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# taz.de -- 1. Festival „Literatur auf der Parkbank“: Schlendern, verweilen…
> Am 30. Juni lesen 50 AutorInnen im Tiergarten aus ihren Werken. Und
> wollen dabei mit dem Publikum ins Gespräch kommen.
Bild: Alter Trend, neues Festival: Literatur auf der Parkbank
Es gibt eine Menge Autorenlesungen, bei denen das Ganze mit einer oft
langatmigen Vorstellung des Autors durch einen Moderator oder Veranstalter
beginnt, dann kommt eine ganze Weile lang mehr oder weniger eintöniger
Singsang, der höchstens dann und wann unterbrochen wird, wenn der
Vortragende zu einem Glas Wasser greift, um die trockene Kehle zu benetzen,
weshalb Lesungen dieser Art auch oft abfällig Wasserglaslesungen genannt
werden. Lesungen sind das, bei denen das erschienene Publikum oft reichlich
homogen wirkt. Oft fällt es bei diesen Veranstaltungen nicht leicht,
überhaupt nur die Schwelle zu überwinden, wenn man beispielsweise noch nie
ein Buch des betreffenden Autors gelesen und keine Ahnung hat, von wem
dieser Autor gelesen wird.
In letzter Zeit sind solche Lesungen seltener geworden, weil
Veranstaltungsformate wie die Lesebühnen recht erfolgreich für frischen
Wind sorgten. Und doch werden diese Lesungen nie ganz aussterben, weil es
immer Leute geben wird, die Literatur mit Andacht genießen wollen – so
ungefähr, wie man früher Gottesdiensten lauschte – und um sich nach der
Lesung geduldig einzureihen für ein Autogramm in ebenjenes Buch kritzeln zu
lassen, aus dem da soeben gelesen wurde.
Insofern ist es nach wie vor sehr sinnvoll, wenn sich Menschen neue
Literaturformate ausdenken, um Lesungen interaktiver, niedrigschwelliger,
ganz einfach lebendiger zu gestalten. Menschen wie der 64-jährige
Charlottenburger Eckard Hündgen beispielsweise, der unter dem Namen
[1][„Literatur auf der Parkbank“] und „Berlins erster Wortgarten“ ein
kleines, charmantes Literaturfestival ins Leben gerufen hat, bei dem am
Sonntag erstmals 50 AutorInnen auf 50 Parkbänken im Tiergarten rund um den
Neuen See und den Schleusenkrug ihre Werke kostenlos und unter freiem
Himmel vorstellen werden.
„Als Mensch, der Literatur mag, finde ich es manchmal schwer auszuhalten,
dass sich mehr Kochbücher als gute Romane verkaufen. Außerdem mag ich
Veranstaltungen, auf denen Menschen nicht nur wie in ihren eigenen
Echoräumen unterwegs sein möchten“, erzählt Hündgen gut gelaunt. „Und a…
ich dann eines Tages eine Frau mit einem Buch auf einer Parkbank sah, die
ihrem offenbar unbekanntem Sitznachbarn vorlas, da dachte ich: Ja, das ist
es doch!“
## Spirit des Festivals
Da die AutorInnen kein Honorar erhalten, haben sich auf Hündgens Aufruf
naturgemäß eher wenige Stars aus dem Literaturbetrieb gemeldet – er findet
das aber auch ganz passend bei einem Festival, wo es eher um lockeren und
freundlichen Austausch gehen soll als um Ehrfurcht. „Ich war schon als
Schüler kein Freund von Frontalunterricht“, lacht Hündgen, „und außerdem
gingen mir schon immer die fünf Prozent Schlaumeier unter den
Lesungsbesuchern auf die Nerven, die es zuverlässig verhindern, dass man
nach der Lesung ins Gespräch kommen kann.“
Nun gibt es zwei Herangehensweisen, wie man den Spaziergang zwischen
Parkbänken am Sonntag angehen könnte. Erstens kann man dem Begehungsplan
auf der Webseite des Festivals folgen, in dem alle AutorInnen eingezeichnet
sind, über die man sich außerdem im Vorfeld informiert haben kann: um
beispielsweise festzustellen, dass Claudius Hagemeister und Wolf Hogekamp
zu den bekannteren gehören; während auch gänzlich unbekannte auftauchen,
die aus bislang unveröffentlichten Manuskripten lesen.
Man kann aber auch zweitens dem Spirit des Festivals und der
prognostizierten Hitze folgen und sich einfach ins Getümmel stürzen,
treiben und überraschen lassen, hier und da verweilen, ein wenig plaudern,
weiterziehen. Es wird rote Sonnenschirme an jeder Parkbank geben, die dies
erleichtern.
Und wer weiß: Vielleicht konvertiert auf diese Weise mancher Fan von
Kriminalromanen und will fortan nur noch Naturlyrik lesen. Genervte Väter
werden die Kinder in Ruhe streiten lassen und stattdessen in eine
Geschichte ohne Kinder abtauchen, zu der sie im Buchladen nie gegriffen
hätten. Und der eine oder andere Rentner, der sich nur mal wieder die
schönen Rosen im Park ansehen wollte, wird unter Umständen endlich
herausbekommen, was es überhaupt mit dieser Slam Poetry auf sich hat. So
oder so werden bei „Literatur auf der Parkbank“ mit Sicherheit
unvorhergesehene Dinge passieren. Dinge, die auf Wasserglaslesungen in der
Regel nicht geschehen.
29 Jun 2019
## LINKS
[1] https://www.literatur-auf-der-parkbank.de/
## AUTOREN
Susanne Messmer
## TAGS
deutsche Literatur
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Cottbus
Schwerpunkt #metoo
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Schwerpunkt Mordfall Walter Lübcke
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