# taz.de -- Fußball-WM ohne Hope Solo: Spielführerin in der Sportpolitik | |
> Das US-Team startet ohne die legendäre Torhüterin in eine WM. Solo kämpft | |
> gegen die Privilegien der Männer und der weißen Mittelschicht. | |
Bild: Erstmals seit 2003 geht das US-Team ohne die legendäre Torhüterin Hope … | |
Hope Solo erzählt jedem, der es hören mag, dass sie das alles hinter sich | |
gelassen hat, dass sie ein neues Kapitel aufgeschlagen hat und dass ihr | |
nichts fehlt in ihrem Leben. Doch so ganz mag man ihr das nicht abnehmen. | |
Es ist eher unwahrscheinlich, dass Solo von Gefühlen der Wehmut gänzlich | |
unberührt bleiben wird, wenn die US-Fußballnationalmannschaft am Dienstag | |
in Reims zu ihrem ersten WM-Gruppenspiel gegen Thailand aufläuft. | |
Schließlich ist es das erste Mal seit 2003, dass die Rekordtorhüterin aus | |
Seattle nicht dabei ist. | |
Vielleicht fände sie ja etwas Frieden in der Kommentatorenbox der BBC, von | |
der aus sie die WM beobachtet, wenn ihre große internationale Karriere, bei | |
der sie die USA zu zwei Olympiasiegen und einem WM-Titel geführt hat, einen | |
standesgemäßen Abschluss gefunden hätte. Aber Hope Solo wartet knapp drei | |
Jahre nach ihrem letzten Einsatz in Rot-Weiß-Blau noch immer auf ihr | |
Abschiedsspiel. | |
„Vielleicht bekomme ich ja irgendwann doch noch die Gelegenheit, mich | |
ordentlich zu verabschieden“, sagt sie mit spürbarer Bitterkeit. Doch so | |
wie die Dinge gegenwärtig stehen, wird ihr diese Ehre so rasch wohl nicht | |
zuteil. Der amerikanische Fußballverband USSF und [1][seine vielleicht | |
glanzvollste Spielerin aller Zeiten] liegen auch drei Jahre nach den | |
Spielen von Rio, Solos letztem Turnier, noch immer über Kreuz. | |
Die Beziehung zwischen dem Verband und dem Star war von Anfang an | |
schwierig. Schon bei Solos erster WM, 2007, gab es Zoff, als sie den | |
Trainer kritisierte und sich dafür eine Sperre einhandelte. Und so | |
überraschte es niemanden, dass das Verhältnis auch ungut auseinanderging. | |
## Kompromissloser Wille | |
Stein des Anstoßes waren in Brasilien Solos deutliche Worte für | |
Viertelfinalgegner Schweden, der die amerikanischen Frauen im | |
Elfmeterschießen aus dem Turnier kegelte. Solo nannte die Spielweise der | |
Schwedinnen, die sich ganz in der Defensive verschanzten, „feige“. | |
Die schwedischen Spielerinnen verziehen Solo den Gefühlsausbruch, sie | |
hatten Verständnis dafür, dass einer ehrgeizigen Sportlerin in der Hitze | |
des Gefechts eine solche Äußerung entfahren kann. Der US-Verband zeigte | |
sich jedoch unnachgiebiger und sperrte Hope Solo. Die Sperre wurde bis | |
heute nicht aufgehoben. | |
Sicherlich hat Solo ihrer Sache nicht geholfen, indem sie kurze Zeit später | |
nachgekartet hat. Für die hitzigen Worte entschuldigte sie sich zwar, aber | |
nur Wochen nach der WM strengte sie gemeinsam mit vier anderen Spielerinnen | |
eine Klage gegen den Verband wegen systematischer | |
Geschlechterdiskriminierung an. Kern der Beschwerde war die Tatsache, dass | |
die Männer im US-Trikot weit besser verdienen als die Frauen, obwohl die | |
Frauen die weit größeren Erfolge einfahren. In der Abrechnung von | |
Turniersiegen steht es für die Frauen 7:0. | |
Doch Hope Solo, deren Klasse als Keeperin nicht zuletzt auch auf ihrem | |
