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# taz.de -- Hummeltod in Berlin: Zucker für die Hummel
> Jeden Sommer ist unter Silberlinden ein Hummelsterben zu beobachten.
> Schuld daran ist Futterknappheit und die große Konkurrenz.
Bild: Wiederbelebung einer Hummel mit Zuckerwasser
Hundehaufen, Kronkorken, Kippen, Plastik und Papier: alles, was sich Unter
den Linden angesammelt hat, ist mit Blütenstaub vermischt. Von Hummeln
hingegen keine Spur. Dabei hatte der Tagesspiegel berichtet, dass sich
Unter den Linden dieser Tage ein gruseliges Schauspiel beobachten lasse:
„Dutzende Hummelleiber drängen sich, oft schon tot oder eben verendend, in
gelbbraunen Blütenteppichen. Es ist ein regelrechtes Massensterben.“
Auf dem Mittelstreifen vor der Kreuzung Wilhelmstraße wird man schließlich
doch noch fündig. Viele Hummeln sind es nicht. Die Mehrzahl ist verendet,
drei, vier, fünf vollziehen im Staub letzte Zuckungen. „Tod infolge von
Unterzuckerung“, so die Diagnose von Derk Ehlert, Wildtierexperte des
Senats. Neu sei das massenweise Hummelsterben nicht. Seit Jahrzehnten sei
das Phänomen insbesondere unter Silberlinden zu beoachten. Ehlert erklärt
es so: Mitte Juni ebbt bei den meisten Pflanzen die Blüte ab. Die Nahrung
für Bienen und Hummeln wird demzufolge knapp. „Also konzentrieren sich alle
Insekten auf die Silberlinden, die immer die letzten Bäume sind, die
blühen.“
Im Unterschied zu den Bienen hätten es die Hummeln aber viel schwerer.
Denn: „Hummeln haben einen deutlich größeren Energieumsatz, aber keinen
Speicher, wo sie Nahrung auftanken können.“ Die Folge: „Die meisten Hummeln
sind schon völlig geschwächt, wenn sie bei den Silberlinden ankommen. Das
Futter ist knapp und sie haben keine Kraft mehr, sich gegen die Konkurrenz
durchzusetzen.“
Dadurch, dass es in Berlin immer mehr Hobbyimker gebe, sei die Konkurrenz
noch größer geworden, sagt Ehlert. „Aber die Bienen sind nicht die
Schuldigen. Schuld ist der Mensch.“ Jahrmillionen habe die Nahrung für alle
gereicht, die Hummel habe sich so überhaupt erst entwickeln können. Abhilfe
könnte geschaffen werden, indem mehr Bienengewächse auf den Balkons, in den
Kleingärten und Grünanlagen angebaut würden. Als Beispiel nennt Ehlert den
Gelben Hornklee oder die Blaue Glockenblume, wichtig sei, dass die Pflanzen
auch im Hochsommer und Frühherbst noch blühten. „Jeder kann beim Kauf
darauf achten, dass Bienengewächs auf dem Topf steht.“ Rhododendron und
Geranien sähen zwar schön aus, seien aber keine Nektarpflanzen.
Bei Wikipedia ist nachzulesen, dass man Hummeln auch vor dem Tod bewahren
kann, indem man ihnen Zuckerwasser anbietet. Can, Mitarbeiter der
Kadakals-Imbissbude am Brandenburger Tor, reicht ein Tütchen Zucker, und
einen Becher, daumenbreit gefüllt mit Wasser, über den Ladentisch. Und
siehe da, das Experiment funktioniert. Eine Hummel, die eben noch in den
letzten Zuckungen lag, schleckt begierig das vor ihr hingeträufelte
Zuckerwasser auf. Blitzschnell schießt die kleine Zunge aus dem Rüssel.
Dann breitet sie wiederbelebt ihre durchsichtigen Flügel aus und brummt
hoch in den Baum.
Der 30-jährige Imbissverkäufer Can, der nur mit Vornamen genannt werden
möchte, hat das Schauspiel beobachtet. Er habe Unter den Linden schon viele
Hummeln verenden gesehen, erzählt er. „Wenn mal wieder eine Hilfe braucht,
werde ich ihr Zuckerwasser geben“, kündigt der Verkäufer an und lacht. Wie
er die Insekten unterscheidet? „Hummeln“, sagt Can, „sehen aus wie die
Dortmund-Fans. Und die Wespen sind die Hooligans.“
8 Jul 2019
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Insekten
Unter den Linden
Bienen
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Bayern
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Honig
Biodiversität
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