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# taz.de -- Reaktionen auf BDS-Beschluss: Protestpost aus Palästina
> Die palästinensische Zivilgesellschaft wendet sich gegen den
> BDS-Beschluss des deutschen Bundestags. In der Westbank und Gaza kam es
> zu Protesten.
Bild: Demo gegen „rassistischen“ Beschluss: Protest in Ramallah am vergange…
Berlin taz | Mit Demonstrationen und scharfer Kritik haben Vertreter der
palästinensischen Zivilgesellschaft auf den [1][Bundestagsbeschluss zur
Boykottbewegung BDS] („Boycott, Divestment and Sanctions“) reagiert. Er
vermische „auf gefährliche Weise die BDS-Bewegung und Antisemitismus,
während er alle zivilgesellschaftlichen Akteure ins Visier nimmt, die sich
für die Grundrechte des palästinensischen Volks“ einsetzten, heißt es in
einer [2][Stellungnahme] verschiedener Dachverbände, denen mehrere hundert
NGOs angehören.
Der Bundestag hatte die BDS-Bewegung vorvergangene Woche als antisemitisch
verurteilt. In dem Beschluss von Union, SPD, Grünen und FDP heißt es, der
Bundestag trete entschlossen „jeder Form des Antisemitismus schon im
Entstehen in aller Konsequenz“ entgegen. Kritiker bemängeln, dass der
Beschluss durch eine pauschale Verurteilung jeglicher Boykottaufrufe die
palästinensische Zivilgesellschaft gefährde.
Mit dem Beschluss verstoße der Bundestag „gegen die Menschenrechte, nämlich
gegen das Recht auf Meinungs-, Äußerungs- und Versammlungsfreiheit“, heißt
es in dem Schreiben der NGOs weiter. Er schränke den „Raum der
palästinensischen Zivilgesellschaft weiter ein und bringt sie effektiv zum
Schweigen.“ Die Unterzeichner warnen vor Bestrebungen, den Beschluss in
Gesetzesform zu gießen.
[3][In der Westbank-Stadt Ramallah] sowie [4][in Gaza-Stadt] war es
vergangene Woche zu Demonstrationen gekommen. In arabischen Medienberichten
war von einigen Dutzend bis zu einigen hundert Teilnehmern die Rede, die
mit Plakaten vor die Vertretungen der Bundesrepublik zogen, um gegen den
[5][„rassistischen Beschluss des deutschen Parlaments“] zu protestieren.
Die israelische Regierung gab an, unter den Aktivisten hätten sich
Terroristen befunden.
## FDP-MdB „verwundert“ über Kritik aus Palästina
In einem [6][weiteren Schreiben] werfen rund fünfzig NGOs, Gewerkschaften
und Studierendenvereinigungen dem Bundestag vor, seinen Beschluss auf Lügen
zu stützen. „BDS ruft zu gewaltfreiem Druck auf Israels Besatzungsregime
(…) auf, bis es mit seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen im Einklang
ist“, heißt es. „BDS ruft auf, Israels Besatzung von 1967 und sein System
von Rassendiskriminierung gegen seine palästinensischen Bürger zu beenden
sowie das auf UN-Ebene festgelegte Recht auf Rückkehr der palästinensischen
Flüchtlinge anzuerkennen.“
Der FDP-Abgeordnete Frank Müller-Rosentritt, der maßgeblich auf den
Bundestagsbeschluss hingewirkt hatte, zeigte sich gegenüber der taz
„verwundert“ über die Kritik. Sie basiere auf grundlosen Behauptungen.
„Viele Kritiker suggerieren, dass es ohne die – ausgesprochen
problematische – BDS-Bewegung keine zivilgesellschaftliche Aktivität und
keinen Einsatz für Menschenrechte aufseiten der Palästinenser geben könne.“
Dies sei jedoch nicht der Fall.
Unter den Unterzeichnern der beiden Protestbriefe finden sich zahlreiche
Organisationen, die von Deutschland und anderen Ländern gefördert werden –
etwa die Menschenrechtsorganisation al-Haq, das Maan Development Center
oder die Gefangenenrechtsorganisation Addameer. Bevor Projekte mit
staatlichen Mitteln aus Deutschland gefördert werden – etwa durch
politische Stiftungen, die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit
(GIZ) oder kirchliche Hilfswerke –, prüft das Auswärtige Amt die Vorhaben
auf Unbedenklichkeit.
Eine Nähe der Organisationen zu BDS gilt bislang nicht als
Ausschlusskriterium. Palästinensische NGOs und ihre deutschen Partner
befürchten, dass sich dies ändern könnte. Der israelischen Regierung ist
die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in den besetzten Gebieten seit
langem ein Dorn im Auge.
