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# taz.de -- #MeToo beim Fußball: Leider kein Safe Space
> Das Machoreich des Weltfußballs blieb viel zu lange verschont von der
> #MeToo-Debatte. Das gilt auch für den Frauenfußball.
Bild: Hope Solo (l.) beschuldigte Sepp Blatter 2017 der sexuellen Belästigung
Paris taz | Mann hat gelacht, vielleicht nur gelächelt. Es klang für viele
wie ein Witz. Im November 2017 beschuldigte Hope Solo, die
Weltmeistertorhüterin der USA, den früheren Fifa-Boss Joseph Sepp Blatter,
sie sexuell belästigt zu haben. Bei einer Zeremonie zur Ehrung der
Weltfußballerin des Jahres habe er ihr an den Hintern gefasst. Gewundert
hat diese Anschuldigung niemanden. Sie wurde notiert. Zum großen Skandal
wurde sie nicht. Ausgerechnet das Machoreich des Weltfußballs blieb
verschont von der #MeToo-Debatte, die in jenem Herbst des Jahres 2017 ihren
Lauf nahm.
Selbst die schlimmsten Fälle von sexuellen Übergriffen führten lange nicht
zu einer grundsätzlichen Kritik am Umgang mit Frauen in der Welt des von
Männern regierten Fußballs. Auch als sich im März 2018 Spielerinnen und
Betreuerinnen der afghanischen Frauennationalmannschaft an die
Öffentlichkeit wandten und von sexuellen Übergriffen bis hin zu
Vergewaltigungen berichteten, hielt sich der Aufschrei in Grenzen. Dabei
war einer der Beschuldigten kein Geringerer als der Präsident des
afghanischen Fußballverbands Keramuddin Keram höchstselbst. Der wurde nun
von der Ethikkammer der Fifa lebenslang gesperrt und zu einer Strafzahlung
von einer Million Schweizer Franken verurteilt.
In dieser Dimension ist der Fall womöglich einzigartig. Doch auch in
anderen Fällen untersucht die Ethikkommission Fälle von sexuellen
Übergriffen. Einer betrifft den Chef des Afrikanischen Fußballverbands
(CAF) Ahmad Ahmad. Der 59-jährige Funktionär aus Madagaskar ist einer der
sieben Vizepräsidenten der Fifa. Einem Bericht der New York Times zufolge
soll er mehr als eine Mitarbeiterin bedrängt haben.
Mariam Diakite, eine PR-Beraterin aus Mali, beschuldigt Ahmad, sie gefeuert
zu haben, weil sie sich seinen Annäherungsversuchen widersetzt habe. Er
habe sie am Rande einer Konferenz in Rabat in sein Hotelzimmer zu locken
versucht. Ihren Job hat sie nun wieder, nachdem sich Fatma Samoura, die
Generalsekretärin der Fifa, eine Vertraute von Ahmad, vermittelnd in den
Fall eingeschaltet hat.
## Die sexuellen Übergriffe waren kein Thema
Aus den Anhörungen bei der Fifa-Untersuchungskommission wisse Diakite, dass
Ahmad noch weitere Frauen belästigt habe. Ahmad ist kurz nach dem
Fifa-Kongress in der vergangenen Woche von der französischen Polizei in
Gewahrsam genommen worden und wegen Korruptionsvorwürfen befragt worden.
Seine sexuellen Übergriffe waren dabei kein Thema. Die werden weiter von
der Fifa untersucht. Dennoch kann festgehalten werden: #MeToo hat die
Fifa-Spitze erreicht.
Nur wer solche Fälle vor Augen hat, kann die Bedeutung der Worte ermessen,
die Samoura bei der Eröffnung der ersten Frauenfußballtagung der Fifa in
der vergangenen Woche in Paris ausgesprochen hat. Sie bezog sich direkt auf
die #MeToo-Bewegung, als sie sagte: „Weil das Phänomen in den sozialem
Medien immer größer wurde, werden die Schwierigkeiten, die Probleme und die
Kämpfe, mit denen Frauen Tag für Tag zu tun haben, endlich, endlich
verstanden.“ Dann sprach sie den Wunsch aus, dass zumindest die WM in
Frankreich ein Safe Space für Frauen sein möge. Sie sagt das, weil sie
weiß, dass sexuelle Übergriffe von männlichen Betreuern auf Spielerinnen
regelmäßig vorkommen.
Das traf zum Beispiel Spielerinnen der U20-Nationalmannschaft von Gabun
während eines Turniers im französischen Marseille. Sie mussten mit
Betreuern und Funktionären im selben Zimmer schlafen. Nachdem es zu
sexuellen Übergriffen gekommen war, mussten die Spielerinnen der
Teamleitung ihre Handys und ihre Pässe aushändigen. In Gabun ermitteln nun
die Behörden. Und es gibt weitere Fälle. In Kolumbien hat sich ein Trainer
an Spielerinnen der U17-Nationalmannschaft vergangen. Und in Ecuador hat
sich eine Nationalspielerin an den Verband gewandt, nachdem sie von drei
Trainern sexuell belästigt worden ist.
Das Frauenbild, für das diese Fälle beispielhaft sind, ist nicht weit
entfernt von den Entgleisungen, die sich männliche Fußballmillionäre
regelmäßig leisten. Dazu gehören Besuche in Bordellen, Nationalspieler, die
sich gegenseitig mit Sexvideos erpressen, Beziehungen mit minderjährigen
Prostituierten und Vergewaltigungsvorwürfe.
In diesen Tagen wird der brasilianische Stürmer Neymar von einer Frau
beschuldigt, sie vergewaltigt zu haben. Während er die Vorwürfe bestreitet,
verbreitet er munter Videomaterial mit der Frau aus dem Hotelzimmer, in dem
es zu der Tat gekommen sein soll. Das sehen sich andere Profis wie der
ehemalige französische Nationalspieler Jérôme Rothen an. Der fragt sich
dann öffentlich in einer beliebten Radioshow: „Neymar kann haben, wenn er
will, warum nimmt er sich jemanden aus der zweiten Liga?“
Dieser abgeschmackte Männerwitz hat ihn seinen Job bei Radio Monte Carlo
gekostet. Immerhin. Der Fall zeigt aber auch, welch langer Weg es noch ist,
bis die Welt des Fußballs wirklich ein Safe Space für Frauen ist.
11 Jun 2019
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Frauen-WM 2019
Joseph Blatter
Fifa
Schwerpunkt #metoo
sexuelle Belästigung
Fußball
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