# taz.de -- Gesetz zu „Konversionstherapien“: „Homoheilung“ soll verbot… | |
> Gesundheitsminister Spahn will Umpolungsversuche an Homosexuellen | |
> verbieten. Allerdings ist noch völlig unklar, wie das Gesetz aussehen | |
> soll. | |
Bild: Martin Burgi, Peer Briken, Jörg Litwinschuh-Barthel und Jens Spahn bei d… | |
BERLIN taz | Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plant ein schnelles | |
Verbot sogenannter Konversionstherapien, mit denen Schwule, Lesben und | |
Bisexuelle zu Heterosexuellen „umgepolt“ werden sollen. Dieses Verbot sei | |
aus medizinischer Sicht geboten und verfassungsrechtlich möglich, sagte | |
Spahn am Dienstag in Berlin zum Ergebnis von zwei wissenschaftlichen | |
Gutachten [1][und einer von ihm einberufenen Fachkommission]. | |
„Homosexualität ist keine Krankheit und damit auch nicht | |
behandlungsbedürftig. Die fälschlicherweise Therapien genannten | |
Interventionen können gravierende Folgen für den Einzelnen haben und in | |
einer Gesellschaft ein Klima von Diskriminierung mitbefördern“, so Spahn. | |
Es brauche ein starkes Signal des Staates, um Homosexuelle vor | |
Diskriminierung, Pathologisierung und Stigmatisierung zu schützen. Der | |
Gesundheitsminister wolle „noch vor der Sommerpause“ mit dem | |
Justizministerium und den Abgeordneten des Bundestags klären, wie ein | |
Verbot rechtlich genau aussehen könne. Ob dieses nur für Minderjährige oder | |
auch für Erwachsene und ob es auch für vermeintlich freiwillige | |
Interventionen gilt, steht demnach genauso wenig fest wie die Höhe der | |
entsprechenden Sanktion. | |
## Gutachten zeigt negative Folgen | |
Der Sexualwissenschaftler Peer Briken wies in seinem Kurzgutachten auf | |
negative Folgen solcher „Therapien“ hin: Es gebe bei den Betroffenen | |
„deutliche Hinweise auf Depressivität, Angst und Suizidalität“ und auf der | |
gesellschaftlichen Ebene „eine Förderung von Diskriminierung über das | |
Angebot solcher Interventionen“, so Briken bei der Vorstellung. | |
Auf diesen medizinischen Erkenntnissen aufbauend sei ein Verbot | |
„verfassungsrechtlich grundsätzlich möglich“, so der Rechtswissenschaftler | |
und Autor des zweiten Gutachtens, Martin Burgi. Dieses würde sich gegen das | |
Angebot sowie die Durchführung, Vermittlung und Werbung für sogenannte | |
Konversionstherapien richten. | |
Werde das Verbot mit einem Ordnungswidrigkeitentatbestand verbunden, sei | |
das „vergleichsweise einfacher möglich“, so Burgi weiter. Gehe es um einen | |
Straftatbestand, sei die Rechtfertigung anspruchsvoller: Gegenüber Ärzten, | |
Psychologen, Psychotherapeuten, Heilpraktikern und gewerblichen Anbietern | |
halte er dies jedoch für grundsätzlich möglich, da der | |
Diskriminierungseffekt durch die „gesteigerte Autorität noch mal stärker | |
sei“. | |
Allerdings gibt es auch Umpolungsversuche, die nicht berufsmäßig und | |
außerhalb von Kassenleistungen angeboten werden. Auf Nachfrage der taz, ob | |
diese Anbieter straffrei bleiben würden, wich Spahn aus: Es sei „eine | |
schwierige Frage“ und „individuell nicht immer leicht zu bestimmen“, wann | |
„aus Seelsorge oder Meinungsäußerung ein Straftatbestand“ werde. Noch ste… | |
nicht fest, „wie wir zu dieser Abgrenzung dann konkret kommen können“. | |
## 1.000 Fälle jährlich | |
Laut Jörg Litwinschuh-Barthel von der Magnus-Hirschfeld-Stiftung sei das | |
Ausmaß der Umpolungsversuche viel größer als bislang angenommen: Man müsse | |
in Deutschland jährlich von 1.000 Fällen ausgehen, vor allem im familiären | |
