# taz.de -- Nahost-Konferenz in Bahrain: Startschuss mit Dämpfer | |
> Mit einer Investment-Konferenz wollen die USA den Grundstein legen für | |
> Frieden in Nahost. Doch zwei Parteien fehlen: Israelis und Palästinenser. | |
Bild: Protest gegen den US-Nahostplan am Montag in Gaza-Stadt | |
Berlin taz | Kurz vor dem Startschuss für den von US-Präsident Donald Trump | |
[1][seit Langem angekündigten „Deal des Jahrhunderts“], der Frieden in | |
Nahost bringen soll, tritt die Regierung in Washington noch einmal auf die | |
Bremse. Bei dem anstehenden Treffen am Dienstag und Mittwoch in Bahrains | |
Hauptstadt Manama soll es allein um wirtschaftliche Fragen gehen. Alle | |
Lösungsvorschläge für die politischen Streitpunkte zwischen Israel und den | |
Palästinensern bleiben mindestens bis November unter Verschluss. | |
Die Palästinenser haben das Treffen von vornherein boykottiert und so | |
entschied das Weiße Haus, auch keine israelischen Regierungsvertreter | |
einzuladen. Die Erwartungen niedrig halten – das scheint die aktuelle | |
Leitlinie zu sein für den zunächst als Auftakt für Trumps großen | |
Friedensplan geplanten Gipfel. Nicht einmal von einer „Konferenz“ will man | |
inzwischen noch sprechen, sondern lediglich von einem wirtschaftlichen | |
„Workshop“. | |
So bescheiden sich Trumps Sonderbeauftragte, sein Schwiegersohn Jared | |
Kushner und der Jurist Jason Greenblatt, im Vorfeld des Wirtschaftstreffens | |
geben, so ambitioniert ist ihr Projekt „Frieden zu Wohlstand“ – so der | |
Titel der Ergebnisse zweier Arbeitsjahre. Der am vergangenen Wochenende | |
veröffentlichte Wirtschaftsplan legt „eine neue Vision für das | |
palästinensische Volk“ dar. | |
Auf 40 Seiten beschreiben Kushner und Greenblatt die rosige Zukunft des | |
Gazastreifens und des Westjordanlands, darin neue Straßen, modern | |
ausgerüstete Krankenhäuser, neue Schulen, eine neue Universität, | |
bezahlbarer Strom, sauberes Wasser und schnelle Internetverbindungen. | |
Innerhalb von zehn Jahren könnten eine Million Arbeitsplätze geschaffen, | |
die Armut halbiert und das Bruttosozialprodukt verdoppelt werden, heißt es. | |
Der Plan sieht zudem eine Verbindung zwischen dem Gazastreifen und dem | |
Westjordanland vor. Insgesamt veranschlagen die Autoren in ihrem | |
Finanzierungsplan Investitionen von 50 Milliarden US-Dollar (44 Milliarden | |
Euro), die zum Teil auch in Projekte für palästinensische Flüchtlinge in | |
Jordanien, Libanon und Ägypten fließen sollen. | |
## Das i-Tüpfelchen kam vom US-Botschafter in Jerusalem | |
Oberstes Ziel der zwei US-Nahostbeauftragten ist, die Palästinenser wieder | |
an Bord zu holen, bevor politische Verhandlungen beginnen. Seit Dezember | |
2017 verweigert die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), allen | |
voran Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, jede Zusammenarbeit mit dem | |
US-Präsidenten. Trump, der damals Jerusalem als Hauptstadt Israels | |
anerkannte, gilt als einseitig proisraelisch. | |
Mit dem Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem und der | |
Einstellung der US-Zahlungen an die UNRWA, das UN-Hilfswerk für | |
palästinensische Flüchtlinge, erhöhten sich die Spannungen. Das | |
i-Tüpfelchen versetzte dem Streit jüngst der US-Botschafter in Jerusalem, | |
David Friedman, als er in einem Interview Israels Regierungschef Benjamin | |
Netanjahu das Recht einräumte, „unter gewissen Umständen Teile des | |
Westjordanlandes zu annektieren“. | |
PLO-Generalsekretär Saeb Erekat, Chefunterhändler früherer | |
Friedensverhandlungen, kommentierte das Friedman-Interview nüchtern: Der | |
US-Botschafter „liefert ausreichend Gründe, nicht an dem Manama-Treffen | |
teilzunehmen“. Die Vision der Amerikaner sei „die Annexion der besetzten | |
Gebiete“. | |
Tatsächlich schweigt sich Trumps Duo über die politischen Visionen für | |
Nahost weitgehend aus. Trotzdem wird heftig spekuliert, ob das Weiße Haus | |
überhaupt die Gründung eines palästinensischen Staatsgebildes vor Augen | |
hat. Auf welchem Gebiet? Mit welchen Einschränkungen? Unter welchem Namen? | |
## PLO will über Politik sprechen | |
Angesichts der akuten Finanzkrise der Palästinensischen Autonomiebehörde | |
(PA), die nach Ansicht von Experten unmittelbar vor einem wirtschaftlichen | |
Bankrott steht, sowie der menschenunwürdigen Lebensumstände im | |
Gazastreifen, ist die Blockadehaltung der PLO schwer nachzuvollziehen. | |
Abbas verfolgt hier offenbar dieselbe Linie wie der Chef des | |
Hamas-Politbüros Ismail Hanija: „Wir verkaufen unsere Heimat nicht für | |
Geld.“ | |
Auch in der Bevölkerung sehen offenbar viele so. In den palästinensischen | |
Gebieten gingen am Montag Tausende Palästinenser gegen das Treffen in | |
Manama auf die Straße. Demonstranten in mehreren Städten hielten Schilder | |
hoch, auf denen „Nein zum Manama-Workshop“ oder „Jerusalem und Palästina | |
stehen nicht zum Verkauf“ stand. Palästinensische Medien berichteten von | |
vereinzelten Konfrontationen mit israelischen Soldaten bei Hebron. | |
Die PLO-Funktionärin Hanan Aschrawi fordert, zuerst die politischen | |
Realitäten zu verändern: „Gebt uns unsere Bewegungsfreiheit und Kontrolle | |
über unsere Grenzen, unseren Luftraum und unsere territorialen | |
Wasserquellen“, [2][twitterte sie]. Anschließend werde man zusehen können, | |
wie „wir als freies und unabhängiges Volk eine dynamische, florierende | |
Wirtschaft aufbauen“. | |
Aschrawi hat insofern Recht, als dass der US-Plan in vielen Punkten eine | |
politische Regelung voraussetzt. Der schöne Investitionsplan für den | |
palästinensischen Tourismussektor ist bedeutungslos, solange das gesamte | |
Jordantal – inklusive der Taufstätte Jesu Christi, des Nordufers vom Toten | |
Meer und vieler anderer Pilgerorte – unter israelischer Militärbesatzung | |
steht und von den Palästinensern nicht erschlossen werden dürfen. | |
Politische Realitäten müssen sich allerdings auch auf | |
innerpalästinensischer Ebene verändern. Eine Verbindung zwischen dem | |
Gazastreifen und dem Westjordanland wird erst dann Sinn ergeben, wenn der | |
Konflikt zwischen der eher weltlichen Fatah im Westjordanland und der | |
islamistischen Hamas im Gazastreifen beigelegt ist. | |
25 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Debatte-Israel-Palaestina/!5600090 | |
[2] https://twitter.com/DrHananAshrawi/status/1142444949943795713 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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