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# taz.de -- Hongkongs Massenproteste: Das Politdesaster der Carrie Lam
> Die ungeliebte Regierungschefin hat die Massenproteste gegen das
> Auslieferungsgesetzt nicht entschärft. Stattdessen heizte sie sie nur
> weiter an.
Bild: Die Forderungen der Demonstranten in Hongkong sind klar: Carrie Lam soll …
Berlin taz | Nach den rekordverdächtigen Massenprotesten am Sonntag gegen
das umstrittene Auslieferungsgesetz geht in Hongkong die fieberhafte Suche
nach einem Ausweg aus der größten politischen Krise der Sonderzone seit der
Rückgabe an China 1997 weiter. Die Peking-loyale Regierungschefin Carrie
Lam dürfte sich nicht mehr lang im Amt halten, hatte sie die Proteste durch
ihr Verhalten zuletzt nur noch weiter angeheizt.
Vor einer Woche meinte sie zunächst, eine Massendemonstration mit bis zu
einer Million Menschen ignorieren und das umstrittene Gesetz, das die
Auslieferung von Regierungsgegnern an Chinas Justiz ermöglichen könnte,
noch bis zu diesem Donnerstag durch den Legistlativrat boxen zu können.
Doch dann kam es am letzten Mittwoch vor dem Parlamentsgebäude zur größten
Polizeigewalt, die die Stadt seit Jahrzehnten gesehen hat. Zehntausende
hatte erfolgreich die zweite Lesung des Gesetzes im Legislativrat
blockiert, weil niemand in das Gebäude kam.
Lam erklärte zwei Tage später daraufhin das Gesetz für eingefroren, hielt
aber explizit an dem Vorhaben fest. Für die Proteste machte sie nur
Schwächen der Kommunikation verantwortlich. Grundsätzliche Kritik an dem
Gesetz nahm sie weiter nicht ernst. Eine Entschuldigung für ihre als
arrogant empfundene Art lehnte sie ebenso ab wie für die massive
Polizeigewalt, die viele Hongkonger schockiert hatte.
## Nach Lams Äußerungen kommen noch mehr Demonstranten
Statt, wie erhofft, den Demonstranten entgegen zu kommen, heizte Lam die
Proteste nur weiter an. Am Sonntag gingen dann nach Veranstalterangaben
knapp zwei Millionen der 7,5 Millionen Hongkonger gegen das Gesetz auf die
Straße und forderten Lams Rücktritt. Die Polizei sprach wie üblich von viel
weniger Protestierenden, aber auch deren Zahl von 338.000 gegen 245.000
Demonstranten vom Sonntag zuvor zeigt einen deutlichen Anstieg.
Während des stundenlangen Protestmarsches entschuldigte sich Lam dann doch
noch und räumte „Defizite in der Regierungsarbeit“ ein. Aber das machte sie
nur in einer schriftlichen Erklärung und wieder, ohne das von den
Demonstranten geforderte endgültige Ende des Gesetzes zu verkünden, eine
Untersuchung der Polizeigewalt anzukündigen oder den eigenen Rücktritt in
Aussicht zu stellen.
Es war daher kein Wunder, dass die Organisatoren der Großdemonstration Lams
halbherzige Entschuldigung unbeeindruckt ablehnten. In der Nacht zu Montag
blockierten Demonstranten des rekordverdächtigen Marsches vom Vortag eine
Straße vor dem Legislativrat. Am Montag einigten sie sich mit der Polizei,
ihren Protest in einen Park zu verlegen.
## Studentenfüher frei
Der 22-jährige Studentenführer Joshua Wong wurde Montagmorgen aus dem
Gefängnis entlassen. Er war einer der Führer der Regenschirmbewegung 2014.
Zunächst war er zu drei Monaten Haft verurteilt worden. Wegen seiner
damaligen Minderjährigkeit wurde das Strafmaß aber auf zwei Monate
reduziert. Jetzt wurde er wegen guter Führung schon nach einem Monat
freigelassen. Er forderte sofort Lams Rücktritt. Sie sei „nicht mehr
qualifiziert“.
Die Presseagentur AP zitierte am Montag den Politiker Lam Ching Choi aus
Lams Kabinett mit den Worten, er rechne damit, dass sie sich in naher
Zukunft erneut für das Gesetzesvorhaben entschuldigen werde. Viele hoffen,
dass sie dann auch endlich zurücktritt.
17 Jun 2019
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
China
Protest
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Massenproteste
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