# taz.de -- Frauen-WM Thailand gegen USA: Abhängig von einer Gönnerin | |
> Nach der höchsten Niederlage der WM-Geschichte ist die Thai-Frauschaft | |
> einem Medienrummel ausgesetzt. Doch die Probleme daheim sind viel | |
> grundsätzlicher. | |
Bild: Alles wird gut – Trost spendende Worte einer US-Spielerin an eine besie… | |
NIZZA taz | Ein Stadion am Rand von Nizza, es regiert | |
Siebziger-Jahre-Betoncharme mit Laufbahn und Flutlichtmasten, die | |
Schalensitze sind ausgeleiert und verblichen, sicher hat es schon bessere | |
Tage gesehen. Aber wen kümmert’s, der Rasen ist okay. Die thailändische | |
Nationalmannschaft joggt vor Publikum auf und ab. Bis vor wenigen Tagen | |
interessierte dieses Außenseiterteam keinen Menschen, jetzt ist alles | |
anders. | |
Eine ordentliche, eine internationale Gruppe von Medien hat sich auf der | |
Tartanbahn versammelt, und es bewegt sie eine einzige Frage in | |
gelegentlicher Variation: Was sagen die Thailänderinnen zu der Tatsache, | |
dass Team USA sie 90 Minuten lang rücksichtslos in [1][Grund und Boden | |
walzte]? Mit 0:13 hat Thailand das Auftaktspiel verloren, es ist die | |
höchste Niederlage der WM-Geschichte. Die monothematische Fixierung in den | |
Fragen hat schon auch einen faden Beigeschmack. Eigentlich interessiert | |
viele nur das Verhältnis zu den Amerikanerinnen. | |
Die Thailänderinnen, oft ohne Englischkenntnisse, bleiben auf Distanz. Eine | |
lehnt ein Interview ab, die vergangenen Tage haben vielleicht Spuren | |
hinterlassen. Sie sind sehr höflich und schüchtern, sie lächeln viel. Ein | |
Land mit Profiliga und Superstars zerlegte dieses Fußball-Entwicklungsland, | |
und plötzlich wurde der Weltöffentlichkeit wieder klar, welche | |
[2][Unterschiede] besonders im Frauenfußball herrschen. Wo die Fifa noch | |
nicht mal 24 Teams versammeln kann, die auch nur annähernd ähnliche | |
Startbedingungen haben. Man mag sich ja gar nicht vorstellen, was geschehen | |
würde, wenn die USA gegen, sagen wir, Namibia spielen. Wie mögen die | |
Thailänderinnen damit zurechtkommen? | |
Sutthiporn Boonyapuggana, die Pressesprecherin, agiert gelassen auf der | |
Tartanbahn, Interviews gibt sie gleich erst mal selbst. „Die | |
Amerikanerinnen haben das Recht zu feiern“, beantwortet Boonyapuggana | |
entschieden die Standardfrage. „Sie haben ihr Bestes gegeben. Und das | |
fanden wir gut, weil sie uns respektiert haben.“ Es klingt Stolz durch bei | |
ihr: Ja, Thailand mag chancenlos sein, aber das Team will keine | |
Sonderbehandlung, keinen Mitleidsbonus. | |
## Frauenteam genießt Welpenschutz | |
Die US-Spielerinnen, berichtet Boonyapuggana, seien nach der Partie zu | |
ihren thailändischen Gegnerinnen gegangen, hätten getröstet und sie | |
ermutigt, nicht aufzugeben. Toll sei das gewesen. Sie fühlten sich | |
wertgeschätzt. In den Tagen nach dem Spiel hat niemand aus dem | |
thailändischen Team ein kritisches Wort über die US-Amerikanerinnen | |
verloren, obwohl die Medien das sicher wohlwollend aufgenommen hätten. Sie | |
haben es sich nicht einfach gemacht. | |
Erst zum zweiten Mal hat sich Thailand für eine WM qualifiziert. Das 0:13 | |
wurde in der Heimat gelassen zu Kenntnis genommen. „Die thailändischen Fans | |
haben uns wieder aufgebaut“, berichtet Boonyapuggana. „Sie wissen, dass | |
wir auf einem ganz anderen Level spielen als die anderen.“ Weil das | |
Männerteam sich noch nie für ein großes Turnier qualifizieren konnte, | |
genießen die Frauen eine Art Welpenschutz. | |
Aber trotz der Worte kann man erahnen, ganz so einfach schlucken sie die | |
Demütigung nicht. „Wir müssen jetzt die Vergangenheit vergessen“, sagt | |
Boonyapuggana irgendwann, sie ist das Thema etwas leid. Mittelfeldakteurin | |
Kanjana Sung-Ngoen aus Bangkok kommt zum Interview. Sie ist sehr herzlich, | |
sehr dankbar, für einen Moment funktioniert das Fifa-Märchen vom Fußball | |
als Entwicklungshilfe. „Wir wollen versuchen, beim nächsten Spiel so viel | |
Spaß wie möglich zu haben“, sagt Sung-Ngoen strahlend. „Wir wollen ein | |
tolles Spiel zeigen.“ | |
## Abhängigkeit von millionenschwerer Gönnerin | |
„Und der rücksichtslose Torjubel der US-Amerikanerinnen?“, fragt schon | |
wieder jemand. Da kippt plötzlich die Stimmung. Die Pressesprecherin bricht | |
das Interview ab, zu dieser Frage werde man sich nicht mehr äußern. „Das | |
Thema ist ein bisschen zu emotional für die Spielerinnen“, sagt sie | |
vorsichtig. Nein, nur ein dankbar lächelnder Verlierer ist Thailand nicht. | |
Es sind auch Leistungssportlerinnen mit Anspruch, die bitter enttäuscht | |
wurden. Und die etwas überfordert wirken mit einem Rummel, den die | |
wenigsten kennen. Sie sind zunehmend unwillig: Boonyapuggana kündigt an, | |
nach dem Training werde es vielleicht noch Interviewmöglichkeiten geben. | |
Später lässt sie der wartenden Presse ausrichten, die Interviews seien | |
abgesagt. Die Spielerinnen seien erschöpft und auch schüchtern. Thailand | |
muss sich sammeln. | |
Miranda Nild, die in den USA geborene Stürmerin, meldet sich auf | |
Vermittlung per Sprachnachricht. „Wir kämpfen immer noch damit, nach der | |
hohen Niederlage zurück zur Normalität zu finden“, räumt sie ein. Es sei | |
nicht leicht. Gegen Schweden (Sonntag, 15 Uhr) werde es wieder schwer. Aber | |
in Wahrheit geht es in Thailand bei dieser WM auch um ganz andere Dinge. | |
Das Nationalteam wird von der millionenschweren Gönnerin Nualphan Lamsam | |
finanziert, von ihrem Wohlwollen ist der Frauenfußball abhängig. „Wir | |
versuchen, eine Frauenliga und eine Nachwuchsliga zu starten. Aktuell gibt | |
es leider nur Sport-Akademien, die nicht wirklich wettbewerbsfähig sind“, | |
sagt Nild. Wie viel bedeutet in so einer Situation nun ein 0:13 gegen die | |
USA? Thailand wurde brutal auf seinen Platz verwiesen. Nild hofft dennoch, | |
dass die WM-Teilnahme einen Schub bringt: „Ich glaube, unsere Teilnahme hat | |
für den thailändischen Frauenfußball viel bedeutet.“ Eine WM als Werbelauf | |
für die Zukunft. | |
15 Jun 2019 | |
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## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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