Umfeld, wenn Eltern selbst versuchen, „ihre Kinder von ihrer sexuellen | |
Orientierung wegzubekommen“; im therapeutischen Umfeld, wenn Therapeuten | |
„eigenmächtig an Menschen herumdoktern“ und im | |
religiös-fundamentalistischen Kontext, „von Gebeten bis hin zum | |
Exorzismus“. | |
Spahns Fachkommission gehörten unter anderem Experten für Recht, Gesundheit | |
und Sexualforschung an, neben Abgeordneten aller im Bundestag vertretenen | |
Parteien außer der AfD waren auch katholische, evangelische, muslimische | |
und jüdische Vertreter religiöser Organisationen Teil der Kommission. Auf | |
Nachfrage der taz, was diese Personen zu Fachleuten des Themas mache, | |
bezeichnete es der Gesundheitsminister als einen „gesellschaftlichen | |
Gewinn, wenn Vertreter der Religionsgemeinschaften ihre Aspekte und | |
Blickwinkel einbringen.“ | |
Zudem waren mit drei ehemaligen TeilnehmerInnen der Pseudotherapien auch | |
Betroffene Teil des Fachaustauschs. Darunter war [2][Bastian Melcher, der | |
in einer evangelikalen Familie aufwuchs und sich einer | |
„Dämonenaustreibung“] eines Arzts unterziehen musste. Heute lebt er offen | |
schwul. „Ich fordere, dass im Gesetz keine Unterscheidung zwischen Minder- | |
und Volljährigkeit gemacht wird. Das Verbot muss über eine | |
Ordnungswidrigkeit hinausgehen“, sagt er zur taz. | |
Auch Raphaelle Rousseau wurde von Spahn in die Fachkommission berufen. Eine | |
Psychotherapeutin, die ursprünglich aufgrund von Bindungsängsten aufgesucht | |
worden war, versuchte Rousseau mittels Lichtstrahlen von ihrem Lesbischsein | |
abzubringen. Irgendwann schlug sie sogar Elektroschocks als | |
„Heilungsmethode“ vor. „Mir war damals nicht bewusst, was genau passiert. | |
Wenn es schon damals die jetzige Debatte gegegen hätte, hätte ich mir noch | |
andere Anlaufstellen gesucht“, sagt sie zur taz. „Die Nachwirkungen waren | |
extrem. Obwohl es mir sehr schwerfiel, das alles wieder hochzuholen, war | |
ich froh, dass ich mit meinem Bericht aus erster Hand zum Gesetzesvorhaben | |
beitragen konnte.“ | |
11 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Geplantes-Verbot-von-Homo-Heilung/!5587256 | |
[2] /Politik-gegen-Konversionstherapien/!5573010 | |
## AUTOREN | |
Frederik Schindler | |
## TAGS | |
Schwerpunkt LGBTQIA-Community | |
Jens Spahn | |
Konversionstherapie | |
Homophobie | |
Grüne Berlin | |
50 Jahre Stonewall | |
Psychotherapie | |
Bundesministerium für Gesundheit | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Dirk Behrend über queere Landespolitik: „Wir werden nichts zurücknehmen“ | |
Nicht zu viel versprochen: Der grüne Justizsenator Dirk Behrendt verteidigt | |
die ambitionierten queerpolitischen Ziele des rot-rot-grünen Senats. | |
Coming-Out im Alter: Herr Lehmann sucht die Liebe | |
Nach 32 Jahren Ehe mit einer Frau merkte Conrad Lehmann, dass er auf Männer | |
steht. Für ihn beginnt eine Suche nach Liebe, die bis heute anhält. | |
Psychotherapie-Kongress in Würzburg: Helfen und heilen? | |
Christliche Psychotherapeut*innen vernetzen sich auf einem Kongress. Manche | |
haben ein Problem mit selbstbestimmter Sexualität. | |
Geplantes Verbot von „Homo-Heilung“: Verbotsvorschläge verspäten sich | |
Jens Spahn wollte bis zum Sommer Vorschläge für ein Verbot von | |
„Konversionstherapien“ vorlegen. Nun soll eine Kommission bis zum Herbst | |
arbeiten. | |
Politik gegen Konversionstherapien: Keine Heilung, nur Verzweiflung | |
Konversionstherapien, die Lesben und Schwule umpolen sollen, können | |
Betroffene in den Suizid treiben. Sie sollen deswegen verboten werden. |