Entsprechend positiv fielen die offiziellen Reaktionen auf den
Bundestagsbeschluss aus Jerusalem aus. „Ich gratuliere zu der wichtigen
Entscheidung, BDS als antisemitische Bewegung zu brandmarken“, schrieb
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und forderte konkrete Schritte.
Gilad Erdan, Minister für Strategische Angelegenheiten, sagte: „Ich hoffe,
die Entscheidung führt zu ähnlichen Entscheidungen in anderen europäischen
Ländern.“
Die Netanjahu-Regierung und ihr nahestehende Organisationen wie NGO-Monitor
und Im Tirtzu arbeiten auf eine [7][Delegitimierung von
Besatzungskritikern] in den palästinensischen Gebieten, Israel sowie im
Ausland hin. Die EU hat in der Vergangenheit [8][kritisiert], dass die
Regierung dabei die Grenzen zwischen den Themen Boykott, Antisemitismus und
Terrorismus verwische. Federführend in der [9][Anti-BDS-Kampagne] ist das
israelische Ministerium für Strategische Angelegenheiten unter Erdan, das
sich schwerpunktmäßig mit dem Thema befasst.
Netanjahu und Erdan würden jetzt jauchzen, schrieb der israelische
Journalist Gideon Levy in einer scharfen Kritik an dem Bundestagsbeschluss.
„Ab jetzt kann sich Deutschland nicht mehr für seine Meinungsfreiheit
rühmen“, so Levy er [10][in der Tageszeitung Ha'aretz]. „Deutschland sollte
sich schämen“ für „eine der empörendsten und bizarrsten Resolutionen seit
Ende des Zweiten Weltkrieges.“ Neben der Lobbyarbeit der
Netanjahu-Regierung führt er Schuldgefühle der Deutschen als Erklärung für
die seines Erachtens „moralische Blindheit“ des Bundestags an.
## Hilfswerk warnt vor humanitären Folgen
Auch in Deutschland hatte es neben [11][viel Lob] für das entschlossene
Eintreten gegen Antisemitismus [12][Kritik an dem Beschluss] gegeben. Das
evangelische Hilfswerk Brot für die Welt veröffentlichte ein [13][Plädoyer
für eine „differenzierte Debatte“]. „Wir sehen die Gefahr, dass nun alle
Organisationen, die ein Ende der völkerrechtswidrigen Besatzung fordern,
verunglimpft werden und ihnen damit die Finanzierungsgrundlage entzogen
wird“, schreibt Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel.
Das Hilfswerk lehne Boykottaufrufe entschieden ab, dennoch müsse sowohl die
Heterogenität der BDS-Bewegung als auch ihre Geschichte wahrgenommen
werden. „Als der BDS-Aufruf 2005 (…) gestartet wurde, stellte er einen so
verzweifelten wie ernsthaften Versuch der Bevölkerung dar, von nun an
gewaltfrei gegen die Besatzung zu protestieren – gerade auf Grund der
Erfahrungen mit massiver Gewalt, vielen Toten und Verletzten (…) im Zuge
der sogenannten zweiten Intifada.“
Darüber hinaus warnt die Organisation vor humanitären Folgen, sollten
Hilfsorganisationen in Palästina keine Unterstützung mehr erhalten.
Deutschland sei einer ihrer wichtigsten Geldgeber. Der Wegfall der Hilfe
„würde die (…) Bevölkerung (…) ohne Aussicht auf und ohne Zugang zu
irgendeiner Form sozialer Dienstleistung lassen, sie neben den politischen
auch noch ihrer wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte berauben.“
Dies wiederum sei ein gefährlicher Nährboden für Gewalt.
28 May 2019
## LINKS
[1] /Antrag-zu-BDS-Kampagne/!5595802
[2] http://www.alhaq.org/advocacy/targets/third-party-states/1414--qq-
[3] https://arabi21.com/story/1182701/%D8%A7%D8%AD%D8%AA%D8%AC%D8%A7%D8%AC%D8%A…
[4] http://www.alquds.com/articles/1558635509457055900/
[5] https://www.alwatanvoice.com/arabic/news/2019/05/23/1246092.html
[6] https://www.bdsmovement.net/news/palestinians-overwhelmingly-condemn-german…
[7] https://www.swp-berlin.org/en/publication/israel-the-rise-of-bad-civil-soci…
[8] https://twitter.com/EUinIsrael/status/1087995069616046080?s=19
[9] https://4il.org.il/
[10] https://www.haaretz.com/opinion/.premium-germany-shame-on-you-and-your-ant…
[11] https://www.bild.de/politik/ausland/politik-inland/kommentar-von-michael-w…
[12] /Juergen-Trittin-zur-Boykottbewegung-BDS/!5592992
[13] https://info.brot-fuer-die-welt.de/blog/eine-differenzierte-debatte
## AUTOREN
Jannis Hagmann
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