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# taz.de -- Thaiwiese im Preußenpark: Nur noch mit Gewerbeschein
> Die regellose Gastronomie unter freiem Himmel in Wilmersdorfer soll
> reguliert werden. Bei einer ersten Kontrolle Anfang Juni blieb die Wiese
> leer.
Bild: Thaiwiese im Preußenpark in Wilmersdorf: hier gibt es Kokosnüsse (und v…
„Weil es einfach Kult ist“, begründet die Spandauerin, Ende 20, warum sie
hier herkommt. Es ist Sonntag, die Sonne scheint und sie sitzt mit zwei
Freunden unter einem mitgebrachten Sonnenschirm auf der Thaiwiese in
Wilmersdorf. Vor ihr auf der Decke liegen drei Portionen Papayasalat und
drei Kokosnüsse zum Austrinken. Das haben die drei an einem der zahlreichen
Stände gekauft, wo ThailänderInnen und andere asiatische BerlinerInnen
fernöstliche Gerichte verkaufen. „Das ist lecker und preisgünstig, wir
können so wunderbar entspannen“, sagt die Frau.
Seit sechs oder sieben Jahren kommen die drei zweimal im Monat während der
warmen Jahreszeit hierher. Einer ihrer Begleiter meint, so richtig voll sei
es hier allerdings erst seit dem vergangenen Sommer. „Die Medien berichten
dauernd darüber. Dadurch kommen mehr Leute. Viele davon jetzt gerade, weil
in den Zeitungen steht, dass es nächstes Jahr nicht mehr so weitergeht wie
bisher.“ Etwa 1.000 Menschen sitzen und liegen am Pfingstsonntag auf der
Wiese, die in weiten Teilen eher an eine Sandwüste mit unzähligen
Sonnenschirmen erinnert.
Auf der Decke neben den Spandauern sitzt eine Familie, die von weiter
herkommt. Eine deutsch-kambodschanische Familie ist eigens aus Hamburg
angereist, um hier bei fernöstlicher Küche Freunde zu treffen und zu
entspannen. Die Söhne spielen auf dem nahen Spielplatz, während die Eltern
süßsauer marinierte Hühnerkeulen essen. „Dreieinhalb Stunden brauchen wir
von Hamburg hierher“, sagt der Mann. „Und wir können
deutsch-kambodschanische Familien aus ganz Norddeutschland treffen.“
Viermal im Jahr macht die Familie sich dafür auf den Weg nach Berlin.
Morgens geht es hin und abends zurück – mit reichlich zubereiteten
fernöstlichen Speisen für die Tiefkühltruhe im Gepäck.
Auf der Decke neben ihnen liegen zwei Studentinnen aus London. Sie sind zum
ersten Mal hier. Der Besuch der Thaiwiese ist Teil ihres
Berlin-Kurzurlaubs. Sie kennen das Angebot von Onlinereiseführern. Eine
Studentin lässt sich gerade für 30 Euro den Rücken massieren.
Thailänderinnen werben unter den Besuchern für dieses Angebot.
## Ohne Kühlung und fließendem Wasser
Auch wenn die Thaiwiese inzwischen in Reiseführern steht und Touristen
anzieht, sie ist völlig illegal. Die Händler haben kein Gewerbe angemeldet
und zahlen keine Steuern. Viele von ihnen tragen zwar beim Mixen der
Speisen Handschuhe, aber das Lebensmittelamt schaut hier nicht nach dem
Rechten. Nach deutschen Gesetzen wäre der Verkauf von Lebensmitteln auf
einer Wiese ohne Kühlung und fließendem Wasser eigentlich verboten. Doch
gerade dieses Spontane, Authentische macht die Anziehung der Thaiwiese aus.
Vor 20 Jahren hat die Thaiwiese im Wilmersdorfer Preußenpark neben der
U-Bahn-Station Fehrbelliner Platz klein angefangen. Da trafen sich im
Sommer thailändische Familien. Sie haben landestypische Speisen zum eigenen
Verzehr mitgebracht. Passanten hatten gefragt, ob sie etwas kaufen könnten.
Thailändische Hausfrauen und Rentnerinnen entdeckten hier eine Chance, sich
im Sommer etwas Geld zu verdienen.
