# taz.de -- Lehrer*innen streiken in Jordanien: Schulen leer, Straßen voll | |
> Für Schüler*innen in Jordanien hat das neue Schuljahr noch nicht wirklich | |
> begonnen: Seit Wochen streiken ihre Lehrer*innen für 50 Prozent mehr | |
> Lohn. | |
Bild: In Jordanien streiken Lehrer*innen und bringen ihre Forderungen auch laut… | |
BERLIN taz | Gerade erst hatte das neue Schuljahr begonnen, da war es mit | |
dem Unterricht auch schon wieder vorbei. Tausende Lehrer*innen in Jordanien | |
sind in den Streik getreten. Ihre Forderung: eine Gehaltserhöhung um 50 | |
Prozent. Gespräche zwischen der Regierung und der [1][Berufsvereinigung der | |
Lehrer*innen JTA] scheiterten am Wochenende. Damit geht der Streik nun in | |
seine dritte Woche. | |
Die Lehrer*innen argumentieren, die jetzt eingeforderte Gehaltserhöhung sei | |
ihnen schon 2014 vom Parlament versprochen worden. Doch davon will die | |
Regierung nichts wissen. „Die 50-Prozent-Erhöhung wurde von keiner | |
Regierung in den vergangenen Jahren versprochen“, erklärte Jumana | |
Ghunaimat, Staatsministerin für Medienangelegenheiten. | |
Der JTA gehören nach eigenen Angaben rund 140.000 Mitglieder an. Davon | |
seien knapp zwei Drittel an öffentlichen Schulen beschäftigt, für die die | |
nun geforderte Erhöhung relevant wäre. 100.000 Lehrer*innen beteiligen sich | |
der JTA zufolge am Streik. Darüber hinaus gingen in den vergangenen Wochen | |
tausende Menschen in verschiedenen Städten des Landes auf die Straßen, um | |
ihren Forderungen Gehör zu verschaffen. | |
In den ergebnislosen Gesprächen vom Wochenende machte die Regierung zwar | |
Angebote zur Verbesserung der Unterrichtsbedingungen und des | |
Bildungssystems, die Gehaltserhöhung aber lehnte sie ab. Sie würde, | |
argumentiert das Bildungsministerium, 112 Millionen Dinar (etwa 140 | |
Millionen Euro) kosten. Für Shlash Alzyoud, JTA-Sprecher, ist das kein | |
Argument: „Die Lehrer*innen sind der Überzeugung, dass es immense Ausgaben | |
für viele Dinge gibt, die weniger wichtig sind als die jordanischen | |
Lehrer“, sagt er gegenüber der taz. | |
## Angst vor Unruhen | |
Die wirtschaftliche Situation in Jordanien ist angespannt, die | |
Arbeitslosigkeit liegt bei 19 Prozent, bei den 20- bis 24-Jährigen sogar | |
bei knapp 40 Prozent. Die Inflationsrate steigt und mit ihr steigen die | |
Lebensmittelpreise und Wohnkosten. „Der Hauptgrund für die Forderung, die | |
versprochene Gehaltserhöhung umzusetzen, ist die miserable wirtschaftliche | |
Situation der Lehrer“, sagt Alzyoud, „seit 2013 gab es keine | |
Gehaltserhöhung, aber in der gleichen Zeit stiegen die Preise mehrfach.“ | |
Proteste wie die der Lehrer*innen sind für das jordanische Königreich nicht | |
untypisch. Als „Single-Issue-Proteste“ bezeichnet sie Jordanien-Experte | |
André Bank vom Giga Institut für Nahost-Studien in Hamburg. Diese | |
zeichneten sich dadurch aus, dass eine Interessengemeinschaft sich mit klar | |
abgegrenzten Forderungen an die Regierung wendet. Aus Sorge vor einer | |
ähnlichen Entwicklung wie etwa in [2][Syrien] schrecken viele Menschen vor | |
einer breiten Mobilisierung und radikaleren Forderungen zurück – eine | |
Angst, die von der Regierung auch gezielt geschürt und instrumentalisiert | |
wird. | |
Streiks einzelner Berufsgruppen dagegen hat es in der Vergangenheit immer | |
wieder gegeben: Taxifahrer protestierten Anfang des Jahres gegen die | |
Konkurrenz von App-basierten Fahrdiensten wie Uber, Touristenführer in der | |
Felsenstadt Petra streikten, da sie sich wiederholt physischen Angriffen | |
ausgesetzt sahen. | |
„Das Frustrationspotenzial ist hoch, trotzdem übersetzt sich das nicht | |
automatisch in eine soziale Bewegung“, erklärt Bank. Das liege unter | |
anderem am Umgang mit Protesten. Die Regierung betreibe eine | |
Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie: Auf der einen Seite werden Proteste | |
eingeschränkt. So kam auch bei einer Demonstration von Lehrer*innen Anfang | |
September zu Verhaftungen und zum Einsatz von Tränengas. Auf der anderen | |
Seite werden wichtige Protestfiguren an die Regierung gebunden und | |
Forderungen teilweise umgesetzt. Damit rechnet Bank auch im Falle des | |
Lehrer*innen-Streiks: „Die Erfahrung in Jordanien lehrt, dass es zu einem | |
Deal kommen wird.“ | |
25 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/Jts_Org_Jo?fbclid=IwAR2FumeP-9TDfE5YCLU9Afq21sWKP76ZaQk… | |
[2] /!t5007613/ | |
## AUTOREN | |
Helena Werhahn | |
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