# taz.de -- Film über Mode: Als Mode noch politisch war | |
> Krude Mode ist im Kapitalismus Kommerz, in der DDR war sie rebellisch. | |
> Davon erzählt Marco Wilms' Dokumentarfilm „Ein Traum in Erdbeerfolie“. | |
Bild: Auch 25 Jahre später noch geil: Die wilden Kleider der DDR-Modedesigneri… | |
In der DDR sollten bekanntlich alle gleich sein. Wer von der staatlich | |
verordneten Norm abwich, sich gar als Punk, Öko oder „Heavy“ verstand, | |
hatte es oft nicht leicht. Der Dokumentarfilm „Ein Traum in Erdbeerfolie“ | |
des Regisseurs Marco Wilms hat eine weitere Randgruppe im Visier, die ihren | |
Wunsch nach Andersartigkeit deutlich sichtbar machte: den Mode-Underground | |
der DDR in den Achtzigern. | |
Wilms’ Film lief 2009 bei der Berlinale, wurde auf diversen Festivals | |
weltweit gezeigt und kam im selben Jahr auch in die Kinos. Ein echter | |
Überraschungserfolg. Das mag am Thema gelegen haben, sicherlich aber auch | |
an der Machart. Wilms’ Doku ist ein quietschbuntes Porträt der DDR, aber | |
frei von jeder Ostalgie. | |
Man bekommt einen lächerlichen Staat gezeigt, der völlig überfordert damit | |
war, all das zu unterbinden, was ihm ästhetisch unpassend erschien. Der | |
direkte Kontakt mit der Stasi konnte jedoch schnell alles andere als lustig | |
sein. Dies in Balance zu bringen, das Schräg- Komische an der DDR und die | |
ernsthaften Auswirkungen seines Repressionsapparats, ist Wilms gelungen. | |
In einem Moment befindet man sich noch auf einer avantgardistischen | |
Modeschau, auf der echte Paradiesvögel krude Fashion spazieren tragen, auch | |
als Zeichen ihrer Nonkonformität, im nächsten hört man einen ehemaligen | |
Stasi-Mann davon erzählen, wie er genau dieses Nonkonforme damals zu | |
unterbinden hatte. | |
Als gefährlich habe der Staat damals, so referiert er, diejenigen | |
angesehen, die sich nicht anpassen wollten. Das zielt ganz eindeutig auf | |
die subkulturellen Fashionistas in den letzten Jahren der DDR. | |
## Reenactment auf einem Wohnzimmer-Laufsteg | |
Wilms’ Film ist ziemlich persönlich gehalten. Die Protagonisten, von denen | |
er erzählt, etwa die Designerin Sabine von Oettingen oder den Stylisten | |
Frank Schäfer, der heute als schrillster Friseur Berlins gilt, bezeichnet | |
er als die Helden seiner Jugend. | |
Er hat selbst als Model gearbeitet und war Teil der offiziellen Modeszene | |
in der DDR. Seine ersten Kontakte mit den Avantgardisten der Mode im | |
Arbeiter-und-Bauern-Staat, die ihre Schauen vor allem in privaten | |
Wohnzimmern veranstalteten, beschreibt er als echte Offenbarung. | |
Für seine Doku trifft er sie wieder und zeigt, wie es ihnen seit dem Fall | |
der Mauer ergangen und was aus ihnen geworden ist. Und dann überredet er | |
sie dazu, gut zwanzig Jahre nach dem Ende der DDR noch einmal die kruden | |
Klamotten von damals nachzuschneidern und sie als eine Art Reenactment auf | |
einem Wohnzimmer-Laufsteg vorzuführen. An der Stelle kippt der Film dann | |
vielleicht doch ein wenig in Richtung Ostalgie. | |
Allein die Materialien für die Kreationen von damals neu aufzutreiben, | |
stellt sich bald als echte Herausforderung heraus. Sabine von Oettingen, | |
deren Modegrupppe sich damals „Schick, charmant und dauerhaft“ nannte, | |
erklärt, ein paar ihrer besten Teile habe sie beispielsweise aus | |
Erdbeerfolie, Duschvorhängen und Eingeweidetüten aus der Charité | |
geschneidert. Zumindest Letzteres lässt sich auch im Kapitalismus nicht | |
ganz so einfach shoppen. | |
## Schocken ist schwieriger geworden | |
Die Mode-Avantgarde der DDR wird von den Protagonisten von damals als eine | |
Szene beschrieben, die ihnen zumindest in der eigenen Nische ein | |
selbstbestimmteres Leben erlaubte. Das Tragen und Vorführen von Kostümen, | |
heißt es an einer Stelle, bot die Möglichkeit, wenigstens ein bisschen frei | |
zu sein. | |
So konnte sich Frank Schäfer auf der Showbühne ausleben, sich auf dem | |
Laufsteg als Dragqueen inszenieren, seine Homosexualität stolz zeigen, was | |
im DDR-Alltag sonst nicht möglich war. Wo die allgemeine Doktrin war, dass | |
nur das Kollektiv zählt, feierte man seine eigene Individualität, indem man | |
sich verkleidete. | |
Mode war sinnstiftend. Keiner der Porträtierten wünscht sich die DDR | |
zurück, dieses Lebensgefühl von damals aber schon. Man konnte durch Mode in | |
einer Art kommunizieren, wie das im Kapitalismus nicht mehr möglich ist. | |
Man machte keine Mode, um reich zu werden, sondern um subversiv zu sein, | |
den Staat herauszufordern, sich als Gemeinschaft Gleichgesinnter zu | |
treffen, politisch zu sein. Heute, so ihre Erfahrung, lässt sich niemand | |
mehr von Fashion schockieren. | |
Frank Schäfer berichtet etwa, dass er es nach der Wende in Berlin einmal | |
mit einem Friseurladen für Intimrasuren versucht habe, weil er dachte, das | |
könnte doch noch mal ein echter Aufreger sein. War es aber nicht. | |
Stattdessen wurde er gefeiert für seine Idee und weltberühmte Modedesigner | |
wie Jean Paul Gaultier pilgerten zu ihm. Widerstand durch Mode war in der | |
DDR noch möglich, in der BRD ist das ganz offensichtlich nicht mehr so. | |
Dieser Text erscheint im taz Plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg | |
immer Donnerstags in der Printausgabe der taz | |
26 Jun 2019 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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