| # taz.de -- Affäre um Österreichs Geheimdienste: Wenn der Kanzler Zeitung lie… | |
| > Bei einer Razzia im österreichischen Verfassungsschutz sind Daten | |
| > herausgelangt. Ein Ausschuss befragt dazu den abgesetzten Kanzler | |
| > Sebastian Kurz. | |
| Bild: Sebastian Kurz will sich nicht selbst informieren | |
| Wien taz | Es ist Pause, der Bundeskanzler außer Dienst, Sebastian Kurz | |
| plaudert mit Kollegen von der Freiheitlichen Partei Österreichs, | |
| Parlamentarier der Partei also, [1][an deren Skandalen die Koalition gerade | |
| erst zerbrochen ist], dann steht er in der Mitte des Saales und niemand | |
| will etwas von ihm. | |
| Sebastian Kurz ist seit zwei Tagen nicht mehr Bundeskanzler, der | |
| Bundespräsident hat die Koalition aufgelöst, nachdem ein Misstrauensvotum | |
| gegen den Kanzler und sein Übergangskabinett gestellt worden war. Nur der | |
| Nationalrat, das Parlament, ist noch arbeitsfähig, und deshalb auch sein | |
| Untersuchungsausschuss. Der beschäftigt sich damit, aufzuklären, [2][wieso | |
| das Bundesamt für Verfassungsschutz von Polizisten durchsucht wurde]; wie | |
| sensibel die Daten waren, die dort rausgetragen wurden; und welche | |
| Verantwortung der Bundeskanzler dafür trägt. | |
| Kurz sagt am Mittwoch im Untersuchungsausschuss: Er habe sich über die | |
| Causa stets informiert – über die Medien. | |
| Am 28. Februar 2018 melden sich Ermittler an der Pforte des Bundesamtes für | |
| Verfassungsschutz und Terrorabwehr (BVT) in Wien. Sie haben einen | |
| Durchsuchungsbeschluss dabei, sollen Datenträger und Akten sichern, die im | |
| Zusammenhang mit Amtsmissbrauch und Korruptionsvorwürfen stehen könnten. | |
| Sie nehmen aber auch Unterlagen aus dem Extremismusreferat mit. Und eine | |
| Festplatte, auf der Mitarbeiter der IT-Abteilung ein vollständiges Back-up | |
| mit Daten der sogenannten Neptun-Kommunikation angefertigt hatten. Darin: | |
| Erkenntnisse über Extremisten, über die sich europäische Nachrichtendienste | |
| ausgetauscht hatten. | |
| ## Verbleib der Daten von V-Leuten unklar | |
| Die Staatsanwaltschaft hatte im Mai 2018 mitgeteilt, dass die Daten dieser | |
| Festplatte gesichtet und dann gelöscht würden, sofern sie für die | |
| Ermittlungen nicht relevant seien. Das bedeutet vermutlich: Die | |
| Staatsanwaltschaft muss sich mit den Inhalten der Festplatte | |
| auseinandergesetzt haben. Laut einem IT-Mitarbeiter, der im Ausschuss | |
| aussagte, sollen auch Identitäten von V-Leuten auf der Festplatte | |
| gespeichert gewesen sein. Auf eine Anfrage der taz nach dem heutigen | |
| Verbleib schreibt die Staatsanwaltschaft: sie könne darauf nicht antworten, | |
| „unter anderem im Interesse der auswärtigen Beziehungen“. | |
| Die Folge der Razzia damals ist: Österreich wird zunehmend isoliert. | |
| [3][Europäische Nachrichtendienste wollen mit dem BVT nicht viel mehr | |
| austauschen] als Informationen über das Wetter – so formuliert es eine | |
| Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss. In dem nun also auch | |
| Bundeskanzler Kurz sitzt. | |
| Der Untersuchungsausschuss hat – grob skizziert – folgende Ergebnisse | |
| erbracht: Die Staatsanwaltschaft hatte nicht allein entschieden, eine | |
| Razzia im Verfassungsschutz durchzuführen – der engste Mitarbeiter des nun | |
| des Amtes enthobenen FPÖ-Innenministers Herbert Kickl hatte nachdrücklich | |
| bei der Staatsanwaltschaft darum geworben. Der Innenminister und sein | |