In den letzten Jahren entstand der florierende Handel, an dem sich sogar
asiatische Restaurants beteiligen, die hier an Sommerwochenenden informelle
Außenstellen betreiben. Andere KöchInnen reisen im Sommer eigens mit einem
Touristenvisum aus Thailand an. Und: Zu den ThailänderInnen sind inzwischen
AnbieterInnen aus Korea, Vietnam, den Philippinen, Kambodscha, Laos,
Brasilien und Japan gestoßen.
Die regellose Gastronomie unter freiem Himmel stinkt den Anwohnern in
Wilmersdorf. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn über der Wiese, die
teilweise wegen der Übernutzung zur Sandwüste geworden ist, liegt ein
süßsaurer Dunstgeruch. Der Müll zieht Ungeziefer an. Dabei gab es bis vor
drei Jahren einen von den HändlerInnen selbst organisierten
Müllabfuhrdienst. Der brach aber zusammen, weil der Organisator gestorben
ist und auch weil die Zahl der VerkäuferInnen, Kundinnen und damit der
Müllumfang stieg. In diesem Jahr ist der Bezirk in die Bresche gesprungen
und lässt den Müll abholen.
## Rechtsfreier Raum entstanden
Die Anwohner stört aber auch der Lärm, oft bis in die späten Abendstunden
hinein. Und sie machen gegenüber den Bezirkspolitikern aus anderen Gründen
ihrem Ärger Luft: Sie können nicht akzeptieren, dass hier ein rechtsfreier
Raum entstanden ist, in dem das Finanzamt keine Steuern einnimmt, während
die öffentliche Hand für Müllabfuhr und Ungezieferbeseitigung sorgen muss.
Dass das Lebensmittelamt nicht die Einhaltung der Kühlkette kontrolliert.
Und niemand nach illegalem Glücksspiel und dem Verkauf von Alkohol an
Kinder schaut.
Darum hat sich der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf eine Änderung auf die
Fahnen geschrieben: Die Wiese soll wieder begrünt und die fernöstliche
Gastronomie an den Parkrand gedrängt und stark verkleinert werden. Im Kern
sind sich auch alle Parteien im Bezirk einig: Das weit über Berlin bekannte
Angebot soll erhalten bleiben, aber verträglicher für die Anwohner und
unter behördlicher Kontrolle.
Meinungsunterschiede zwischen den Parteien bestehen in Detailfragen.
Beispielsweise darin, was in diesem Jahr passiert. Ordnungsstadtrat Arne
Herz (CDU) will den Verkauf ein bis zweimal pro Monat durch Polizei und
Ordnungsamt völlig unterbinden, damit er „nicht wieder so ausufert wie
2018“, aber auch, um auf die protestierenden Anwohner einen Schritt
zuzugehen.
## Kontrolle: die Wiese blieb leer
Die erste Kontrolle gab es bereits am ersten Samstag im Juni. Die Behörden
haben den ganzen Tag dafür gesorgt, dass die Wiese leer blieb. Während die
Anwohner die Ruhe genossen, blieben die HändlerInnen auf ihrer Ware sitzen
und die von weit her angereisten Gäste waren sauer. SPD, Grüne und Linke im
Bezirk kritisieren diese Kontrollen als „Verdrängung des über die
Bezirksgrenzen hinaus bekannten Food-Marktes inmitten eines
Beteiligungsverfahrens“.
Eine Annäherung zwischen AnwohnerInnen, die eine Grünfläche und Ruhe
wünschen und Fans fernöstlicher Gastronomie ist nicht in Sicht. Die taz hat
eine einzige Anwohnerin gefunden, die auf der Thaiwiese liegt: Sie hat auf
der Decke selbst mitgebrachte Erdbeeren und Bananen ausgebreitet für ihre
Kinder, „die nicht thailändisch essen“, wie die russlanddeutsche Frau sagt.
Sie selbst isst japanische Teigtaschen vom Markt. Sie hält die Vorstellung
ihrer Nachbarn für eine Illusion, dass es hier ruhiger werden wird, wenn
weniger fernöstliche Gastronomie verkauft wird. „Niemand kann den Kindern
verbieten, hier zu spielen und den Erwachsenen, sich zu erholen. Das wird
laut bleiben.“
16 Jun 2019
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
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