# taz.de -- Entschädigung für NSU-Opfer gefordert: Gegen den Schlussstrich | |
> Linke und Grüne in Sachsen fordern mit Ende des NSU-Ausschusses einen | |
> Entschädigungsfonds für die Opfer. Das Land trage eine Mitverantwortung. | |
Bild: Menschen legen am Halitplatz Blumen für den 2006 ermordeten Halit Yozgat… | |
BERLIN taz | Linke und Grüne in Sachsen fordern einen Entschädigungsfonds | |
für die NSU-Opfer und eine Erinnerungsstätte an die rechtsextreme | |
Terrorserie in Chemnitz oder Zwickau – den Orten, in denen die | |
Rechtsterroristen sich jahrelang versteckten. Auch Sachsen habe eine | |
Verantwortung gegenüber den Betroffenen der NSU-Taten, „eine nicht bloß | |
symbolische Wiedergutmachung zu leisten“, erklärten beide Fraktionen am | |
Mittwoch. | |
Die Forderung stellten Linke und Grüne bei der Vorstellung ihres | |
Abschlussberichts zum zweiten sächsischen NSU-Untersuchungsausschuss. Seit | |
2015 hatte der Ausschuss die sächsische Beteiligung an der Terrorserie des | |
„Nationalsozialistischen Untergrunds“ mit zehn Toten nochmals untersucht. | |
In Sachsen lebte das NSU-Trio fast 14 Jahre unerkannt, hier verübte es auch | |
zehn Raubüberfälle. | |
Auf eine gemeinsamen Bewertung der Ausschussarbeit konnten sich die | |
Fraktionen nicht einigen. CDU und SPD befanden in ihrem 31-seitigen Fazit, | |
die Polizei habe bei der Fahndung nach dem 1998 abgetauchten NSU-Trio | |
„keine Versäumnisse“ begangen. Beim sächsischen Verfassungsschutz sei zwar | |
die „Analysefähigkeit“ damals „nicht optimal“ gewesen. Heute aber sei … | |
Behörde „gut und leistungsfähig aufgestellt“. | |
Die Analyse von Linken und Grünen ist weitaus detaillierter, ihr | |
Abschlussbericht kommt auf 1.136 Seiten. Und beiden kritisieren die | |
Behörden deutlich. Es habe „etliche Hinweise“ auf den Verbleib des Trios in | |
Sachsen gegeben. Diese Informationen seien aber nirgends zusammengeflossen, | |
auch habe es „keine Eigeninitiative“ zur Aufklärung gegeben. | |
## „Institutionell versagt“ | |
Dem sächsischen Verfassungsschutz bescheinigen Linke und Grüne ein | |
„institutionelles Versagen“. Es wäre vor allem dessen Verantwortung | |
gewesen, Maßnahmen zum Auffinden des untergetauchten Trios zu ergreifen. | |
Umso mehr, da das Amt früh Hinweise eines Brandenburger Spitzels auf | |
sächsische Helfer der Untergetauchten erhielt. Darauf aber sei „völlig | |
unzureichend“ reagiert worden, Erkenntnisse seien der Polizei nicht | |
übermittelt worden. | |
Auch eine Analyse zum Verbleib der Abgetauchten „unterblieb völlig“. Der | |
Verfassungsschutz sei schlicht davon ausgegangen, „Rechtsterrorismus | |
existiere nicht“. Eine „objektive Fehleinschätzung“. | |
Für Linke und Grüne gibt es auch nach Ende des NSU-Ausschusses bis heute | |
„blinde Flecken“ zu der Terrorserie, die Aufklärung sei „nach wie vor ni… | |
abgeschlossen“. „Wir ziehen keinen Schlussstrich.“ | |
## Entschädigung muss „unverzüglich“ erfolgen | |
Beide Fraktionen legten am Mittwoch auch deshalb einen Katalog mit 46 | |
Forderungen vor – darunter die nach dem Entschädigungsfonds. Dieser solle | |
„unverzüglich“ eingerichtet und „finanziell hinreichend“ ausgestattet | |
werden. Die Auszahlungen müssten „unbürokratisch“ erfolgen. | |
Auch soll es nach Willen von Linken und Grünen einen Erinnerungsort an die | |
rechtsextreme Terrorserie geben. Zwickau hatte für diese Idee bereits | |
Interesse signalisiert. Daneben brauche es auch eine Forschungsstelle zu | |
[1][Rechtsterrorismus im Land], ein Löschmoratorium für Akten mit NSU-Bezug | |
bei den Sicherheitsbehörden – und eine Abschaffung des Landesamts für | |
Verfassungsschutz. Die Linken hatten dies schon länger gefordert, nun tun | |
dies auch die Grünen. | |
Die Anwälte mehrerer NSU-Opferfamilien begrüßten am Mittwoch die | |
Forderungen der beiden Fraktionen. Deren Fazit der Ausschussarbeit sei „ein | |
wichtiger Beitrag zu der weiterhin notwendigen Aufklärung des | |
NSU-Komplexes“. Der Mini-Bericht von SPD und CDU sei dagegen „ein | |
Armutszeugnis“. Die Forderung nach einer Entschädigung und Würdigung der | |
NSU-Opfer teile man, so die Anwälte. | |
## Thüringen entschädigte Opfer bereits | |
[2][In Thüringen wurde bereits 2017 ein Entschädigungsfonds für die | |
NSU-Opfer eingerichtet], gefüllt mit 1,5 Millionen Euro. Laut dortigem | |
Justizministerium gingen bisher 68 Anträge ein. 1,4 Millionen Euro seien | |
ausgezahlt worden. Auch ein Mahnmal zu der Terrorserie ist in Planung. | |
Standort soll Erfurt sein. | |
Bereits am Montag hatte Brandenburg seinen [3][Abschlussbericht zum | |
dortigen NSU-Untersuchungsausschuss] vorgelegt – und auch dort Versäumnisse | |
des Verfassungsschutz bei der Verfolgung der untergetauchten | |
Rechtsterroristen festgestellt. | |
5 Jun 2019 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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