| Generalsekretär hatten auch Zeugen persönlich getroffen. Ein Gericht hatte | |
| die Durchsuchungen später größtenteils für unrechtmäßig erklärt. | |
| Konsequenzen gab es für den Innenminister oder seine Mitarbeiter nicht. | |
| Als die Abgeordneten im Untersuchungsausschuss am Mittwoch dann den gerade | |
| abgesetzten Bundeskanzler Kurz fragen, wie er von der Durchsuchung erfahren | |
| hat, wie von der internationalen Isolation des österreichischen | |
| Nachrichtendienstes, wie von den Bemühungen des Innenministeriums um die | |
| BVT-Ermittlungen, antwortet er: Er habe die „Medienberichterstattungen | |
| verfolgt“. | |
| Kurz sagt, dass er auf die Gerichte vertraut habe, auf die zuständigen | |
| Minister und auf den Untersuchungsausschuss. Nur einer kommt in seiner | |
| Ausführung nicht vor: der Bundeskanzler. Er selbst. | |
| ## Mehrere Länder trauen Österreich nicht mehr | |
| Auf europäischer Ebene treffen sich die Chefs der europäischen | |
| Inlandsdienste in einem informellen Zirkel, dem Berner Club. Österreich ist | |
| dort zwar offiziell noch Teil der Runde, hatte sich aber aus den | |
| Arbeitsgruppen zurückziehen müssen. Mehrere Länder, darunter die | |
| Niederlande und Großbritannien trauen Österreich nicht mehr. Auch der | |
| deutsche Verfassungsschutzchef [4][Christoph Haldenwang hatte jüngst laut | |
| einem Bericht der Welt] im Parlamentarischen Kontrollgremium des deutschen | |
| Bundestags sein mangelndes Vertrauen in die Sicherheit geheimer | |
| Informationen geäußert. Wegen der BVT-Durchsuchung – und auch wegen der | |
| [5][engen Verbindungen der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) nach | |
| Russland]. Bis zum Bruch der Koalition hatten alle österreichischen | |
| Nachrichtendienste FPÖ-Ministern unterstanden. Eine Entscheidung, die schon | |
| bei der Regierungsbildung umstritten gewesen war. | |
| Kurz erklärt vor dem Untersuchungsausschuss, er habe in der | |
| Verfassungsschutzcausa zwar wiederholt mit dem Innenminister gesprochen, | |
| der hatte den Medienberichten dann widersprochen. Eigene Auskunft hat sich | |
| Kurz nie eingeholt, etwa vom Verfassungsschutz selbst, darüber, ob der | |
| Nachrichtendienst durch die zunehmende Isolation noch arbeitsfähig ist. | |
| Oder die Sicherheit des Landes gefährdet sein könnte. | |
| „Sie sagen hier, trotz dieser größten Krise der internationalen | |
| Zusammenarbeit haben sie kein einziges Mal davon gebraucht gemacht und dort | |
| angerufen und nachgefragt“, sagt Jan Krainer, Abgeordneter der | |
| sozialdemokratischen Oppositionspartei SPÖ. | |
| Weil Kurz zugeben muss, dass ihm Details der Abläufe bis heute nicht | |
| bekannt sind, sagt Stephanie Krisper, Oppositionspolitikerin der liberalen | |
| Neos, sie sei „sehr negativ erstaunt, dass Kurz sich nicht einmal bemüßigt | |
| gefühlt hat, zu dieser heiklen Sicherheitslage die Zeitungsberichte zu | |
| konsumieren“. | |
| Kurz selbst sagt: „Mein Eindruck war, dass das nicht durch politische | |
| Einflussnahme besser wird.“ | |
| 30 May 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Misstrauensvotum-in-Oesterreich/!5598469 | |
| [2] /Korruption-in-Oesterreich/!5532246 | |
| [3] /Oesterreichs-Geheimdienst-ausgeschlossen/!5582258 | |
| [4] https://www.welt.de/politik/deutschland/article193726799/Erhebliche-Risiken… | |
| [5] /Rechtsextreme-pro-russische-Netzwerke/!5571037 | |
| ## AUTOREN | |
| Christina Schmidt | |
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