kompromisslosen Durchsetzungswillen beruhte, beließ es nicht bei dieser | |
Klage. Vielmehr weitete sie ihre Verbandskritik auf einen Generalangriff | |
aus. | |
So ließ sie sich Ende des vergangenen Jahres als Kandidatin für die | |
Präsidentschaft ebenjener Institution aufstellen, die sie ausgesondert | |
hatte. In ihrem Wahlkampf warf sie den Mächtigen im US-Fußball nicht nur im | |
Bereich des Frauensports falsche Prioritätensetzung vor. | |
Wenn der US-Fußball wettbewerbsfähig sein wolle, so Solo, müsse er Kindern | |
aus allen Schichten und mit allen ethnischen Hintergründen den Zugang zum | |
Sport ermöglichen. So wie die Dinge in den USA stünden, werde der Sport | |
jedoch immer mehr ein Privileg der weißen Mittelschicht. Und mit dieser | |
allein ließen sich keine Pokale gewinnen. | |
## Solo bleibt Spielführerin | |
Hope Solo verlor die Wahl. Dennoch sieht sie sich in ihrem Krieg gegen den | |
Verband auf dem richtigen Weg. Ihrer Diskriminierungsklage gegen USSF | |
schlossen sich im Frühjahr alle 28 Nationalspielerinnen an. So ist Hope | |
Solo zwar nicht mehr auf dem Platz Teil der Mannschaft. Aber auf dem Feld | |
der Sportpolitik bleibt sie eine Spielführerin. | |
Diese Rolle nach und nach anzunehmen ist Hope Solo nicht leichtgefallen. In | |
gewissem Sinn ringt sie noch immer damit. „Man hat mir schon immer gesagt, | |
dass ich direkt bin“, sagt sie. „Früher habe ich das als Kritik gesehen, | |
als Art und Weise, mich klein zu halten.“ Heute sehe sie es als Kompliment, | |
wenn man ihr bescheinige, für sich und die Dinge, die ihr wichtig sind, | |
geradezustehen. | |
Kampfgeist und den Willen, sich durchzusetzen, [2][hatte Hope schon immer]. | |
Er wurde ihr nicht zuletzt durch eine schwierige Kindheit antrainiert, mit | |
einem Vater, der mehr im Gefängnis war als zu Hause, und einer | |
alkoholkranken Mutter. Daraus entstand ein Maß an Aggression, das ihr auf | |
dem Platz oft zugutekam, wenn sie ihren Torraum mit einer | |
Oliver-Kahn-haften Verbissenheit verteidigte. Abseits des Platzes schadete | |
sie sich damit jedoch oft. | |
Wie etwa an jenem Nachmittag im Sommer 2015, als sie sich mit ihrer | |
Halbschwester und ihrem Neffen prügelte und dafür drei Nächte ins Gefängnis | |
gehen musste. Solo wurde als Kindesmisshandlerin dargestellt, erst nach und | |
nach konnte sie glaubhaft versichern, dass sie sich lediglich gegen ihren | |
zwei Meter großen 17-jährigen Neffen zur Wehr gesetzt hatte. Dennoch | |
haftete ihr seit dieser Episode der Ruf an, zornig zu sein und zu leicht | |
außer Kontrolle zu geraten. Und Solo haderte selbst damit. | |
Nach Jahren der Therapie glaubt sie nun jedoch, zwischen einer | |
destruktiven, angestauten Aggression einerseits und einem gesunden | |
Selbstbewusstsein anderseits unterscheiden zu können. Vor allem aber sieht | |
sie heute klar, dass sie den öffentlichen Erwartungen an eine weibliche | |
Athletin nicht entsprechen muss. Sie muss nicht artig und zurückhaltend | |
sein, wenn das Spiel vorbei ist, sie darf auch nach dem Abpfiff | |
weiterkämpfen. | |
„Es ist Zeit für uns, aufzustehen, wenn wir etwas ändern wollen“, sagt si… | |
Und Hope Solo ist fest entschlossen, etwas zu ändern. | |
11 Jun 2019 | |
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## AUTOREN | |
Sebastian Moll | |
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