | |
wurde unumgänglich. | |
Was bei Redaktionsschluss die Gemüter hinter den Kulissen erhitzte, waren | |
wohl die Zahl und Namen der UP-Mitglieder, die künftig im Kabinett | |
vertreten sein werden. Doch niemand zweifelt mehr ernsthaft daran, dass | |
sich die beiden Parteien spätestens bis zur zweiten Abstimmung am | |
Donnerstag einigen werden. Sánchez würde damit Geschichte schreiben. Es | |
wäre seit der Zweiten Spanischen Republik in den 1930er Jahren die erste | |
Regierung, an der eine Partei links der Sozialisten vertreten ist. | |
22 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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